Blogtexte2019
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lagen Papierhaufen
der ausgepackten Geschenke,
und die Kerzenflammen
des Tannenbaums
flackerten
in der aufsteigenden
Wärme.
Ein gelber mit Wasser
gefüllter Zehnlitereimer stand drunter. Ich
schob das Auto herum, kuppelte den Anhänger
ab und wieder an, rangierte rückwärts
damit. Der Lastwagen war in großen braunen
Pappkartons gewesen, wie so Umzugkartons
etwa. Spät am Weihnachtsabend machte ich
diese Kartons, die ja nur die Geschenkverpackung
gewesen waren, in einem irren Hüpfen,
Springen, Trampeln, Treten und Reißen und
unter dem Beifall der lachenden vor Glück
strotzenden Eltern restlos kaputt. Wem von
uns dreien war die Idee gekommen?
Absolut unerwartet (auch für mich selbst)
geschah es dann; mein Stimmungswechsel
überraschte
alle. Ganz
p l ö t z l i c h
nun, schlugen
mir
mein Toben
und Lachen,
das Trampeln
und
Freuen um:
in allerheftigstes
Weinen
und Schluchzen! Die Kartons hätte man
ja noch zu Häusern für den Laster (auch Garagen
oder so was) machen können, war es
das? Ich weiß heute nicht mehr. Versuche
meiner Eltern, mich tröstend wieder zu beruhigen,
begannen verstört. Sie lösten den
Abend schließlich so: „Lieber nun ab ins Bett
mit dir, ist ja auch wirklich spät geworden.“ Es
schüttelt mich noch heute, daran zu denken.
# Als ich klein war, fünfter Teil
Ich liebte Louis Armstrong, liebe diese Musik
bis heute. Mein Vater bevorzugte ja vielleicht
die spätere (und neuere Schallplatten
Aufnahme) von zum Beispiel dem originellen
Jazz Stück: „Ory’s Creole Trombone“ von Kid
Ory’s eigener New Orleans Jazzband aus den
Fünfzigern, ohne Louis, der inzwischen eigene
Wege ging, Weltstar geworden war; das
konnte ich nie begreifen. Die Hot Five- und
Seven Aufnahmen von Louis
liebe ich wie ein Schatz Goldstücke,
bis heute. Goldene Töne,
dazu blaue Töne der Klarinette
von Johnny Dodds, später Ed
Hall bei den All Stars, Teagarden,
Trummy Young – ich konnte
Stunden mit diesen Aufnahmen
zubringen.
Und natürlich: Gerd Vohwinkel
in „King of the Zulus“ – die Aufnahme
vom Zehnjährigen der
Old Merry Tale Jazzband! Meine
Eltern sind wirklich Teil des applaudierenden
Publikums auf der
Schallplatte, waren vor Ort dabei.
Die mitreißende „Bourbon Street
Parade“ mit allen vier Trompetern
der Merrytale, die aufeinander
folgenden Soli von Sputnik und
Gerd! Ein wenig wie bei Ory ist
„Opel Super Fünf“; Vohwinkel hat
viele Stücke geschrieben.
Es ist auf der Fünfzehn-Jahre-Doppel-LP.
Das ist die, bei der die Titel vertauscht gedruckt
sind. Die Band imitiert das Auto des
Orchesters. Man war damit unterwegs zu verschiedenen
Gigs durch das Deutschland der
fünfziger und sechziger Jahre. Der Motor lief
fehlerhaft auf fünf Zylindern. Die Band interpretiert
das: Bis zu dem Moment nun endlich,
auch nach musikalischem Stottern und
immer wieder noch einmal Anlauf nehmen,
alle sechs Zylinder zusammen arbeiten und
die schönste wohlklingende und dahingleitende
Musik uns entführt: in fließende Fahrt
voll Harmonie. Abrundend stottert der Motor
am Schluss noch einmal, alles wie echt von
den Musikern intoniert!
Wir hatten eine Musiktruhe mit Radio und
Plattenspieler, Plattenhalter (wie Teller in der
Spülmaschine). Meine Lieblingsaufnahme
war eine Instrumental-Schnulze, kein Jazz. Sie
war tatsächlich auf einer Postkarte in Rillen
gepresst worden. Die Karte hatte ein kitschiges
Bild: Sonnenuntergang, Passagierdampfer.
Die konnte man ganz normal auflegen
und abspielen: Daaa Dada Dadadie immmdadadideda,
und später kommt dies: Didadadidadadidadadi
– di – bitte nicht lachen! Wenn
die blöden (Name geändert)-Kinder bei uns
waren, deren Mutter bei uns verkaufte, sie
nicht wusste wohin mit ihren Kindern, musste
ich mit ihnen in unsrer Wohnung oben zusammen
auskommen, spielen. Sie wollten
immer nur Musik mit Gitarren und mit Gesang.
Gesang musste sein, und sie lachten
mich aus für meinen Geschmack.
Später hatten wir einen kleinen weißen
Fernseher. Die Mondlandung haben wir
noch beim Opa gesehen. Den wichtigen
Boxkampf von Cassius Clay, dem Boxer, der
sich später in Muhammad Ali umbenannte,
sahen wir bei Onkel Berend. (Als ich in
den Neunzigern, im Versuch, Uli nun doch
für mich und von mir zu überzeugen, nach
Chicago über den Ozean flog, war eine Mutter
mit Kind im Flugzeug meine Begleitung.
Fremde, aber nett: „Zeig ihm was du hast“,
sagte die Mutter, und das Kind zeigte mir
einen Zettel mit einem Autogramm. Ein
einfacher karierter Zettel aus einem Schulheft.
„Das ist die Unterschrift von Muhammed
Ali im Original“, sagten sie. „Auf dem
Hinflug war er mit uns im Flugzeug.“ Ich
habe das geglaubt).
Dass es mit Uli klappt, glaubte ich auch lange.
Der Fernseher zog mit in die Übergangswohnung
um, sie war für die Bauphase. Er zog
um in das neue
Haus, und er
hatte nur drei
Knöpfe für nur
drei Programme
in schwarz,
weiß und nötigenfalls
grau.
So war das. Am
Boden, im alten
Wohnzimmer,
lag dieser grüne
Teppich. Er hatte
so ein Muster
aus gelb/blauen Quadraten, tat viel Gutes als
Spielgrund, war Straßenboden und so. Er zog
auch um, aber nicht mehr in den Neubau. Ich
vermisse ihn.
# Als ich klein war, sechster Teil
Mein Vater war kreativ. Er malte die Dekound
Bühnenbilder für Feste des Segelvereins.
Er hatte das Treppenhaus mit Leuchttürmen
der Elbe bemalt und eben auch den Dreimaster
bei uns im Wohnzimmer. Ich bekam
eine Schultafel für zu Haus, malte ebenfalls
Dreimaster, mit Kreide. Meine Mutter hatte
technische Zeichnerin gelernt und konnte
durchaus zeichnen, auch künstlerisch. Mein
Vater lobte mein Talent auf vielfältige Weise,
er bastelte, sägte, schraubte und spielte oft
mit mir. Er war so stolz und glücklich ein Familienvater
zu sein, einen Sohn zu haben.
Mein Erich baute für mich Schiffe aus Holz.
Wir bauten auch zusammen an einem Hapag-
Dampfer, im Hinterraum des Ladens. Wir alberten
über die deutsche Sprache, sagten:
„Der Mast, die Mäste“ statt korrekt „Masten“,
wir „beölten“ uns vor Lachen – sagt man
das heute noch? Der Hapag-Dampfer wurde,
da zunächst unvollendet, von mir später
allein, als ich etwas älter und geschickter
war, schließlich als grüner Kümo (Küstenmotorschiff)
fertig zu Ende gebaut. Das passte
Okt 19, 2019 - Als ich klein war 30 [Seite 27 bis 31]