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altlandkreis - Das Magazin für den westlichen Pfaffenwinkel - Ausgabe Juli/August 2021

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Schwerstarbeit: Margit Lüdemann auf dem Weg zum<br />

Errichten kilometerlanger Weidezäune.<br />

Und eine „gesunde Müdigkeit“,<br />

wie Lüdemann es beschreibt.<br />

„Die Tage auf der Alpe<br />

sind lang und anstrengend,<br />

da<br />

brauchst du am<br />

Abend<br />

wirklich<br />

nichts mehr,<br />

fällst aber trotzdem glücklich<br />

und zufrie<strong>den</strong> ins Bett.“ Und<br />

stehst mit Sonnenaufgang wieder<br />

auf. Johanna Reßle sowie Christian<br />

Schelle und Daniela Alvisini bestätigen<br />

dieses Gefühl von „viel zu<br />

tun, aber wesentlich weniger gestresst<br />

zu sein, weil man viel mehr<br />

bei sich und in sich geruhter ist<br />

als im zivilisierten Leben unten im<br />

Tal“. Hinzu kommen tagein tagaus<br />

unvergessliche Naturerlebnisse. In<br />

2 400 Metern Höhe können über<br />

Nacht auch im Hochsommer mal<br />

15 Zentimeter Neuschnee fallen. Es<br />

gibt jede Menge seltene Blumen<br />

und Pflanzen wie Almrausch, Enzian<br />

und Silberdistel zu entdecken.<br />

Und natürlich wildlebende Tiere,<br />

<strong>für</strong> deren Beobachtung die meisten<br />

Wanderer und Radelfahrer zu<br />

spät unterwegs sind. Schelle, Alvisini<br />

und Reßle berichten von Hirkanten<br />

der 3 000er hereinbricht.<br />

„Da wirken unvorstellbare Kräfte,<br />

mit Gewittern bei uns zuhause ist<br />

das nicht zu vergleichen“, sagt die<br />

Hirtin, die ohne Handynetz keinen<br />

aktuellen Wetterbericht zur<br />

Verfügung hat, und aufziehende,<br />

schwarze Wolken hinter <strong>den</strong><br />

breiten, hohen Felswän<strong>den</strong> nicht<br />

immer rechtzeitig bemerken kann.<br />

So kam es auch schon vor, dass<br />

sie noch eine gute Fußstunde von<br />

ihrer wetterschützen<strong>den</strong> Alpe entfernt<br />

war. „Einer meiner Vorgänger<br />

hat deshalb mal einen kleinen,<br />

provisorischen Unterschlupf, eine<br />

Art Steinhöhle mit Blechdach, gebaut.“<br />

Vergangenes Jahr musste<br />

sich Margit Lüdemann tatsächlich<br />

dort hineinretten. „Da hilft dann<br />

nur noch beten“, sagt die Frau,<br />

die ein ganzes Buch über prägende<br />

Erlebnisse aus ihrem Hirten-<br />

<strong>Das</strong>ein im Oberengadin schreiben<br />

könnte. Zum Beispiel über die<br />

schmerzhafte Szene, als direkt vor<br />

ihren Augen ein Rind über einen<br />

felsdurchsetzten Steilhang abgestürzt<br />

und unmittelbar darauf<br />

verstorben ist, letztlich mit einem<br />

Helikopter abtransportiert wer<strong>den</strong><br />

musste. Oder über das beschwerliche<br />

Errichten von Zäunen an steilen,<br />

ausgesetzten Flanken, „was<br />

mit Pfählen, Litzen, Locheisen<br />

und Schlegel im Rucksack extrem<br />

anstrengend, mühsam und auch<br />

immer wieder sehr gefährlich ist,<br />

da man an mehreren Stellen abstürzen<br />

könnte.“ Lebensgefährlich<br />

ist <strong>für</strong> Margit Lüdemann auch der<br />

zweieinhalbstündige Almauftrieb<br />

von der unteren auf die obere<br />

Alpe. Warum? „Wenn die Rinder<br />

die unteren Flächen abgegrast haben,<br />

sind sie hungrig, aber auch<br />

euphorisch und voller Adrenalin,<br />

weil sie spüren, dass ein besonderer<br />

Tag bevorsteht, und dass<br />

dort oben auf 2 400 Metern wieder<br />

frisches Gras und leckere Kräuter<br />

auf sie warten.“ Die Morgenbacherin,<br />

die an Tagen des Auftriebs<br />

eigentlich 20 anstelle der acht Helfer<br />

gebrauchen könnte, wird dann<br />

vorauslaufen. <strong>Das</strong> Motto: Stolpern<br />

verboten! „Sonst trampeln sie dich<br />

nieder.“<br />

Kreuzottern und<br />

gigantische Greifvögel<br />

Am Abend nach dem Auftrieb, „der<br />

hoffentlich auch diesmal ohne größere<br />

Zwischenfälle über die Bühne<br />

geht“, kehrt wieder Ruhe ein.<br />

Emotionale Verbun<strong>den</strong>heit: Margit Lüdemann bei der Pflege eines leicht<br />

angeschlagenen Rindes — eines von 180 (!) Stück.<br />

16 | <strong>altlandkreis</strong>

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