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Mein Bild: Reform Your Life

Okt 31, 2019

Das ist wohl in „Der Schatz Rackhams des Roten“,

als Haddock an Deck, den Sextanten in

der Hand, bedeutungsschwer beginnt: „Hier

stehen wir …“, sagt der Kapitän. Er schaut gerade

hinaus, auf das weite blaugrüne Meer,

begreift. Der Kapitän vollendet den Satz nicht,

wirkt gedankenverloren – und Bienlein, Tim

und die Schulzes blicken ihn einigermaßen

verständnislos an. Er macht diese Pause, um

anschließend um so heftiger loszubrechen,

schnauzt einen der Umstehenden an! So ungefähr

… es ist lang her, dass ich das gelesen

habe. Was meint Haddock, wo ist diese Insel?

Genau weiß ich’s nicht mehr. (Das Heft ist

im Keller verschollen). Der Kapitän steht an

Deck, aber der Sextant in seiner Hand weist

schon darauf hin: Es geht um die genaue Position

des Schiffes.

Kapitän Haddock, eine glaubwürdige Figur

meiner Jugend. Die Comics waren bunt. Zu

farbig für einige, sie ernst zu nehmen – John

Wayne verkörperte noch regelmäßig einen

alten Haudegen, wenn wir Fernsehen schauten.

Die Eltern meiner Eltern haben in einer

Welt gelebt, die schwarz-weiß gewesen ist.

Fragen sind erlaubt. Wer hat anschließend

die Bäume grün übergestrichen, nun rote

Dächer auf die Gebäude gepinselt, was ist:

„Technicolor?“ Meine Familie, beide Großväter

hatten Patent. Einer war im Hafen Kapitän

gewesen, der andere auf großer Fahrt. Hugo

Schnars-Alquist malte als erster das Meer so

blau, wie es in den Passatregionen der Ozeane

wirklich ist. Er ging selbst an Bord. Die

alten Holländer malten, ohne je die heimatlichen

schlickig-braunen Brackwasser zu verlassen,

einer beim anderen ab.

Die See ist nicht dein Freund: „Alle Mann an

Deck, Klar zur Wende!“ Eine Hand für dich,

eine für das Schiff. Festhalten! Schlechtwetter,

es gibt Augenblicke (nicht nur an Bord, wo

Navigation wesentlich ist), auch sonst Wendepunkte

des Lebens, die eine klare Ansage

benötigen, was gerade nun zu tun ist! Das

große Schiff. Jeder kennt Situationen in denen

es darauf ankommt auch im übertragenen

Sinn, fest an Deck zu stehen: „Hier stehe

ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir“ – so

ähnlich soll Martin Luther gesprochen haben,

und dann hat er den Kurs einer ganzen Kirche

geändert. Heute ist Reformationstag.

Inzwischen ist die Welt bunt! Da ist kein Kind

mehr, das sich fragt: „Hatten sie damals noch

keine Farbe?“ Ein Weltbild ist eine Wirklichkeitsauffassung.

Damit ist ein Weltbild weniger

ein gemaltes Bild, es ist ein Bild, das wir

von uns und unserem Platz in der Welt haben,

eine Vorstellung, eine Annahme. Paul Watzlawick

weist in mehreren Publikationen nach,

dass der Mensch die Wirklichkeit nicht kennt

und jede Auffassung und das Wahrnehmen

der Realität das Ergebnis von Kommunikation

ist. Wir kommunizieren durch unsere Sinnesorgane

mit der Umgebung und entwickeln

Annahmen. Was wir wie Wissen einordnen,

ist nur zu oft etwas, das wir selbst nie nachprüften.

Wir können Licht machen, betätigen

den Schalter und erklären: „Da fließt Strom.“

Das muss nicht bedeuten, dass wir die Sache

insgesamt verstehen und ein Kraftwerk bauen

könnten. Wir können einen Lichtschalter

betätigen, wir sagen: „Auf dem Mond gibt es

keine Lufthülle“, aber wir waren nicht dort,

und nur wenige wissen, wie Elektrizität im

einzelnen funktioniert. Verbalisierte Informationen

und Sinneseindrücke prägen unser

Denken. Wie die Welt beschaffen ist, davon

sehen wir nur soviel, als das Spektrum der

gesamten Strahlung dem menschlichen Auge

zugänglich ist. Im Bereich der Schallwellen

ebenso; wir hören nur, was Menschen hören,

und die Vielzahl der Schwingungen um uns

herum ist wesentlich größer.

Nicht jeder war im Ausland, hat aber Informationen

darüber. Zu wissen, wie es beispielsweise

in China ist, kann darauf beruhen, ein

Buch gelesen zu haben, einen Film gesehen,

oder ein Freund hat uns vom Urlaub erzählt.

Wenn jemand schon dort war, wird das sein

Wissen was es heißt in China zu sein, um diese

Erfahrung reicher machen, und wer viele

Jahre in Peking gelebt hat, wird noch intensiver

beantworten können, was „China“ ihm

bedeutet. Insgesamt kennt aber nicht einmal

ein dort geborener Chinese das Ganze, was

wir leichthin mit einem Wort bezeichnen.

Ein Wort, in die Suchmaschine eingegeben,

bringt sofort ein Ergebnis.

„Peru, Land in Südamerika, Beschreibung:

Peru ist ein Land in Südamerika. Hier befinden

sich ein Teil des Amazonas-Regenwalds sowie

Machu Picchu, eine alte Inka-Stadt hoch

oben in den Anden. Die Gegend rund um Machu

Picchu, einschließlich des Heiligen Tals,

des Inka-Pfads und der Kolonialstadt Cusco,

verfügt über zahlreiche Ausgrabungsstätten.

An der trockenen Pazifikküste Perus liegt die

Hauptstadt Lima mit einem gut erhaltenen

Zentrum aus der Kolonialzeit und wichtigen

Sammlungen präkolumbianischer Kunst.“

Die Welt an sich: Wir kennen sie nicht. Wir arbeiten

mit dem, was wir darüber wissen. Wir

machen uns ein Bild, um planen zu können.

Es bleibt eine persönliche Auffassung, subjektiv

und perspektivisch, wie ein Gemälde

vom Garten aus dem Fenster gesehen anders

ist, als eine Abbildung von unten im Gras herumliegend.

Das zu verstehen, ist nicht nur

für den Maler wichtig. Begreifen kann dazu

führen, mit eigenem Kartenmaterial das Lebensschiff

vor Strandung zu bewahren. „Die

Wissenschaft hat festgestellt“, heißt es in einem

Kinderlied, und dann kommt der ganze

bekannte Unsinn. Es gibt Menschen, die essen

Sachen, die andere nie zu sich nehmen würden,

weil sie meinen, es täte ihnen gut. Kunst

ist meine Wissenschaft: Ich konnte nicht aufhören

damit, jedes fertige Bild ist die Antwort

auf eine Frage. Ein Bild ist ein Ausschnitt der

Welt, eine Geschichte, wie ein Roman einen

Lebensabschnitt definiert. Der Autor greift

solange in das Geschehen ein, korrigiert seinen

Stoff, bis eine insgesamt sinnvolle Struktur

geschaffen ist. Dann schreibt er, und so

malen Künstler, so wird Musik erfunden.

Wie wäre eine Welt, in der ein göttliches Strafgericht

eins zu eins eingreift, wenn die Sache

aus dem Ruder läuft? Da baut ein „Führer“ ein

„Konzentrationslager“ – aber eine übergeordnete

Macht stoppt dieses menschenverachtende

Tun rechtzeitig: Ein Blitz soll vom Himmel

fahren und die Bösen töten! Atheisten

führen bekannte Argumente: „Wenn es Gott

gäbe, dann würde er nicht zulassen, dass“ –

usw. gern an, wenn man sie missioniert, wie

wichtig Glaube sei. Sie wollen in Ruhe gelassen

werden. Es stimmt aber: Der direkte

kausale Bezug göttlicher Leitungsfähigkeit

zum Guten der Welt ist nicht recht erkennbar.

Wir müssen das zugeben: Der Mensch muss

noch selbst handeln, um das Schlimmste zu

richten und einzudämmen. Böse sein ist das

eine, Böses zulassen das andere.

Was schlimm und was gut sei, das ist genauso

eine Auffassung, die wir immer wieder neu

definieren. Zusammengefasst können wir

sagen, dass der gegenseitige Druck, den die

einzelnen Mitglieder der Gesellschaft aufeinander

ausüben, ein Regelwerk hervorgebracht

hat, das beständig modifiziert wird. Von den

einfachen und elementaren zehn Geboten

bis in die Jetzt-Zeit war es ein langer Weg mit

vielen Erfahrungsberichten, den die Menschheit

bis zur heutigen Gesetzgebung gegangen

ist. Erfahrungsberichte sind Kommunikation,

und unser Denken bedeutet, daraus

Schlüsse für neue Entscheidungen zu ziehen.

Das führt dazu, sie wieder zu kommunizieren.

Aktive Handlungen, die sich daraus ergeben,

werden von anderen kommuniziert. Und sei

es, dass jemand zusieht und seine Augen ihn

anregen, unser Tun zu begreifen. Zuschauen

ist nicht machen. Bis ich zeichnen konnte, wie

ich es nun kann, musste ich das sehr oft tun.

Aus Wahrnehmung erwächst das Bild der Realität.

Es bleibt eine Ansicht. Der auf die Person

beschränkte subjektive Ausschnitt des

einzelnen. Niemand anderes als der Mörder

selbst weiß, wie es sich anfühlte, seine Tat zu

tun und kann genau das Motiv angeben. Jede

Realitätsschau bleibt eine Einschätzung aus

der eigenen Perspektive. Selbst meine Reflexion

von dem, was ich gestern machte, bleibt

eine Erinnerung. Die Aktion selbst verfliegt

mit dem Moment ihrer Umsetzung.

Mit flexiblen Denken ist es leicht, weiter zu

gehen. „Man muss die Welt nicht verstehen,

man muss sich nur darin zurechtfinden“, Albert

Einstein oder scheinbar widersprüchlich

dazu: „Man braucht nichts im Leben zu fürchten,

man muss nur alles verstehen“, Marie

Curie. Physiker erklären uns die Welt. Beide

Sinnsprüche zeugen von der Suche nach

der Realität und bringen eine Antwort. Das

Ergebnis der Forschung ist: Entweder bist

du zufrieden damit, das Licht einzuschalten,

merkst dir wo der Schalter ist und gut ist –

oder du verstehst deine Furcht im bewussten

Selbst in jeder Lebenslage, kennst dich gut

genug, siehst die Welt von innen, um verlässlich

einzuschätzen, wie die beste Reaktion

auf alles ist. Was auch immer kommt. Das

ist dasselbe Ergebnis auf gegenteilige Weise

formuliert. Interessant ist hier das „alles verstehen“,

weil verstehen nicht „alles gelesen

haben“ bedeutet. Verstehen kann nur heißen,

selbst zum Mond zu fliegen oder einzusehen,

nicht zu wissen was ein Mond ist. Vier Buchstaben

sind nicht der Mond. Die Beruhigung

der Emotionen kann nur im Begreifen eigener

Unzulänglichkeiten gelingen.

In einem Schulbuch sah ich als Kind die zeitgenössische

Abbildung eines Textes aus dem

Mittelalter, ein Wanderer ist bis zu dem Ort

gelangt, wo Himmel und Erde sich berühren.

Das ist eine flache Welt, und wie eine Käseglocke

ist ein Himmel darüber gestülpt. Der

Wanderer ist am unteren Rand der Himmelskuppel

und hebt den Saum des Himmelszeltes

ein wenig an, steckt seinen Kopf auf die

Seite hinter der bekannten Welt durch und

erblickt eine Art kosmisches Räderwerk. Ich

habe diesen Text gefunden:

„Flammarions Holzstich, auch Wanderer am

Weltenrand oder im Französischen au pèlerin

(„auf Pilgerschaft“) genannt, ist das Werk eines

unbekannten Künstlers. Der Holzstich er-

Okt 31, 2019 - Mein Bild: Reform Your Life 32 [Seite 32 bis 34]

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