Blogtexte2019
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wurden echte Tannenzweige
spiralförmig um den
Mast gewickelt, Baum für
Baum, die ganze Straße
entlang. In das dreieckige
Gitter der Spitze kam ein
passender die dreieckige
Form ausfüllender Tannenzweig.
„Die Kastanien blühten, die Hauptstraße lag
im tiefsten Frieden, und man hörte den Pfiff
der Lokomotive vom Sechsuhrzug.“ So ähnlich
beginnt wohl ein Buch von Astrid Lindgren
mit Kalle aus Kleinköping in Schweden. Ja,
wir haben das hier probiert,
anstelle eines Pakets,
wo Onkel Einar (im
Buch) alles durchschauend
schnell seinen Fuß
drauf setzt: Wir nahmen
ein altes Portemonnaie
vom Großvater, versahen
es mit dünner Schnur
zum schnellen Wegziehen,
wenn ein gieriger
Passant käme und versteckten uns unten
an der Auffahrt. Mark, Franziska,
Frank und ich – aber es klappte
nicht.
Zirkus machten wir tatsächlich
auch, in unsrem großen Garten,
hatten jedoch nicht das Pferd,
hatten nicht den Krieg der weißen
Rose – aber Regina von
Schlachter Heins. Sie war dünn
wie Eva Lotte, damals.
# Als ich klein war, vierter Teil
Im Wohnzimmer war in der hinteren
Ecke der große beinahe zimmerhohe
gemauerte Kachelofen.
Die quadratisch sandfarbenen
Kacheln hatten fast die Abmessungen von
großen Schallplattenhüllen, größer jedenfalls
als Topflappen. In der anderen Ecke war
die Tür zum Flur, dann kam etwas Wand, Platz
der Musiktruhe, die später näher an den Ofen
rückte, zum neuen Schrank.
Die Südwand, dem Durchbruch
mit den beiden
weißen Türen gegenüber,
war fensterlos. Dort stand
das graue Sofa, darüber
ein selbst gemaltes Ölgemälde
meines Vaters;
Segelschiff, Dreimaster. Er
hatte ein Johannes-Holst-
Originalgemälde vom
Buchtitel „Spiegel der See“
Joseph Conrads kopiert.
Aber (nicht nur) die Webeleinen
waren von ihm vergessen
worden; schlampig
gemalte Striche auch
die nackten Wanten.
Weitere Fehler: Die See des Ozeans
war ihm zu steil und kurz geraten, wie
Schwell eines Bugsier-Schleppers, der
an das Ufer schlägt. Und das habe ich
ihm schon damals vorgehalten.
Als meine Eltern den Laden eröffneten,
bekamen wir diesen Büroschrank, der
sogar einen Safe für die „Bombe“ hatte.
Diese Bombe war ein kleiner abgerundeter
silberner Container aus Metall. Er
kam nach Einwurf seines vollen baugleichen
Vorgängers, der die Kasseneinnahmen
des Ladens enthielt, aus
dem Apparat der Volksbank oder der
Stadtsparkasse geschossen, mit einem
polternden Geräusch. Vorher hatte man
unauffällig, die „Bombe“ mit dem Geld
im Mantel verborgen, noch einen Spaziergang
zur Bankfiliale
zu machen.
In der Ecke, in der unser
Kachelofen nicht war
oder auf der Sofaseite
am Fenster, jedenfalls
nicht beim Flur, stand im
Winter der Tannenbaum
mit den Geschenken. Ich
verlangte stets einen
deckenhohen Baum. Da
kam meinen Eltern ein
Hocker gerade recht: der
hatte in die Oberseite so
weiße Kacheln eingelassen
und geschwungene
Beine. Das war schon
mehr ein kleiner Tisch, als ein Hocker;
aus dunklem Holz, beinahe schwarz. Im
Sommer standen Blumen darauf.
Wir gingen Heiligabend nicht in die
Kirche. Der Laden wurde bis mittags
geöffnet. Die Leute holten eingetütete
schon bestellte Karpfen ab, die von uns
in der voran gegangenen Blutnacht erschlagen
wurden. Mit mir gaben Tante
Käthe und Peter (vom Segeln) die Fische
hinter der grünen halb geöffneten
Garagentür den Leuten aus.
Bei Frau Herchenhan durfte ich mich
keinesfalls mit dem Wechselgeld vertun:
Meine liebe alte Klassenlehrerin.
Man muss immer weiterzählen; kostet
es zwölf Mark und siebzig Pfennig,
denkt man gar nicht. Man beginnt automatisch
Geld aus dem Fach zu nehmen. Man
nimmt drei Zehn-Pfennig-Stücke, ähnlich den
heutigen Zehn-Cent-Stücken, dann ist man
bei dreizehn Mark. Jetzt nimmt man ein Zwei-
Mark-Stück oder wahlweise zwei Eine-Mark-
Stücke, erreicht so fünfzehn Mark. Wenn man
jetzt noch ein Fünf-Mark-Stück aus der Kasse
fischt, kann man gleich auf zwanzig rausgeben.
Gibt die Kundin aber vielleicht fünfzig,
kommen noch dreißig dazu.
Abends nach dem Essen (alles, aber nie Karpfen
am heiligen Abend), eventuell Ente oder
Gans (manchmal hatten wir Streit mit dem
Schlachter, wegen falschem Gewicht oder
Geruch des Vogels), kam die „Geschenke-
Schlacht“ bei uns. Sie artete ab 1971 mit
meiner Schwester noch aus. Wir Kinder der
Kinder des Wirtschaftswunders!
Am Schlimmsten jedoch war es einmal früher,
noch so ganz am Anfang. Ich hatte mir
einen zweiteiligen Fernlaster-Sattelzug mit
Anhänger gewünscht und bekam ihn! Er war
so groß, ein Kind konnte reiten darauf. Es war
so toll! Ich war super aufgeregt. Alle lachten,
wir freuten uns ja so, ich weiß noch. Überall
Okt 19, 2019 - Als ich klein war 29 [Seite 27 bis 31]