GRENZENLOS Winter 2020/2021
Entdecke die winterliche Zugspitzarena Bayern Tirol in der neuen Ausgabe von GRENZENLOS.
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Die beiden alten Larven der<br />
„Untersberger Mandln“ im Museum.<br />
Peter Schwarz kann das nicht nur bestätigen,<br />
der erfahrene Heimatforscher berichtet:<br />
„Das waren keine Sklaven, die in den<br />
Bergwerken gehalten wurden, das waren<br />
hoch angesehene Leute in ihrer Heimat und<br />
bei uns.“ Ihre genauen Kenntnisse über Bodenschätze<br />
nutzten sie zum Beispiel, um die<br />
heimische Glasindustrie mit Färbemitteln<br />
zu versorgen. Wegen ihres geheimnisvollen<br />
Aussehens und ihrer Sprache wurden sie<br />
bald zur Quelle für Mythen und Märchen.<br />
„Man kann das durchaus als ein frühes Beispiel<br />
für kulturellen Austausch und Wandel<br />
sehen“, meint Schwarz. Er verweist auf ein<br />
Haus in Kohlgrub, dessen Fassade verschiedene<br />
Facetten aus dem Leben und der Arbeit<br />
der Mandl zeigt. „Das ist sehr anschaulich<br />
dargestellt.“<br />
Zweierlei Mandl betreiben Bergbau<br />
Während sich die originalen Vorbilder<br />
irgendwann wieder aus dem Werdenfelser<br />
Land verabschiedeten, kamen bald<br />
Nachzügler aus einer anderen bayerischen<br />
Region mit Bergbautradition, dem Land<br />
zwischen Chiemsee und Salzburg. Ihrer Herkunft<br />
nach wurden sie nach dem mystischen<br />
Ort dort „Untersberger Mandl“ genannt. Die<br />
sind bis heute geblieben, auch wenn es keinen<br />
Bergbau mehr gibt rund um Garmisch-<br />
Partenkirchen. Die Mandl knüpfen an die<br />
zauberhaften Märchen an und sind eine der<br />
traditionsreichsten Figuren in der Fosenacht<br />
(Fastnacht) und zählen dort zu den beliebtesten<br />
„Maschkera“ (Masken).<br />
Traditionelle Figuren on Tour<br />
Gemeinsam mit den Mandln sind noch<br />
einige weitere Figuren unterwegs, die in<br />
der narrischen Zeit das Ortsbild prägen. Die<br />
„Mühlradl“ zum Beispiel: Ein „Gespann“ aus<br />
sieben oder acht Paaren von Maskenträgern<br />
zieht dabei in rhythmischem Laufschritt<br />
einen Baumstamm, die „Blochn“ durch die<br />
Straßen. Darauf ist, parallel zum Boden, ein<br />
sich drehendes Wagenrad angebracht, auf<br />
dem sich zwei weitere Maschkera in wilder<br />
Drehung zu halten versuchen. Alle tragen<br />
dabei die altehrwürdigen Arbeitshosen aus<br />
blau gefärbtem Leinen – dem Vorbild für<br />
die späteren Jeans – sowie lange weiße<br />
Riegelhemden, das „Pfoad“. So uniform das<br />
Gewand, so verschieden die Masken, die<br />
mit weißen Tüchern am Kopf befestigt sind,<br />
und so lebhaft und munter das Gebaren des<br />
Trupps.<br />
Wie es auch für die „Jacklschutzer“ gilt,<br />
eine Fünfergruppe, von denen vier eine<br />
„Blochn“ tragen, in die eine Stoffpuppe eingepackt<br />
ist. Im Takt, den der fünfte als Vorsänger<br />
angibt, schleudern sie die Puppe so<br />
lange, bis sie durch die Luft fliegt. Gemeint<br />
ist damit der <strong>Winter</strong>, der endlich verschwinden<br />
soll. Das echte Vorbild waren wandernde<br />
Schmiedegesellen, die ihren „Jackl“,<br />
den Vorschlaghammer, gut eingepackt mit<br />
sich trugen und immer für eine Gaudi zu<br />
haben waren.<br />
Lebendiges Brauchtum<br />
Sehenswert sind die Träger vom „Flecklesgwand“,<br />
das aus bunten Stofffetzen<br />
zusammengenäht ist. In der Oper sieht<br />
man manchmal den Papageno so angezogen.<br />
Hanswurscht und Münchner Kindl<br />
zählen ebenfalls zu den häufig sichtbaren<br />
Maschkera – wobei das Wort sowohl die<br />
Verkleidung als auch ihre Träger bezeichnet.<br />
In vergangenen Zeiten haben die Einheimischen<br />
oft auch zu abgelegtem oder aufgetragenem<br />
Trachtengewand gegriffen, um<br />
sich zum Beispiel als Wilderer zu verkleiden,<br />
berichtet Christian Ruf. Larven waren dabei<br />
nicht immer nötig, aber wer eine besitzt,<br />
der setzt sie auch auf. „Hinter jeder Larve<br />
steckt nicht nur ein Gesicht, sondern auch<br />
eine Geschichte“, so der Trachtenvereinsvorsitzende,<br />
„das ist lebendiges Brauchtum.“<br />
Besucher, die Einblicke in die Bräuche zur<br />
Faschingszeit gewinnen sollen, tun gut daran,<br />
etwas Geduld mitzubringen. „Das geht<br />
bei uns nicht genau nach dem Kalender<br />
und der Tischuhr. Wie die narrische Zeit an<br />
sich ist das aus der Tradition heraus alles<br />
unkoordinierte Rebellion“, merkt Ruf an.<br />
„Aus Gewohnheit haben wir alle den Ablauf<br />
ungefähr im Gefühl. Aber oft folgen wir<br />
auch dem Impuls und der Eingebung.“ Damit<br />
verhält es sich also so ähnlich wie mit der<br />
richtigen Schreibweise von „Fosenacht“: „Da<br />
haben schon viele darüber gerätselt, aber es<br />
gibt keine einheitliche Regelung. Nur eins ist<br />
klar: Fasenacht heißt es bei uns nicht.“<br />
Ulrich Pfaffenberger<br />
English Summary<br />
The “Untersberger Mandl” are inseparably<br />
associated with the carnival<br />
tradition in the Werdenfelser Land.<br />
These small figures have historical<br />
models. One is the “Venediger<br />
Mandl”, whose name refers to small,<br />
hobgoblin-like people from Venice,<br />
who centuries ago scoured the alpine<br />
world of the Karwendel for valuable<br />
metals to use as colorants for<br />
the glass industry. There are many<br />
legends in which they revealed<br />
hidden treasures and then suddenly<br />
disappeared again. While these<br />
“Mandl” eventually left the area, they<br />
were soon followed by the “Untersberger<br />
Mandl” – miners from the area<br />
between the Chiemsee lake and Salzburg.<br />
Today they are among the most<br />
popular traditional masks during carnival,<br />
when they are joined by many<br />
other characters. The “Mühlradl”, for<br />
example – groups of mask wearers<br />
who pull a tree trunk through the<br />
streets. On this trunk, parallel with<br />
the ground, is a rotating wagon<br />
wheel which two mask-wearers try to<br />
hold on to as they spin around. Or the<br />
“Jacklschutzer”, who hurl a rag doll<br />
through the air to chase away the<br />
winter. Also worth looking out for is<br />
the “Flecklesgwand” mask, sewn together<br />
from colorful scraps of fabric.<br />
But you may need to be patient: the<br />
carnival customs here do not follow<br />
a strict calendar; instead, they follow<br />
the carnival watchword of wild rebellion.<br />
Everybody knows what’s going<br />
on, but many still often simply follow<br />
their intuition.