Blogtexte2019
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so ist das. So ist es aber nicht. Eine Antwort
auf die Frage, wie ein Bild von mir gemalt
wird, lässt sich nur mit der Beschreibung
meiner täglichen Motivation weiterzumachen
erklären und den Strategien, mich in
diesen Zustand zu versetzen. Was muss ich
typischerweise anstellen, um etwas an dem
Bild zu tun, und was bedeutet das praktisch
auf der Leinwand? Schwer zu sagen. Sie sehen
schon, es macht mir Umstände, eine genaue
Antwort hinzubekommen. Es braucht
einen ganz persönlichen Grund für das jeweilige
Bild. Etwas, was ich nicht gut mit Worten
sagen kann, und genauso für mein Durchhaltevermögen
das Bild fortzumalen, über viele
Wochen. Anerkennung und Geldgewinn sind
kein Grund, es geht tiefer.
Der Kauf der Leinwand bei Boesner ist einfach.
Da ist alles fertig abgepackt, man muss
nur an die kleinen Keile denken, die sind
extra, und man bekommt sie in genügender
Menge so dazu. Man kann zu Jerwitz gehen,
wenn es einem bei Boesner nicht gefällt und
bestimmt gibt es noch andere gute Anbieter
fertig grundierter Leinwand. Zu Beginn
malte ich auf Holz, Tischlerplatte aus dem
Baumarkt, und die Rückseite dieser Platten
habe ich ebenfalls angemalt, damit das
Holz nicht krumm wird. Dann habe ich diese
Bilder mit Aluminiumleiste gerahmt, wie
ich es von Otto Ruths gelernt habe. (Otto
war mein wichtigster Prof. und Freund). Das
große Bild im Keller, das aus dem Studium,
dieses Ding, das ich nicht zu Ende brachte,
ist auf einem selbst zusammen montierten
Keilrahmen gemalt, den wir in einzelnen
Leisten bei Jerwitz einkauften. Dazu gab es
einen großen Lappen echter Leinwand, und
die haben wir unter fachkundiger Beobachtung
von Almut Heise mit dem Keilrahmen
verbunden, wir haben sie angetackert. Dann
wurde mit weißer Wandfarbe grundiert. Ich
machte eine Skizze, bevor ich malte, und die
Professorin bewertete diese so: „Gut. Ohne
Vorbereitung klappt es nicht. Aber zu exakt
darf die Skizze nicht sein. Sonst erlebt man
auf dem Bild nichts mehr.“ Darin steckt wieder
diese Befürchtung, dass bei zu genauer
Vorbereitung etwas vorweg genommen wird,
die Motivation das eigentliche Bild umzusetzen
beschädigt und weiter die Weisheit, dass
das Malen so befriedigend ist, weil du dabei
etwas erleben kannst. Du kannst haben, dass
du dich selbst überrascht, weil einige formale
Lösungen erst während der Arbeit im Prozess
der Herstellung erschaffen werden. Auf der
anderen Seite führen viele Wege nach Rom.
Mancher bereitet sich gern gut vor und ist
grad deswegen kreativ, jemand anderes darf
sich nicht festlegen, um die Inspiration nicht
zu gefährden.
Auf meine Unsicherheit wie vorzugehen sei
gefragt, antwortete die Professorin Heise:
„Sie müssen eben überall mit allen Farben
malen.“ Ihr Kollege Otto Ruths entgegnete:
„Gut ist auch, den Farbton für speziell eine
bestimmte Stelle exakt zu ermitteln.“ Was
ich wie einen Widerspruch begriff, muss das
nicht sein. Heute mache ich’s so: Ich male
fleckig, mit reichlich verschiedenen Farben
wie ein Impressionist und verdichte im Prozess
allmählich, bis ein nahezu einheitlicher
Ton ermittelt ist. Es muss noch leben. Kleine
Durchblicke lassen den Blick unter die farbige
Fläche zu. Es sind Augen: Sie erzählen die
Geschichte ihrer Entstehung. Ein wenig Buntheit
bleibt rhythmisch verstreut stehen. Das
heißt korrekt: das malerische Prinzip.
Netterweise muss ich meinen Professor
Grossmann erwähnen, der machte das zum
Selbstzweck. Pünktchen malen, nannten wir
das leider abwertend. Weitere Namen führen
zu weit, ich bin nicht mehr Student. Annamaria
Rucktäschel. Gero muss seinen Platz
bekommen, gewürdigt als Professor, Mensch
und Freund: Bei Gero Flurschütz studierte ich
„Informative-Illustration“ und gelangte zu einem
Diplom. Was immer das heißt.
„Ich will sehen, ob ihr das Bild schafft, oder
das Bild euch“, sagte sie, die feine Almut Heise,
die im Nachhinein wichtigste von allen, und
sie sagte auch solche Sachen: „Das Gemälde
muss für diesen Zweck mindestens einen Meter
breit und hoch sein, eventuell noch ein
wenig mehr. Nicht zu klein. Malt ein Familienbild,
Menschen die ihr kennt. Stellt eine
Gruppe auf. Die müssen real zeitlich, wann sie
lebten oder noch leben, so gar nicht zusammen
gewesen sein. Malt eine fiktive Gruppe,
auch stilistisch, ihr könnt so oder so malen,
denkt darüber nach, was ihr eigentlich wollt.
Die Gesichter sollen groß und gut erkennbar
sein. Aber nicht größer, als ein Gesicht in der
Natur ist. Porträts, die größer als wirkliche
Gesichter gemalt sind, machen keinen Sinn.“
Niemand malte sein Bild zu Ende. Wir waren
alle voller Begeisterung angefangen. Frau
Professorin Almut Heise saß, kaum mal mit
uns redend, schon zeitweise mit im Raum,
trank vielleicht ein Bier (aus der Flasche), las
etwas. (Eine wunderschöne Frau, manchmal
gab sie Geschichten zum Besten, und wir haben
sie auch in ihrem Atelier besucht).
Wir durften auch zu allen möglichen anderen
Zeiten in den Raum, wenn etwa keine Vorlesungen
sonst wo stattfanden. Und das nutzten
wir, nach ein oder zwei Semestern am
Bild irgendwie, um einer nach dem anderen,
klammheimlich, jeder mit mehr oder weniger
eingekniffenem Schwanz, unser Bild nicht
recht fertig gemalt, nach Haus zu nehmen.
Wir umschifften das Thema bei späteren Treffen.
Susanne fing in der Werbung was an zu
machen, ich illustrierte (weit unter meinem
Talent) die Zeitschrift Yacht (am Computer).
Dass ich heute male, verdanke ich so sehr
dieser lieben Almut Heise, das weiß ich jetzt.
Man muss es also wollen, sonst schafft man
so eine Fläche nicht. Zum Wie gehört der innere
Antrieb, und den muss ich starten können.
Der Beginn für ein neues Bild, ist bei mir
dort zu suchen, wo ungefähr das aktuelle Bild
fertig wird. Natürlich gibt es Überschneidungen.
Man denkt ja in einem fort. Bevor ich auf
der Leinwand beginne, bereite ich mich vor.
Wenn ich die Leinwand auf die Staffelei stelle,
zeichne ich mit Bleistift ein Raster darauf
und übertrage vorher entworfene Elemente
nach Plan. Ich male nicht drauf los. Ich möchte
spontanes Tun nicht abwerten: Man kann
toll in der Natur schaffen. Ich mache was ich
mache, weil es mir so gefällt und nicht weil
es die richtige Methode ist. Ich kenne die
richtige Art, ein Bild zu malen, nicht. Ich habe
ohnehin kaum Malerei studiert oder gelernt.
Ich kann wirklich gut zeichnen, und da weiß
ich genau, warum und wie und alles, was du
wissen willst. Malen ist mir die autodidaktische
Selbstbefriedigung. Das kann ich nicht.
Das mache ich, so gut es mir eben gelingt.
Ich male nicht einfach ein Foto ab. Ich möchte
eine Geschichte erzählen. Ich möchte etwas
sagen, aber nicht mit Worten. Ich möchte,
dass ich mein Bild schön finde! Mir liegt
nichts am rumgeschredder mit Spachtel oder
so. Ich löse eine ästhetische und thematische
Problemstellung, erforsche, wie ich etwas
ausdrücken kann, was ganz genau mich betrifft
und deswegen auch andere. Ich fange
bei mir an. Ich frage nicht: „Was könnte interessieren?“
Ich beginne dort, wo es mich nicht
mehr loslässt. Auch zu beschreiben ist, dass
jedes Bild auf vorangegangene Bilder folgt
und insofern ein Fahrwasser meines Lebens
abgesegelt wird, eine Entwicklung. „Mal doch
mal deine Familie“, sagte meine Freundin
(nicht die mit dem Kind) abschließend – und
ging „ganz weit“ weg; das klang so doof für
mich, nach allem was war – gar nichts begriffen!
Jetzt ist der thematische Rahmen ungefähr
erklärt, zugegeben so, dass nicht all zu viel
gesagt ist. Aber die Inhalte sollten ja ästhetisch
transportiert sein, da muss ich’s nicht
haarklein schreiben? Ich habe eine Idee, ich
skizziere eventuell, beginne Fotos zu machen,
suche passende Fotoelemente im Internet,
und ich montiere am Computer eine
Arbeitsgrundlage für das Bild. Dann übertrag
ich das per Bleistift und mit Pauspapier,
nachdem ich ausdruckte, auf die Leinwand.
Ich verwende eine dunkle Farbe, wie Indigo
oder Vandyckbraun und fange damit an, Teile
der Zeichnung malerisch konkret werden zu
lassen. Wenn etwas nicht so treffend gelingt,
beginne ich mit weiß zusätzlich.
Nun kommt es drauf an, wonach mir ist,
schwer zu begründen; es kommt vor, dass
ich inselhaft einen kleineren Teil farbig recht
vollständig ausführe und den Rest der Leinwand
einfach weiß stehen lasse oder ich
sehe zu, möglichst zügig eine Art Untermalung
überall hinzubekommen, so dass das
Ganze recht fertig wirkt. Das mache ich mal
so, mal so. Wichtig ist, nicht überall gleichzeitig
etwas anzufangen. Etwa, als würde man,
nachdem man sich ein renovierungsbedürftiges
Haus gekauft hat, ausgestattet mit einem
großen Traum, wie das alles mal werden wird,
übernehmen. Man saniert in jedem Raum nur
einen Teil, und das selbstgeschaffene Chaos
ist schließlich erdrückend. Besser ist es, einen
Fußboden fertig zu verlegen, sagen wir
im Wohnzimmer. Du kannst alle Fenster übermalen
und anschließend machst du die Küche.
Schlecht wäre, den neuen Fußboden an
einer Stelle ein wenig anzufangen, parallel in
die Küche zu gehen, mit einem Teil der Arbeit.
Die alten Tapeten etwa: sie werden an einer
Wand halb runtergekratzt oder drei Kacheln
versuchsweise abgeschlagen, aber dann seid
ihr erschöpft! Ihr könnt den Laden nicht mehr
sehen. Mit einer Vision von neuer skandinavischer
Frische brecht ihr auf. Ihr kauft im Sonderangebot
vier Farbeimer mit Schwedenrot
im Baumarkt, und deine Freundin malt mit
Tränen vor Glück wie alles werden wird ein
Fenster links vorn der Straßenseite rot an.
Das kann so in der Vielzahl der begonnenen
Baustellen im Messiehaus enden!
Deshalb ist die Grundregel: Ein Bild muss
immer fertig sein. Das ist wichtig. Fertig bedeutet,
am jeweiligen Tag genau so lang zu
malen, bis etwas dasteht das morgen oder
nächste Woche, wenn ich wieder dazu komme
weiterzumachen, gefällt (und Anreize gibt
wieder loszulegen). Wenn ich wieder dran
gehe genauso: Wo ist das Bild gerade jetzt
noch am schlechtesten? Wo ist die aktuell
schwächste Stelle? Dort zu malen, dazu muss
man sich eventuell zwingen. Es ist nicht gut,
eine gute Stelle immer besser zu machen. Es
kann schwierig sein, diesen nötigen Ort an
Mai 14, 2019 - Du musst es wirklich wollen? 10 [Seite 9 bis 12]