medizin&technik 01.2021
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
VISIONEN<br />
FÜR EINEN GUTEN SCHNITT<br />
Skalpelle | Wenn es ein Instrument gibt, dass den Beruf des Chirurgen symbolisiert,<br />
dann ist es wohl das Skalpell. Bereits seit Tausenden von Jahren im Einsatz, bleibt<br />
es in der Chirurgie auch heute unentbehrlich. Und ob nun mit der Stahlklinge oder<br />
dem Laser geschnitten wird – einen guten Schnitt zu machen, benötigt Fingerspitzengefühl<br />
und Können.<br />
„Das Messer bitte“ – geht es um den ersten<br />
Schnitt in oder unter die Haut, ist das Skalpell<br />
das chirurgische Instrument der Wahl.<br />
Es mit der nötigen Kraft und gleichzeitig der<br />
erforderlichen Genauigkeit zu führen, erfordert<br />
Geschicklichkeit und viel Übung. Sein<br />
Schneideverhalten ändert sich meist abhängig<br />
vom Winkel, in dem es gehalten wird.<br />
Daher gibt es inzwischen für die unterschiedlichen<br />
Einsatzgebiete Skalpelle in den<br />
verschiedensten Größen, Formen und Materialien<br />
– von wenige Millimeter langen Klingen<br />
für zum Beispiel Haartransplantationen,<br />
bis hin zu über 12 Zentimeter langen<br />
oder extra verstärkten, zum Beispiel für den<br />
orthopädischen Einsatz. Es gibt Einweg- wie<br />
Mehrwegskalpelle, Skalpelle mit auswechselbarer<br />
oder feststehender Klinge.<br />
Aber auch ganz andere „Klingen“ stehen<br />
dem Arzt inzwischen zur Verfügung. Denn<br />
schneiden lässt sich nicht nur mit Stahl, Diamant,<br />
Titan, Keramik, Feuerstein und Obsidian,<br />
in klassischer oder abgewandelter Messerform,<br />
sondern auch mit Strom, Radiowellen,<br />
Wasser, Ultraschall, Laser- oder Plasmaenergie:<br />
So wird das Elektroskalpell (auch<br />
Hochfrequenz-Methode genannt) bei praktisch<br />
allen Routineoperationen eingesetzt.<br />
Denn mit ihm wird das Gewebe mittels<br />
hochfrequentem Wechselstrom durch Erwärmung<br />
„geschnitten“ – und dadurch<br />
gleichzeitig eine Blutungsstillung der betroffenen<br />
Gefäße erreicht. Man spricht hierbei<br />
von Elektrokaustik (vom griechischen<br />
Wort „kaustos“ für „verbrannt“). Den gleichen<br />
vorteilhaften Effekt, nur mit einer noch<br />
höheren Genauigkeit, erzielen auch Laserund<br />
Plasmaskalpelle, die, wie ihre Namen<br />
verraten, mit einem Laser- oder Plasmastrahl<br />
das Gewebe kauterisieren.<br />
Auch mit einem wenige Mikrometer dünnen<br />
Wasserstrahl lässt sich präzise schneiden.<br />
Sein Druck kann an die unterschiedlichen<br />
Gewebefestigkeiten angepasst werden.<br />
Dadurch kann man mit ihm erkranktes<br />
Gewebe aus dem Körper entfernen, ohne<br />
dabei das feine Geflecht von Blutgefäßen<br />
und Nervenbahnen zu verletzen – ähnlich<br />
wie man mit einem Gartenschlauch Erde<br />
wegspülen kann, ohne die Wurzeln der<br />
Pflanzen zu zerstören.<br />
Anke Biester<br />
Wissenschaftsjournalistin in Aichstetten<br />
D<br />
as Wort Skalpell leitet sich aus dem lateinischen Begriff „scalpellum“ her, einer Verkleinerungsform<br />
von „scalprum“, „Messer“. Solch „kleine Messer“ verwendeten bereits die<br />
Menschen der Steinzeit. Sie schlugen einen Feuerstein frisch zu einer Klinge, die schärfer war<br />
als Stahl und durch das Erhitzen beim Abschleifen sogar steril.<br />
Dafür sprechen steinzeitliche Funde von Schädelknochen. Die zu Lebzeiten des Patienten<br />
herausgeschnittenen Stellen (Trepanation) sind als Löcher erkennbar. Bei zwei Dritteln der<br />
gefundenen Schädel waren sie augenscheinlich gut verheilt.<br />
Feuerstein wird noch heute manchmal in der Schönheits chirurgie eingesetzt, da die Klingen<br />
nicht nur sehr scharf sind, sondern die unebene, schuppige Oberfläche des Steins zu einem<br />
guten Wundverschluss und geringerer Narbenbildung führt.<br />
(Bild: adragan/stock.adobe.com)<br />
6 medizin&<strong>technik</strong> 01/2021