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2021-06_RegioBusiness

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Juni 2021 I Jahrgang 20 I Nr. 225

Kunststoffverarbeitung 11

Stabile Lage trotz schwierigem Umfeld

Knappe Rohstoffe treffen auf anziehendes Geschäft – die Corona-Krise fordert auch die Wirthwein AG heraus. Der Spezialist für

Kunststoffkomponenten investiert am Stammsitz in Creglingen rund zehn Millionen Euro in einen Neubau. VON ALISA GRÜN

Der eine jammert ums Holz,

der andere ums Blech und

wir ums Kunststoffgranulat

– momentan ist in allen Bereichen

Knappheit angesagt“, sagt

Marcus Wirthwein, Vertriebsvorstand

der Wirthwein AG. Die Corona-Krise

hat die weltweite Wirtschaft

durcheinandergewirbelt.

Das merke auch das mittelständische

Unternehmen aus Creglingen,

das sich auf die Herstellung

von Kunststoffkomponenten für

die Geschäftsfelder Automotive,

Bahn, Elektroindustrie, Hausgeräte,

Medizintechnik und Innenausbau

spezialisiert hat.

„Es ist definitiv so, dass für uns

momentan die größte Herausforderung

die Beschaffung und Bereitstellung

der Rohstoffe ist, um

die Produktion am Laufen zu halten“,

berichtet Technikvorstand

Holm Riepenhausen. Eine eigens

dafür eingerichtete Taskforce sei

bereits seit Monaten damit beschäftigt,

die Materialmengen zu

steuern. „Durch die coronabedingten

Veränderungen bei Abnahme

und Verteilung von Rohstoffen

in den Märkten, stehen

gewisse Vorprodukte, die für die

Herstellung der Kunststoffgranulate

benötigt werden, nicht mehr

so zur Verfügung, wie sie es über

Jahre getan haben.“ Dieser Umstand

sowie die Tatsache, dass

sich viele Kunststoff-Hersteller

in Erwartung schlechter Umsätze

„eingeigelt“ und damit deutlich

weniger produziert haben, halte

die Lage auch heute noch an den

22 Standorten angespannt. „Uns

ist es durch eine entsprechende

Steuerung und Priorisierung aber

gelungen, unsere Kunden durchgängig

zu beliefern“, erläutert

Holm Riepenhausen.

Ob sich die Lage in den kommenden

Monaten entspannen wird –

darüber kann er nur spekulieren:

„Nach unserer Einschätzung

könnte es eine bessere Verfügbarkeit

des Polymers sowie eine Stabilisierung

der Preise geben.“

Übergewichtung einzelner

Bereiche vermeiden

Baustelle: Zahlreiche Aufträge von Neu- und Bestandskunden machen am Stammsitz in Creglingen eine

bauliche Erweiterung notwendig. Das Gebäude soll Ende 2021 bezogen werden können.

Foto: Wirthwein AG

Nichtsdestotrotz gab es auch einen

positiven Effekt zu verzeichnen:

Im Bereich der Medizintechnik

hat das Auftragsvolumen der

Wirthwein AG in den vergangenen

Monaten deutlich zugenommen.

Ebenso erwiesen sich die Bahnbranche

und der Bereich Innenausbau

als solide. Im Gegensatz

dazu mussten zahlreiche Kunden

aus den Sparten Automotive und

Hausgeräte ihre Produktion für

einige Wochen drosseln. Dennoch

konnte die Unternehmensgruppe

mit all ihren weltweiten Tochterunternehmen

den Gesamtumsatzrückgang

im Jahr 2020 auf rund

10 Prozent im Vergleich zum Vorjahr

begrenzen. „In der Medizintechnik

konnte profitiert werden,

ja. Aber grundsätzlich wollen wir

uns natürlich nicht von der Pandemie

leiten lassen, sondern streben

eine gleichmäßige Verteilung

der Auftragslage auf alle unsere

Geschäftsfelder an“, erklärt der

Technikvorstand.

Um die positive Entwicklung fortzuführen

– seit Spätsommer stabilisiert

sich bei Wirthwein nicht

nur die Auftragslage, sondern es

konnten auch Neukunden gewonnen

werden – wird nun am

Stammsitz in Creglingen investiert:

Wo früher das Sägewerk und

damit der Ursprung des Betriebes

stand, wird derzeit eine neue

Halle errichtet. Mit einer Gesamtgrundfläche

von rund 3000 Quadratmetern

dockt der Neubau an

die bestehende Produktionshalle

an. Künftig soll er nicht nur Platz

für die Produktion bieten, sondern

auch Büroräume, einen multifunktionalen

Raum für Events

oder Meetings sowie eine Kantine

beherbergen. Das Investitionsvolumen

beträgt rund 10 Millionen

Euro. „Momentan werden die

Fundamente gegossen, bald darauf

folgen die Stützen – aber auch

bei unserem Bau sind die Lieferschwierigkeiten

von Materialien

wie zum Beispiel dem Blech Thema“,

berichtet Marcus Wirthwein.

„Wir sind aber trotz allem noch

im Zeitplan: Wenn das so bleibt,

können wir zirka Ende dieses Jahres

einziehen.“ Im ersten Schritt

werden dort 25 neue Arbeitsplätze

geschaffen. Aktuell umfasst die

gesamte Wirthwein-Gruppe 3500

Mitarbeiter.

„Es ist de facto so, dass das Auffinden

von Fachkräften heutzutage

auch für die Produktion eine

Herausforderung ist“, so Holm

Riepenhausen. Dabei sei es ganz

egal, ob das Werk in Deutschland

oder aber woanders auf der Welt

stünde. „Wir spüren an allen unseren

Standorten, dass es immer

schwieriger wird, eine gute Besetzung

der Positionen zu bekommen.“

Weniger aufgrund der Kosten,

sondern um dieser Personalknappheit

entgegen zu wirken,

werde sich Wirthwein in Zukunft

mit einer fortgesetzten Automatisierung

auseinandersetzen.

www.wirthwein.de

„Wir steuern auf

unsichere Zeiten zu“

Ökobilanz: Wirthwein setzt auf ein ausgeklügeltes Energiemanagement.

Im Juli ist es nun so weit:

Einweg-Produkte wie Plastikstrohhalme

und Co. werden

in Deutschland verboten. Das

Image von Kunststoff war in der

Gesellschaft schon mal besser.

Und dennoch geht es nicht ohne,

wie Marcus Wirthwein, Vertriebsvorstand

der Wirthwein AG, unterstreicht:

„Gäbe es kein Plastik,

könnten wir heute nicht so leben,

arbeiten oder gar kommunizieren,

wie wir es tun.“

Das Creglinger Unternehmen ist

auf Kunststoffkomponenten spezialsiert.

Die Produkte, die an den

22 Standorten weltweit per Spritzguss

hergestellt werden, sind in

allen möglichen Formen und Bereichen

zu finden – sei es unter

Bahngleisen, in Spülmaschinen

oder aber als Lüfterräder in

der Klimaanlage. Und genau das

ist Marcus Wirthwein zufolge das

Entscheidende: „Hierbei handelt

es sich um sehr langlebige Produkte,

die mitunter nach ihrer

Verwendung auch wieder zurückgeführt

werden können.“

RECYCLING Bei der ganzen Diskussion

um die Plastikvermeidung

fehle ihm vor allem die Betrachtung

der Kreislaufwirtschaft.

„Nicht der Hersteller schüttet seine

Teile als Abfall ins Meer – wir

Konsumenten sind es, die für die

Ozeanverschmutzung hauptsächlich

verantwortlich sind.“ Er sieht

daher die Politik in der Pflicht dafür

zu sorgen, dass beispielsweise

ein benutzter Strohhalm am Ende

per Recycling auch wieder da landet,

wo er herkommt.

UNTERSTÜTZUNG Politische

Vorgaben wie etwa die CO 2

-Besteuerung

sind es auch, die die

Zukunft der Wirthwein AG maßgeblich

mitbestimmen werden.

Technikvorstand Holm Riepenhausen

ist sich sicher, dass eine

Umsetzung der Nachhaltigkeitsforderungen

nun massiv kommen

wird, nachdem es Jahrzehnte lang

nur ein hinlänglicher Versuch

war. „Das, was im Prinzip schon

seit mehr als 25 Jahren gefordert

wurde, hat jetzt Unterstützung in

der Politik und der Bevölkerung

gefunden.“

Doch rein aus dem menschlichen

Willen heraus, gibt es seiner

Meinung nach keine Umstellung:

„Ökologische Trends können

nur vorangetrieben werden,

wenn eine Bepreisung von Energie

und CO 2

stattfindet.“ Wie sich

diese Vorgaben nun auf die einzelnen

Unternehmen auswirke,

bleibe abzuwarten. „Wir steuern

in diesem Fall auf unsichere Zeiten

zu“, vermutet Riepenhausen.

Für ein kunststoffverarbeitendes

Unternehmen wie Wirthwein

heißt das dem Technikvorstand

zufolge, das eigene Energiemanagment

anzupassen: „Künftig

gilt es, drei Facetten unter einen

Hut zu bringen: Zum einen geht es

um den Rohstoff als solchen: Wie

können wir Rohstoffe einsetzen,

die einen besseren ökologischen

Fußabdruck haben?“, erläutert

Riepenhausen. Zum anderen

stünden der Energieverbrauch

und der Energiemix in der Produktion

im Fokus. „Unser Energiemanagement

ist darauf ausgelegt,

unseren eigenen ökologischen

Fußabdruck sukzessive zu

verbessern und zeitnah den Anteil

des Stroms aus wiedererneuerbaren

Energien nach oben zu fahren

– A aus Überzeugung und B wegen

des politischen Umfeldes.“

In Anlehnung daran sei auch die

Standortwahl entscheidend für

den Betrieb. Seit jeher ist Wirthwein

darauf bedacht, nah an

seinen Kunden zu sein. „Wenn ein

ökologischer Fußabdruck bewertet

wird, muss auch die Distanz

zum Kunden einberechnet werden“,

so Riepenhausen. „Auch

deshalb sehen wir uns unter dem

Aspekt der Nachhaltigkeit gut gewappnet.“

gra

Verantwortlich: Dr. Ralf Zander, Marcus Wirthwein und Holm Riepenhausen (v. li.) stehen der

Wirthwein AG vor. Zum Jahresende sind personelle Veränderungen geplant.

Spitze im Wandel

Ein halbes Jahr gehört Holm Riepenhausen nun dem Vorstand der

Wirthwein AG an. Marcus Wirthwein wechselt in den Aufsichtsrat.

Gemeinsam mit Finanzvorstand

Dr. Ralf Zander und

Vertriebsvorstand Marcus

Wirthwein zeichnet Holm Riepenhausen

seit diesem Jahr für

die Geschicke der Wirthwein AG

verantwortlich.

Der 56-Jährige ist für das Ressort

Technik zuständig und

bringt bereits allerhand Erfahrung

mit: „Ich bin direkt nach

meinem Maschinenbau-Studium

zu einem Kunststoffverarbeiter

in Oberfranken gegangen. Dort

habe ich mein gesamtes bisheriges

Berufsleben verbracht

und das Geschäft von der Pieke

auf gelernt.“ Kontinuierlich befand

sich Riepenhausen dort in

unterschiedlichen, verantwortungsvollen

Positionen, zuletzt

war er Mitglied des Automotive

Executive Boards.

Besonders beeindruckend und

„als wesentlichen Vorteil in der

täglichen Arbeit“ empfindet er

bei der Wirthwein AG den weit

Foto: Wirthwein AG

fortgeschrittenen Digitalisierungsgrad.

„Von Anfang an sind

mir zudem die extrem kurzen

Entscheidungswege innerhalb

des Vorstandes positiv aufgefallen

– es ist eine sehr zweckorientierte

und gute Zusammenarbeit.“

Vor Riepenhausen verantwortete

Marcus Wirthwein das Technikressort.

Mit Ausscheiden seines

Bruders Frank als Vertriebsvorstand

übernahm er zu Beginn

des Jahres dessen Bereich.

Frank Wirthwein hat nun die

Verantwortung für „Wirthwein

Interior“.

In den kommenden Monaten

stehen bei dem Creglinger

Kunststoff-Spezialisten noch

weitere personelle Veränderungen

an der Unternehmensspitze

an: Die Familie Wirthwein

hat sich dazu entschieden, künftig

die Geschicke des Unternehmens

aus dem Aufsichtsrat heraus

zu steuern. Zum Jahresende

wird Marcus Wirthwein daher

den Aufsichtratsvorsitz übernehmen,

den bisher sein Vater Udo

Wirthwein inne hat. Dieser wird

in diesem Zuge „Ehrenvorsitzender

des Aufsichtsrates“. gra

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