21.01.2021 Aufrufe

Blogtexte2019

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

so ist das. So ist es aber nicht. Eine Antwort

auf die Frage, wie ein Bild von mir gemalt

wird, lässt sich nur mit der Beschreibung

meiner täglichen Motivation weiterzumachen

erklären und den Strategien, mich in

diesen Zustand zu versetzen. Was muss ich

typischerweise anstellen, um etwas an dem

Bild zu tun, und was bedeutet das praktisch

auf der Leinwand? Schwer zu sagen. Sie sehen

schon, es macht mir Umstände, eine genaue

Antwort hinzubekommen. Es braucht

einen ganz persönlichen Grund für das jeweilige

Bild. Etwas, was ich nicht gut mit Worten

sagen kann, und genauso für mein Durchhaltevermögen

das Bild fortzumalen, über viele

Wochen. Anerkennung und Geldgewinn sind

kein Grund, es geht tiefer.

Der Kauf der Leinwand bei Boesner ist einfach.

Da ist alles fertig abgepackt, man muss

nur an die kleinen Keile denken, die sind

extra, und man bekommt sie in genügender

Menge so dazu. Man kann zu Jerwitz gehen,

wenn es einem bei Boesner nicht gefällt und

bestimmt gibt es noch andere gute Anbieter

fertig grundierter Leinwand. Zu Beginn

malte ich auf Holz, Tischlerplatte aus dem

Baumarkt, und die Rückseite dieser Platten

habe ich ebenfalls angemalt, damit das

Holz nicht krumm wird. Dann habe ich diese

Bilder mit Aluminiumleiste gerahmt, wie

ich es von Otto Ruths gelernt habe. (Otto

war mein wichtigster Prof. und Freund). Das

große Bild im Keller, das aus dem Studium,

dieses Ding, das ich nicht zu Ende brachte,

ist auf einem selbst zusammen montierten

Keilrahmen gemalt, den wir in einzelnen

Leisten bei Jerwitz einkauften. Dazu gab es

einen großen Lappen echter Leinwand, und

die haben wir unter fachkundiger Beobachtung

von Almut Heise mit dem Keilrahmen

verbunden, wir haben sie angetackert. Dann

wurde mit weißer Wandfarbe grundiert. Ich

machte eine Skizze, bevor ich malte, und die

Professorin bewertete diese so: „Gut. Ohne

Vorbereitung klappt es nicht. Aber zu exakt

darf die Skizze nicht sein. Sonst erlebt man

auf dem Bild nichts mehr.“ Darin steckt wieder

diese Befürchtung, dass bei zu genauer

Vorbereitung etwas vorweg genommen wird,

die Motivation das eigentliche Bild umzusetzen

beschädigt und weiter die Weisheit, dass

das Malen so befriedigend ist, weil du dabei

etwas erleben kannst. Du kannst haben, dass

du dich selbst überrascht, weil einige formale

Lösungen erst während der Arbeit im Prozess

der Herstellung erschaffen werden. Auf der

anderen Seite führen viele Wege nach Rom.

Mancher bereitet sich gern gut vor und ist

grad deswegen kreativ, jemand anderes darf

sich nicht festlegen, um die Inspiration nicht

zu gefährden.

Auf meine Unsicherheit wie vorzugehen sei

gefragt, antwortete die Professorin Heise:

„Sie müssen eben überall mit allen Farben

malen.“ Ihr Kollege Otto Ruths entgegnete:

„Gut ist auch, den Farbton für speziell eine

bestimmte Stelle exakt zu ermitteln.“ Was

ich wie einen Widerspruch begriff, muss das

nicht sein. Heute mache ich’s so: Ich male

fleckig, mit reichlich verschiedenen Farben

wie ein Impressionist und verdichte im Prozess

allmählich, bis ein nahezu einheitlicher

Ton ermittelt ist. Es muss noch leben. Kleine

Durchblicke lassen den Blick unter die farbige

Fläche zu. Es sind Augen: Sie erzählen die

Geschichte ihrer Entstehung. Ein wenig Buntheit

bleibt rhythmisch verstreut stehen. Das

heißt korrekt: das malerische Prinzip.

Netterweise muss ich meinen Professor

Grossmann erwähnen, der machte das zum

Selbstzweck. Pünktchen malen, nannten wir

das leider abwertend. Weitere Namen führen

zu weit, ich bin nicht mehr Student. Annamaria

Rucktäschel. Gero muss seinen Platz

bekommen, gewürdigt als Professor, Mensch

und Freund: Bei Gero Flurschütz studierte ich

„Informative-Illustration“ und gelangte zu einem

Diplom. Was immer das heißt.

„Ich will sehen, ob ihr das Bild schafft, oder

das Bild euch“, sagte sie, die feine Almut Heise,

die im Nachhinein wichtigste von allen, und

sie sagte auch solche Sachen: „Das Gemälde

muss für diesen Zweck mindestens einen Meter

breit und hoch sein, eventuell noch ein

wenig mehr. Nicht zu klein. Malt ein Familienbild,

Menschen die ihr kennt. Stellt eine

Gruppe auf. Die müssen real zeitlich, wann sie

lebten oder noch leben, so gar nicht zusammen

gewesen sein. Malt eine fiktive Gruppe,

auch stilistisch, ihr könnt so oder so malen,

denkt darüber nach, was ihr eigentlich wollt.

Die Gesichter sollen groß und gut erkennbar

sein. Aber nicht größer, als ein Gesicht in der

Natur ist. Porträts, die größer als wirkliche

Gesichter gemalt sind, machen keinen Sinn.“

Niemand malte sein Bild zu Ende. Wir waren

alle voller Begeisterung angefangen. Frau

Professorin Almut Heise saß, kaum mal mit

uns redend, schon zeitweise mit im Raum,

trank vielleicht ein Bier (aus der Flasche), las

etwas. (Eine wunderschöne Frau, manchmal

gab sie Geschichten zum Besten, und wir haben

sie auch in ihrem Atelier besucht).

Wir durften auch zu allen möglichen anderen

Zeiten in den Raum, wenn etwa keine Vorlesungen

sonst wo stattfanden. Und das nutzten

wir, nach ein oder zwei Semestern am

Bild irgendwie, um einer nach dem anderen,

klammheimlich, jeder mit mehr oder weniger

eingekniffenem Schwanz, unser Bild nicht

recht fertig gemalt, nach Haus zu nehmen.

Wir umschifften das Thema bei späteren Treffen.

Susanne fing in der Werbung was an zu

machen, ich illustrierte (weit unter meinem

Talent) die Zeitschrift Yacht (am Computer).

Dass ich heute male, verdanke ich so sehr

dieser lieben Almut Heise, das weiß ich jetzt.

Man muss es also wollen, sonst schafft man

so eine Fläche nicht. Zum Wie gehört der innere

Antrieb, und den muss ich starten können.

Der Beginn für ein neues Bild, ist bei mir

dort zu suchen, wo ungefähr das aktuelle Bild

fertig wird. Natürlich gibt es Überschneidungen.

Man denkt ja in einem fort. Bevor ich auf

der Leinwand beginne, bereite ich mich vor.

Wenn ich die Leinwand auf die Staffelei stelle,

zeichne ich mit Bleistift ein Raster darauf

und übertrage vorher entworfene Elemente

nach Plan. Ich male nicht drauf los. Ich möchte

spontanes Tun nicht abwerten: Man kann

toll in der Natur schaffen. Ich mache was ich

mache, weil es mir so gefällt und nicht weil

es die richtige Methode ist. Ich kenne die

richtige Art, ein Bild zu malen, nicht. Ich habe

ohnehin kaum Malerei studiert oder gelernt.

Ich kann wirklich gut zeichnen, und da weiß

ich genau, warum und wie und alles, was du

wissen willst. Malen ist mir die autodidaktische

Selbstbefriedigung. Das kann ich nicht.

Das mache ich, so gut es mir eben gelingt.

Ich male nicht einfach ein Foto ab. Ich möchte

eine Geschichte erzählen. Ich möchte etwas

sagen, aber nicht mit Worten. Ich möchte,

dass ich mein Bild schön finde! Mir liegt

nichts am rumgeschredder mit Spachtel oder

so. Ich löse eine ästhetische und thematische

Problemstellung, erforsche, wie ich etwas

ausdrücken kann, was ganz genau mich betrifft

und deswegen auch andere. Ich fange

bei mir an. Ich frage nicht: „Was könnte interessieren?“

Ich beginne dort, wo es mich nicht

mehr loslässt. Auch zu beschreiben ist, dass

jedes Bild auf vorangegangene Bilder folgt

und insofern ein Fahrwasser meines Lebens

abgesegelt wird, eine Entwicklung. „Mal doch

mal deine Familie“, sagte meine Freundin

(nicht die mit dem Kind) abschließend – und

ging „ganz weit“ weg; das klang so doof für

mich, nach allem was war – gar nichts begriffen!

Jetzt ist der thematische Rahmen ungefähr

erklärt, zugegeben so, dass nicht all zu viel

gesagt ist. Aber die Inhalte sollten ja ästhetisch

transportiert sein, da muss ich’s nicht

haarklein schreiben? Ich habe eine Idee, ich

skizziere eventuell, beginne Fotos zu machen,

suche passende Fotoelemente im Internet,

und ich montiere am Computer eine

Arbeitsgrundlage für das Bild. Dann übertrag

ich das per Bleistift und mit Pauspapier,

nachdem ich ausdruckte, auf die Leinwand.

Ich verwende eine dunkle Farbe, wie Indigo

oder Vandyckbraun und fange damit an, Teile

der Zeichnung malerisch konkret werden zu

lassen. Wenn etwas nicht so treffend gelingt,

beginne ich mit weiß zusätzlich.

Nun kommt es drauf an, wonach mir ist,

schwer zu begründen; es kommt vor, dass

ich inselhaft einen kleineren Teil farbig recht

vollständig ausführe und den Rest der Leinwand

einfach weiß stehen lasse oder ich

sehe zu, möglichst zügig eine Art Untermalung

überall hinzubekommen, so dass das

Ganze recht fertig wirkt. Das mache ich mal

so, mal so. Wichtig ist, nicht überall gleichzeitig

etwas anzufangen. Etwa, als würde man,

nachdem man sich ein renovierungsbedürftiges

Haus gekauft hat, ausgestattet mit einem

großen Traum, wie das alles mal werden wird,

übernehmen. Man saniert in jedem Raum nur

einen Teil, und das selbstgeschaffene Chaos

ist schließlich erdrückend. Besser ist es, einen

Fußboden fertig zu verlegen, sagen wir

im Wohnzimmer. Du kannst alle Fenster übermalen

und anschließend machst du die Küche.

Schlecht wäre, den neuen Fußboden an

einer Stelle ein wenig anzufangen, parallel in

die Küche zu gehen, mit einem Teil der Arbeit.

Die alten Tapeten etwa: sie werden an einer

Wand halb runtergekratzt oder drei Kacheln

versuchsweise abgeschlagen, aber dann seid

ihr erschöpft! Ihr könnt den Laden nicht mehr

sehen. Mit einer Vision von neuer skandinavischer

Frische brecht ihr auf. Ihr kauft im Sonderangebot

vier Farbeimer mit Schwedenrot

im Baumarkt, und deine Freundin malt mit

Tränen vor Glück wie alles werden wird ein

Fenster links vorn der Straßenseite rot an.

Das kann so in der Vielzahl der begonnenen

Baustellen im Messiehaus enden!

Deshalb ist die Grundregel: Ein Bild muss

immer fertig sein. Das ist wichtig. Fertig bedeutet,

am jeweiligen Tag genau so lang zu

malen, bis etwas dasteht das morgen oder

nächste Woche, wenn ich wieder dazu komme

weiterzumachen, gefällt (und Anreize gibt

wieder loszulegen). Wenn ich wieder dran

gehe genauso: Wo ist das Bild gerade jetzt

noch am schlechtesten? Wo ist die aktuell

schwächste Stelle? Dort zu malen, dazu muss

man sich eventuell zwingen. Es ist nicht gut,

eine gute Stelle immer besser zu machen. Es

kann schwierig sein, diesen nötigen Ort an

Mai 14, 2019 - Du musst es wirklich wollen? 10 [Seite 9 bis 12]

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!