altlandkreis - Das Magazin für den westlichen Pfaffenwinkel - Ausgabe Juli/August 2021

im Zivilrecht und Familienrecht
haben.
Die höchstmögliche Strafe an einem
Amtsgericht?
Wir haben eine Strafgewalt von
bis zu vier Jahren Gefängnis. Alles,
was darüber hinausgeht, zum Beispiel
schwerer Raub, Vergewaltigung
oder Mord, geht direkt vors
Landgericht.
Wie lange dauert eine Gerichtsverhandlung?
Ganz unterschiedlich. Manche 30
Minuten, andere den ganzen Tag.
Am Beispiel Ladendiebstahl ist
die Sachlage meist klar, der Fall
einfach zu lösen, insbesondere
bei einem geständigen Täter. Man
hat aber auch komplexe Fälle,
beispielsweise Untreue, die mehr
Vorbereitung und eine längere
Verhandlungszeit benötigen.
Mitte März 2020, erster Lockdown in
Deutschland: Was hat sich seit Pandemie-Beginn
für Sie, Ihre Mitarbeiter,
aber auch Kläger, Angeklagte,
Anwälte und Besucher verändert?
Wir mussten eine gute Balance
finden zwischen der Aufrechterhaltung
des Betriebes und dem
Schutz unseres Personals, der am
Prozess beteiligten Personen sowie
der Besucher und Pressevertreter.
Das Amtsgericht hat viele
Aufgaben zu erfüllen, die nicht
warten können. Zum Beispiel,
im Betreuungsrecht, die Unterbringung
einer Person. Andere
Entscheidungen im Straf- und
Zivilrecht konnten dagegen verschoben
worden, was zu Hoch-
Inzidenz-Zeiten auch notwendig
war, weil eine Gerichtsverhandlung
unter Einhaltung der Hygieneschutz-Maßnahmen
schwer
umzusetzen war.
Auch deshalb, weil sich ein Teil Ihrer
Mitarbeiter mit Corona infizierte?
Wir hatten acht positive Fälle bei
internen sowie zwei bei externen
Mitarbeitern, die überwiegend
glimpflich, ohne Symptome und
Folgeschäden, verlaufen sind. Wir
hatten aber auch zwei Fälle mit sogenanntem
Long-Covid-Syndrom,
wo die Mitarbeiter über zwei Monate
hinweg krank waren. Die
sind inzwischen wieder genesen,
berichten aber nach wie vor von
Nachwehen wie schnellerer Erschöpfung.
Das hat uns allen sehr
deutlich gezeigt, dass die Pandemie
niemand auf die leichte Schulter
nehmen darf.
Sind derzeit Besucher zugelassen
bei Gerichtsverhandlungen?
Das Gesetz sagt, dass Besucher im
Rahmen öffentlicher Verhandlungen
zugelassen werden müssen.
Aufgrund Abstandsgebot haben
wir die Anzahl der maximal erlaubten
Besucher jedoch stark reduziert
– Mitte Mai beispielsweise
konnten wir im Sitzungssaal 3 nur
sechs der insgesamt 24 Sitzplätze
anbieten.
Was halten Sie grundsätzlich von
öffentlichen Gerichtsverhandlungen?
Sehr viel, weil die Öffentlichkeit
die Justiz kontrollierbarer macht.
Außerdem sollte ein Richter seine
Entscheidung immer so begründen,
dass sie die breite Masse
der Menschheit versteht. Und das
funktioniert nur, wenn Besucher
und Vertreter der Presse dabei sein
können.
Eltern einer Schülerin klagten vor
dem Weilheimer Amtsgericht gegen
die Maskenpflicht im Schulunterricht,
und bekamen Recht. Hätten
Sie damit gerechnet, dass dieser Fall
für bundesweite Schlagzeilen sorgt?
Als ich von der Entscheidung erfahren
habe, war mir klar, dass
sie öffentlichkeitswirksam ist – unabhängig
davon, wie man sie juristisch
betrachtet. Nur so viel: Ich
habe selbst regelmäßig mit Ordnungswidrigkeiten
im Bereich des
Infektionsschutzgesetzes zu tun
und dabei Personen verurteilt, die
sich nicht an die Maskenpflicht gehalten
haben.
Wie wichtig ist bei Urteilsentscheidungen
die menschlich-moralische
Komponente?
Für jemanden, der aus sozialer Not
heraus Lebensmittel stielt, ist das
Verständnis größer als für jemanden,
der rein aus Luxusproblemen
heraus eine Uhr stielt. Letztlich
gibt das Gesetz einen bestimmten
Rahmen für bestimmte Straftaten
vor – und innerhalb dieses Rahmens
spielt auch die menschliche
Komponente in das Urteil eines
Richters mit rein. Insbesondere,
wenn es um die Höhe der jeweiligen
Strafe geht.
Welche Bedeutung haben an dieser
Stelle Schöffen, die ehrenamtlichen
Richter?
Schöffen sind Laienrichter und
nehmen als Beisitzer an der
Hauptverhandlung teil, wobei ihnen
dieselben Stimmrechte
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