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Blogtexte2019

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und Kirche zu verstehen; obwohl Missbrauch

dort natürlich den Zorn der sich von Gott verlassen

fühlenden Menschen noch anfeuert.

Wir sind schwach und böse. Ob ein Mensch

nun Teil der Gläubigen ist oder nicht, spielt

keine Rolle. Es gibt keine „guten“ Menschen.

Ein gesamtgesellschaftliches Problem. Ein

(noch) aktueller Bericht illustriert, wie leicht

Missbrauch bagatellisiert wird, nicht nur wie

z.B. gerade heute in den Nachrichten, bei den

Regensburger Domspatzen in Kirchenumgebung.

Tagesschau Investigativ / Das Portal für die

Recherchen der ARD

MONITOR: Missbrauch im Saarland, Nikolaus

Steiner, WDR, 24.06.19

Universitätsklinikum des Saarlandes/Möglicher

Kindesmissbrauch in etlichen Fällen

Über Jahre soll ein Assistenzarzt im Universitätsklinikum

in Homburg etliche Kinder

sexuell missbraucht haben. Laut Monitor-

Recherchen wurden die betroffenen Eltern

nicht informiert, obwohl das Klinikum schon

Anzeige erstattet hatte. (…) hat ein Assistenzarzt,

der zwischen 2010 und 2014 am Universitätsklinikum

des Saarlandes in Homburg

tätig war, in einer Vielzahl von Fällen intime

Behandlungen an Kindern vorgenommen, die

medizinisch nicht erforderlich waren. Der Klinik

lagen dabei schon früh Hinweise auf eine

pädophile Neigung des Mediziners vor. Die

möglichen Opfer und deren Eltern wurden

jedoch selbst dann noch nicht in Kenntnis

gesetzt, als die Uniklinik Ende 2014 Strafanzeige

gegen den Arzt stellte und die Staatsanwaltschaft

Saarbrücken wenig später ein

Ermittlungsverfahren einleitete.

(…) hatte an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie

Hunderte von Kindern behandelt.

Die Behandlung intimer Körperzonen gehörte

eigentlich nicht zu seinen Aufgaben.

Nach Recherchen von Monitor ergab eine

stichprobenartige Überprüfung der Behandlungsakten

durch den Klinikdirektor, dass 95

Prozent der Behandlungen (…) medizinisch

nicht indiziert waren. Wie viele Patienten betroffen

sind, ist bis heute unklar. Außerhalb

des Klinikums war der Tatverdächtige in der

Jugendarbeit tätig. Auch hier gab es Hinweise

auf sexuellen Missbrauch – die Dimension ist

jedoch unklar. (…)

Der Assistenzarzt ist im Jahr 2016 plötzlich

verstorben. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft

Saarbrücken wurden daraufhin

eingestellt. Auch in der Folge wurden andere

mögliche Opfer offenbar nicht informiert.

(…) Eine Anwältin betroffener Eltern,

die durch Zufall von den Vorkommnissen

erfahren hatten, wandte sich im April 2019

an den Ministerpräsidenten des Saarlandes,

dessen Staatskanzlei als Aufsichtsbehörde

für das Universitätsklinikum fungiert. Dort

kam man daraufhin zu der Entscheidung, nun

doch einen Teil der betroffenen Eltern über

die Missbrauchsvorwürfe in Kenntnis zu setzen.

(…) MONITOR: Missbrauch im Saarland/

Nikolaus Steiner, WDR 24.06.2019 07:36 Uhr/

Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk

am 24. Juni 2019 um 06:18 Uhr.

Mich hat erschüttert, als dieser Fall im Fernsehen

lief, wie rational und überzeugend ein

Mitarbeiter darstellen konnte, warum man

das seinerzeit nicht öffentlich gemacht hatte:

„Wir haben uns gedacht, wir schützen die

psychisch schwachen Kinder auf diese Art.

Die werden einfach angenommen haben, so

etwas gehörte zu der ihnen helfenden Behandlung

dazu, weil es ja ein Arzt war, der

das machte.“ Psychisch Kranke sind so doof,

die merken nix? Waren nur Kinder, und wir

sind erwachsen, wir sind Arzt.

Missbrauch im Gotteshaus ist nur der zufällige

Ort, an dem es geschieht. Der Kirche Heuchelei

vorzuwerfen und deswegen auszutreten,

bedeutet sich selbst außerhalb der Glaubensgemeinschaft

als den besseren Christen

darzustellen. Das ist intellektuelle Akrobatik,

mehr nicht. Wer sich auf diese Art profiliert,

beschneidet sich um das gemeinschaftliche

Glaubenserlebnis in einem Kirchenraum bei

einer Andacht. Nimmt sich die tiefe Geborgenheit

durch das christliche Miteinander

bei wesentlichen Lebensereignissen, Heirat,

Taufe, Konfirmation, und Beerdigung von Angehörigen.

Ganz schön kurzsichtig.

Gewalt ist Realität und besser ist doch, daraus

eine Kraft für eine menschlichere Gesellschaft

zu formen, als so zu tun, als ob man

etwas verstünde, was in Wirklichkeit keiner

kann. Niemand ist einfach so mal gut. Das

hängt sehr davon ab wo und an welchem

Ort der Welt und mit welcher Geschichte im

eigenen Gepäck der Mensch seinen Lebensplatz

hat. Und von der jeweiligen Situation.

Es ist leicht, mangelnde Zivilcourage anzuprangern,

wenn wir einen Vorfall in den

Medien kommentieren, aber schwerer ist

es, mutig zu sein, wenn der Moment es erfordert.

Schon immer haben Männer Frauen

vergewaltigt und werden es weiter tun. Es ist

ein natürlicher Unterschied, dass ein Mann

einen Penis hat, hart wie eine Waffe, wenn

er es so versteht, und die Frau eine natürliche

Öffnung an dieser Stelle ihres Körpers.

Es ist ein natürlicher Fakt, dass Männer in

der Regel kräftiger sind, und seit je haben

Soldaten, nachdem sie eine Stadt eroberten,

die Frauen im Ort vergewaltigt. Schon immer

haben Menschen, denen Macht über andere,

auch über Kinder zugefallen ist, das ausgenutzt.

Zu allen Zeiten haben inselhafte Gruppen

der Gesellschaft Raum für Missbrauch

gelassen und werden das weiter tun. Warum

so tun, als ob das alles eines schönen Tages

nicht mehr ist, so tun als ob du als Verkünder

dieser neuen Welt die Macht hast, das Unheil

an sich abzuschaffen oder es bei dir selbst

nicht existiert? Das können nur ganz naive

Menschen glauben. Die Kirche wird nur ernst

genommen, wenn Sie nicht wie ein Feuer

schwenkende Schamane oder als betakelter

Ordensonkel daherkommt. Glaube darf gern

real sein und handfest.

Ist die Kirche vielleicht ein zahnloser Tiger?

Gibt es eine spürbare Macht des Glaubens, wo

ist die Stärke zu finden bei denen, die glauben?

Kann ein gläubiger Mensch kraftvoll für

etwas stehen und ist deswegen in der heutigen

Zeit (noch) echter Bedarf dafür? Manche

tun alle Wunder der Bibel als Märchen ab.

Andere versuchen sich noch zu retten, wenn

wieder ein Forscher die geschichtliche Wahrheit,

anders als im biblischen Geschichtenbuch,

widerlegt, indem sie uns die Kraft der

Bilder dieser Texte beschwören. Ist da nun

eine praktisch nutzbare Fähigkeit, eine wirkliche

Macht, so wie eine Art Energiestrom

im Film „Krieg der Sterne“, eine anwendbare

Manipulation des Geschehens für einen irdischen

Skywalker auf dem Boden der Realität

unserer Moderne? (Manche suchen noch).

Die moderne Demokratie, der erkämpfte

Rechtsstaat heute: Raum für Kirche, Platz

für Glaube? Mahnt der Gläubige, greift er

ein, leistet er passiven Widerstand und auf

der anderen Seite, wo geht ein gläubiger

Mensch gern mit, sagt: „Ja!“ – mal davon abgesehen,

dass Religionen verschieden sind?

Wie geht der moderne Mensch mit seinen

Raum greifenden Kräften, nachdem wir nun

Jahrtausende lang Zeit hatten, uns kennen

zu lernen, um? Ich habe gegoogelt: Die Legislative

ist in der Staatstheorie neben der

Exekutive und Judikative eine der drei – bei

Gewaltenteilung voneinander unabhängigen

– Gewalten. (Wikipedia). Hier ist das Wort Gewalt

als anerkannte Kraft legitim. Wir haben

sie aufgeteilt.

Üben auch Gläubige Gewalt aus? Ist es erlaubt,

und wenn, auf welche Weise legitimiert?

Islam, Christentum – es scheint nicht

einmal klar, was die jeweilige Religion ihren

Anhängern genau auferlegt oder freistellt.

Wir diskutieren das immer wieder neu. Ganz

unabhängig davon, bleibt ja eine übergeordnete

Sinnfrage, ob Gott selbst in das Geschehen

auf Erden und im Weltall eingreift,

frei nach Einstein: „Gott würfelt nicht.“ (Albert

Einstein war Physiker). Ein großer Sinn

scheint nicht für alle gleich gut als eine Art

Zweck des Lebens erkennbar, wir hätten das

inzwischen bemerkt. Ein brutaler Serienmörder,

getrieben in perverser Lust, ein verheiratet

und vergleichsweise brav im System

mitlaufender Automechaniker, mit durchschnittlichem

Anspruch an seine Umgebung

– wir können nicht erkennen, dass sie gleich

sind. Der Mensch bleibt blind gegenüber seinem

Sein. Und muss doch handeln.

Gewaltverzicht ist eine grundsätzliche Forderung

des Christen an sich selbst, und heißt

das, es gelingt nach Ansage? Es ist wohl schon

gruselig, was ein Polizist heute tun muss, sich

zu tarnen, um das Schlimmste zu beenden.

Genauso gruselig finde ich, wie sehr der

Staat in unser aller privatestes Heim schaun

kann. Denn der Staat (handelt er so auf richterlichen

Verdacht) – das sind Menschen wie

du und ich, deine Nachbarn im Dorf (unter

Umständen). Die Kirche könnte im Verständnis

einer ganzen Welt deutlich machen, dass

Fehler vergeben werden können. Die Kirche

könnte zeigen, dass auf Gewalt zu verzichten

schwierig ist, weil die Welt voller Gewalt ist.

Es könnte uns eine Herausforderung sein,

unsere eigenen Fehler zu bemerken und vor

uns selbst zuzugeben. Es kann bereichern zu

spüren, wie sehr unser Ärger, unsere Wut und

Zorn auf die, die uns verletzen, uns nun wiederum

zum gleichen Hass führt.

Etwas zu merken ist eine Chance, die innersten

Regungen zu vermeiden dagegen riskant.

Es wäre eine einmalige Chance für die Kirche,

die Menschen zu lehren, auf ihre Bösartigkeit

zu verzichten. Als eine Herausforderung, eine

Aufgabe. Nicht, indem mit dem Finger auf

andere gezeigt wird, wie jeder es kann, sondern

durch eine Schau ins eigene Selbst. Ein

gläubiger Mensch bist du in der Erkenntnis

deiner Fehler und deinem Zorn auf andere,

aber eben nicht in der Idee, du wärest ja bei

den Guten (im Register eingetragen) und

kämpfst allein deswegen (bekanntermaßen)

gegen das Schlechte. Dann wäre durch das

Glaubensbekenntnis allein alles böse Tun

in dir nicht länger vorhanden und dir somit

unmöglich? Erfolgreiche Gehirnwäsche zum

saubersten und grundgütigsten Menschen?

Jul 24, 2019 - Wir sind noch selbst die Natur 14 [Seite 13 bis 16]

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