HUK 329 Juli 2020
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Sie ringen<br />
ums Soziale<br />
Nach der Bürgerschaftswahl hat sich einiges in den Fraktionen im Hamburger Rathaus<br />
verändert. Auch bei den sozialpolitischen Sprecher*innen gibt es frischen Wind. Wir stellen Ihnen<br />
die Abgeordneten vor, die in den kommenden fünf Jahren im Parlament für Soziales – und<br />
damit auch für Obdachlose – zuständig sind. Mit der kleinsten „Fraktion“ fangen wir an.<br />
TEXTE: ULRICH JONAS, JONAS<br />
FÜLLNER, BENJAMIN LAUFER<br />
FOTOS: DMITRIJ LELTSC<strong>HUK</strong><br />
Sie will niemanden bevormunden<br />
Anna von Treuenfels-Frowein (FDP)<br />
58 Jahre, verheiratet, drei Kinder (24, 23, 17<br />
Jahre), Juristin, derzeit Vollzeitpolitikerin;<br />
seit 2009 bei der FDP, seit 2011 in der<br />
Hamburgischen Bürgerschaft<br />
Berührungsängste hat diese Frau offenbar<br />
kaum: „Ich quatsche öfter mal eine<br />
Runde mit Obdachlosen und höre mir<br />
deren Geschichten an“, sagt Anna von<br />
Treuenfels-Frowein. Sie habe dabei einiges<br />
gelernt, erzählt die 58-jährige<br />
FDP-Politikerin: dass es viele Gründe<br />
gibt, warum Menschen auf der Straße<br />
landen. Dass Reden ihnen das Gefühl<br />
vermittelt, mit der Not nicht alleingelassen<br />
zu werden. Und „dass es immer<br />
einen Neuanfang geben kann“.<br />
Angesichts solcher Erkenntnisse erstaunt<br />
es nicht, dass die Liberale aufsuchende<br />
Sozialarbeit ausbauen würde:<br />
„Da wird die Hilfe nicht aufgedrängt,<br />
sondern erst mal mit den Menschen gesprochen.“<br />
Auch für das sogenannte<br />
Housing First macht sie sich stark, die<br />
Idee also, Obdachlosen als Erstes eine<br />
Wohnung zu beschaffen und anschließend<br />
zu schauen, welche Unterstützung<br />
sie brauchen. In den USA und Finnland<br />
werde das erfolgreich praktiziert.<br />
Eine Sozialpolitikerin im klassischen<br />
Sinne ist Anna von Treuenfels-<br />
Frowein nicht. Das hat auch mit der besonderen<br />
Rolle zu tun, die sie nach der<br />
Wahl ausfüllen muss: Die FDP ist knapp<br />
an der Fünfprozenthürde gescheitert,<br />
sie selbst per Direktwahl Abgeordnete<br />
geworden. Nun muss sie alleine ihre<br />
Partei vertreten, eine Mammutaufgabe,<br />
bei der ihr die neun Jahre Erfahrung<br />
zugutekommen, die sie in der Bürgerschaft<br />
gesammelt hat. Trotzdem weiß<br />
sie: „Ich kann nicht alle Themen in der<br />
Tiefe beackern. Dafür habe ich gute<br />
Mitarbeiter.“<br />
Ein Herzensanliegen ist ihr das<br />
Thema Bildung. Es war der Streit um<br />
eine Reform des Schulsystems, der sie<br />
2008 in die Politik geführt hat. Damals<br />
wollte der schwarz-grüne Senat das gemeinsame<br />
Lernen aller Kinder in der<br />
Grundschule auf sechs Jahre ausdehnen<br />
– was vor allem lernschwachen<br />
Kindern helfen sollte – und gleichzeitig<br />
das Elternwahlrecht abschaffen. „Das<br />
geht zu weit!“, fand sie und wurde Teil<br />
einer Initiative, die die Stadt spaltete –<br />
und später FDP-Mitglied, „weil das die<br />
einzige Partei war, die uns unterstützt<br />
hat und mit der wir gemeinsam einen<br />
Volksentscheid gewonnen haben“.<br />
„Über den Ansatz kann man diskutieren“,<br />
sagt Anna von Treuenfels-Frowein<br />
heute über die Idee der Primarschule.<br />
„Aber man kann so etwas nicht<br />
von heute auf morgen einführen – und<br />
vor allem nicht per Zwang.“ Dass ihr<br />
Herz für die Liberalen schlägt, hat aber<br />
nicht nur mit dieser Geschichte zu tun:<br />
„Die FDP steht für Bürgerrechte und<br />
Freiheit“ – Werte, die auch ihr wichtig<br />
seien. „Dass Menschen manchmal mit<br />
erzieherischem Tun bevormundet werden,<br />
habe ich schon als Kind nicht gemocht.“<br />
UJO<br />
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