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altlandkreis - Das Magazin für den westlichen Pfaffenwinkel - Ausgabe Juli/August 2021

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Damals Trend, heute strikt verboten<br />

Die Fuchsfarm<br />

von Tankenrain<br />

Tankenrain | Wer sich Weilheim<br />

aus Westen annähert, von Wessobrunn<br />

über die St 2057, kommt<br />

unweigerlich durch die kleine<br />

Siedlung Tankenrain. Der eine<br />

oder andere Durchreisende wundert<br />

sich sicherlich über <strong>den</strong> eher<br />

ungewöhnlichen Namen, aber<br />

schon bald verschwindet die Ortschaft<br />

im Rückspiegel und wird<br />

im Meer der Erinnerungen nur<br />

ein Wassertropfen sein. Wer allerdings<br />

nach links in die Straße<br />

einbiegt, die so heißt wie das<br />

Örtchen selbst, kommt nicht nur<br />

an einem Weiher vorbei, der bereits<br />

im Jahre 1592 als „Tangenrain“<br />

erstmals Erwähnung fand,<br />

sondern gelangt auch zu einigen<br />

Häusern mit äußerst spannender<br />

Historie.<br />

Nach nur wenigen Schritten<br />

stößt man unter anderem auch<br />

auf Schilder an einer Hauswand,<br />

auf <strong>den</strong>en gut leserlich<br />

„Ehemalige Fuchsfarm<br />

1927 – 1967“ geschrieben<br />

steht. Wer sich intensiver<br />

umsieht, wird womöglich<br />

auf Werner Hirschvogel<br />

treffen. Der 73-jährige gebürtige<br />

Weilheimer ist der<br />

Enkel des Mannes, der<br />

diese Farm am 29. Oktober<br />

1936 von illustren Vorbesitzern<br />

kaufte. 10 000<br />

Reichsmark, umgerechnet<br />

rund 31000 Euro, bezahlte<br />

Hans Hirschvogel damals<br />

und erwarb damit<br />

Wohn- und Waschhaus,<br />

Schuppen, Eiskeller, Gehege<br />

und technisches<br />

Farmzubehör auf einer Fläche von<br />

1,86 Hektar. Nur die Farmtiere,<br />

Silber- und Polarfüchse, waren<br />

im Preis nicht enthalten – <strong>den</strong> lukrativen<br />

Verkauf der Tierpelze ließen<br />

sich die Vorbesitzer nämlich<br />

nicht entgehen.<br />

Acht Professoren<br />

und ein Schuhmacher<br />

Der Münchener Professor <strong>für</strong> Zoologie,<br />

Dr. Reinhard Demoll, erfüllte<br />

sich 1927 mit der „Silberfuchsfarm<br />

Tankenrain GmbH“ einen lang<br />

gehegten Traum. Mit an Bord waren<br />

sieben weitere Koryphäen aus<br />

medizinischen Fakultäten, darunter<br />

auch der bedeutende Professor<br />

<strong>für</strong> Chirurgie, Dr. Ferdinand<br />

Sauerbruch. Um die Farm selbst<br />

kümmerte sich Reinhard Demoll<br />

allerdings alleine, die anderen<br />

Kollegen fungierten vielmehr als<br />

stille Teilhaber und ließen dem<br />

Zoologen freie Hand. Er startete<br />

mit acht Silberfuchspaaren und<br />

warb mittels einer Broschüre <strong>für</strong><br />

„allerbestes, erstklassiges Zuchtmaterial<br />

zu mäßigen Preisen“.<br />

Die Geschäfte wur<strong>den</strong> allerdings<br />

diskret abgewickelt und bis heute<br />

vermuten manche Quellen, dass es<br />

sich auch um ein Forschungsprojekt<br />

gehandelt haben könnte. Der<br />

Verkauf der Farm ging 1936 je<strong>den</strong>falls<br />

schnell über die Bühne und<br />

die wahren Gründe wer<strong>den</strong> ein<br />

Geheimnis von Reinhard Demoll<br />

bleiben, der völlig aus der Branche<br />

verschwand. Heute tragen Straßen<br />

in München und Wielenbach <strong>den</strong><br />

Namen des Professors.<br />

Werner Hirschvogel hat die von 1927 bis 1967 existierende Fuchs-Farm in Tankenrain bei<br />

Weilheim hautnah miterlebt — als Jugendlicher.<br />

Damals lebte und arbeitete Hans<br />

Hirschvogel als Schuhmachermeister<br />

in Polling und betrieb mitten im<br />

Ort eine kleine Pelztierzucht. Die<br />

Gemeinde war über <strong>den</strong> Umzug<br />

der Tiere nach Tankenrain nicht<br />

traurig, ist <strong>den</strong> Füchsen doch eher<br />

ein strenger, unangenehmer Geruch<br />

zu eigen.<br />

„Mein Großvater hat zwar das<br />

Haus in Polling behalten, aber die<br />

Familie ist hier auf die Farm gezogen“,<br />

berichtet der Nachfahre<br />

Werner Hirschvogel. „Er züchtete<br />

Silber- und Polarfüchse. Mein Vater<br />

hat mir erzählt, dass es in <strong>den</strong><br />

besten Jahren um die 100 Tiere waren.<br />

Ich kann mich erinnern, dass<br />

wir damals drei große Schäferhunde<br />

hatten, die darauf aufpassten,<br />

dass die Füchse<br />

nicht aus ihren Gehegen<br />

entkamen.“<br />

Der heutige Pensionär,<br />

der viele Jahre in unterschiedlicher<br />

Funktion <strong>für</strong><br />

das Landratsamt Weilheim<br />

tätig war, kann sich<br />

noch gut an seine Kindheit<br />

und Jugend auf der Farm<br />

erinnern: „Mit <strong>den</strong> kleinen<br />

Füchsen konnte man<br />

spielen, aber sobald sie<br />

größer wur<strong>den</strong>, waren sie<br />

schlichtweg wilde Tiere.“<br />

Sein Vater, Hans Hirschvogel<br />

Junior, führte die Farm<br />

nach dem Tod des Großvaters<br />

zwar weiter, aber im Hauptberuf<br />

war er Postbeamter. Aus einem<br />

Geschäft wurde somit ein Hobby.<br />

Werner Hirschvogel selbst musste<br />

zu <strong>den</strong> umliegen<strong>den</strong> Bauern fahren<br />

und verendete Kälber abholen,<br />

die schließlich zerlegt und an die<br />

Füchse und Hunde verfüttert wur<strong>den</strong>.<br />

„Keine schöne Aufgabe“, sagt<br />

er. „<strong>Das</strong> ging hier gelegentlich zu<br />

wie in einer Metzgerei. <strong>Das</strong> war<br />

nichts <strong>für</strong> mich.“<br />

Die Amis<br />

und ein Diebstahl<br />

Für ihn und seinen Bruder war<br />

klar: Sie wollten die Farm nicht<br />

übernehmen, die sich von einem<br />

Vorfall im November 1948 nicht<br />

mehr recht erholen konnte. Werner<br />

Hirschvogel berichtet: „Zu dieser<br />

Zeit war die Gegend hier amerikanische<br />

Besatzungszone. Eines<br />

Tages kam ein GI (amerikanischer<br />

Soldat) an der Farm vorbei und<br />

erzählte, dass er in seiner Heimat<br />

ebenfalls Pelztiere züchten würde.<br />

Mein Vater freute sich über<br />

das Interesse, zeigte dem Mann<br />

die Anlage und besten Zuchttiere.<br />

Und genau diese Füchse wur<strong>den</strong><br />

ein paar Tage später gestohlen.<br />

Die US-Militärpolizei wurde zwar<br />

unterrichtet, aber das Interesse an<br />

Aufklärung war gering.“<br />

Die eigentliche Heimat der Silberfüchse<br />

ist der Nor<strong>den</strong> des amerika-<br />

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