GRENZENLOS Winter 2020/2021
Entdecke die winterliche Zugspitzarena Bayern Tirol in der neuen Ausgabe von GRENZENLOS.
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39<br />
kann.“ Eine Freiheit, zu der auch gehört, dass<br />
man einem anderen ordentlich die Meinung<br />
sagt, ihn „ausrichtet“. Ein Fosenachtselement,<br />
das nicht nur im Werdenfelser Land<br />
zur narrischen Zeit gehört: Auch an Main und<br />
Rhein gehört die Kritik an der Obrigkeit zum<br />
Karneval.<br />
Wenn die Maschkera umziehen<br />
Ihren wichtigsten Auftritt haben die Maskierten<br />
beim „Gungln“. Dabei ziehen kleine<br />
Gruppen mit Gesang und Tanz durch den Ort<br />
und seine Gasthäuser, was noch bei Tageslicht<br />
anfängt und sich bis tief in die Nacht<br />
hinzieht. In Grainau findet das immer an<br />
dem Donnerstag statt, der der Faschingswoche<br />
vorausgeht. „Dann treffen sich die einzelnen<br />
Gruppen, ziehen ihre Kostüme und<br />
Larven an und machen sich auf den Weg“,<br />
erläutert Korbinian Riesch den Ablauf. Er ist<br />
Vorsitzender im Fosenachtsverein und selbst<br />
als „Maschkera“, also Träger dieser Masken,<br />
unterwegs. Die wichtigsten Kostüme sind<br />
dabei ähnlich wie an anderen Orten im Werdenfelser<br />
Land. Näheres dazu gibt es auf<br />
den Seiten 40 und 41.<br />
Daher kennt er auch die anstrengendste<br />
Rolle unter den diversen Gestalten, die typisch<br />
für die Grainauer Fosenacht ist: die<br />
Schellenrührer. Schwere Kuhglocken, oft<br />
aus altem Familienbesitz, haben sie umgeschnallt,<br />
knapp oberhalb der Hüfte tragen<br />
sie diese auf dem Rücken und versuchen mit<br />
möglichst geschickten Bewegungen – dem<br />
„Rühren“ – sie kräftig und rhythmisch zum<br />
Läuten zu bringen. „Eine Kunst, die man im<br />
Laufe der Zeit und mit großer Anstrengung<br />
erlernt“, meint Riesch. Die längste Strecke<br />
für die Schellenrührer, bei denen es eine<br />
Obergrainauer und eine Untergrainauer Abteilung<br />
gibt, zieht sich zwei Kilometer hin,<br />
ein Weg von einer guten halben Stunde.<br />
„Das muss man im Kreuz und in den Beinen<br />
haben.“ Weshalb diese Aufgabe noch überwiegend<br />
– Genaues weiß man ja nicht wegen<br />
der Larve – von Männern übernommen<br />
wird. Was die ursprünglich strengen Regeln<br />
angeht, gibt man sich im Zugspitzdorf entspannt.<br />
„Die Tradition sagt eigentlich, dass<br />
nur gebürtige Grainauer am ,Gungln‘ teilnehmen<br />
dürfen“, sagt Riesch. „Aber das<br />
sehen wir inzwischen locker. Und natürlich<br />
sind bei uns auch Frauen dabei.“<br />
Der Fosenachtsverein, der in der Faschingszeit<br />
die Termine koordiniert, hält<br />
sich beim „Gungln“ selbst im Hintergrund.<br />
„Da sind die einzelnen Gruppen, die sich<br />
gut kennen, völlig eigenständig“, bekräftigt<br />
Riesch. Allerdings trägt der Verein seinen Teil<br />
dazu bei, dass auch alle anderen ihren Spaß<br />
haben, zum Beispiel, indem er Veranstaltungen<br />
für Kinder auf die Beine stellt. Auch<br />
Simon Buchwieser sorgt dafür, dass die alten<br />
Traditionen in den kommenden Generationen<br />
weiterleben: „In meiner Schnitzwerkstatt<br />
habe ich Plätze für meine Enkel eingerichtet.<br />
Die sind schon aufmerksam dabei …“<br />
Ulrich Pfaffenberger<br />
English Summary<br />
They are the centrepiece of the Grainau<br />
carnival tradition: masks carved from<br />
wood. Some of them are well over<br />
100 years old and have been handed<br />
down through generations. Their facial<br />
expressions are as unique as the people<br />
who hide behind them. And each one<br />
is a hand-carved specimen. Part of the<br />
custom is not recognising the person<br />
behind the mask when their head is also<br />
wrapped in a cloth and covered by a hat,<br />
but the real trick is to open the mask to<br />
allow the wearer to take a sip of beer<br />
without anyone knowing who they are.<br />
And while hidden from view, everyone<br />
can vent their opinions without fear of<br />
being identified. It’s a carnival tradition,<br />
and not only in the Werdenfelser Land:<br />
criticising authority is also a hearty<br />
tradition in the Rhine-Main region.<br />
Mask-wearers have their most important<br />
appearance at the “Gungln”: small<br />
groups sing and dance through the town<br />
and its inns, starting during daylight<br />
and continuing deep into the night. In<br />
Grainau this takes place on the Thursday<br />
that precedes the carnival week.<br />
The traditional costumes are similar to<br />
other places in the Werdenfelser Land.<br />
Characteristic of the Grainau carnival is<br />
the figure of the bellringer, who carries<br />
heavy cow bells on his back. It’s an art<br />
that can only be learned in the course of<br />
time and with great effort. The carnival<br />
is organized by the local association, and<br />
there are also events for children.