Flensburg Journal - 233 Februar 2022
Flensburg Journal Februar 2022
Flensburg Journal Februar 2022
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wirklich dringenden Einzelfällen waren wir auch
persönlich ansprechbar. Natürlich unter Beachtung
aller Hygiene- und Gesundheitsschutzmaßnahmen.
Das alles war nur machbar, weil sich die Kolleginnen
und Kollegen schnell und flexibel auf veränderte
Aufgabenstellungen eingelassen haben, um
unseren Kunden zur Seite zu stehen. Ich möchte
mich dafür auch an dieser Stelle nochmals herzlich
bedanken. Das war eine tolle Leistung und
Zusammenhalt!
FLJ: Wie ging es weiter?
Die Coronazeit hat sich ja als wellenartige Bewegung
von Lockerungen und Lockdowns dargestellt.
Entsprechend haben sich die Arbeitslosenzahlen
und die Kurzarbeiterzahlen entwickelt.
Mit Lockerungen ging eine stete Abnahme der
Arbeitslosenzahlen einher. Auch die Zahlen der
Kurzarbeiter haben sich in diesen Phasen deutlich
reduziert. Mit neuerlichen Lockdowns stiegen
beide Zahlen wieder. Den bisherigen Höchststand
der Arbeitslosigkeit während der Pandemie hatten
wir dann in der Lockdownphase zum Jahreswechsel
2020 zu 2021. Konkret im Februar letzten
Jahres. Mit den Lockerungen im Frühjahr sank die
Arbeitslosigkeit dann wieder. Im Dezember 2021
lag sie dann auf dem Niveau wie vor der Pandemie.
Die durchgängig hohe Nachfrage nach Arbeitskräften
hat hier sehr geholfen.
In allen Phasen haben wir unsere Dienstleistungen
angepasst, um entsprechend der Kontaktmöglichkeiten
für unsere Kunden da zu sein.
FLJ: Sie bezeichnen Ihre Klientel, die Nutzer
der Agentur für Arbeit, als Kunden?
HMR: Ja, für uns sind unsere Besucher und Nutzer
unserer Angebote keine Bittsteller, sondern
wir betrachten sie als unsere Kunden, denen wir
in den eingangs beschriebenen Kompetenzbereichen
ein zielgerichtetes und passendes Angebot
machen. Wir sehen uns als Dienstleister, die mit
ihren Kunden stets auf „Augenhöhe“ in Kontakt
treten und Hilfe zur Selbsthilfe anbieten.
FLJ: Wie hat sich die Situation auf
Arbeitsroutinen ausgewirkt?
HMR: Dadurch, dass wir viel personelle Kapazität
in die Gewährung von Kurzarbeitergeld gesteckt
haben, haben wir uns in der Beratung konzentrieren
müssen. Uns war wichtig, jedem Kunden
möglichst zügig ein Erstgespräch unterbreiten zu
können.
Je länger Arbeitslosigkeit dauert, desto größer
wird das Risiko, keine neue Beschäftigung zu finden.
Es war uns deshalb daneben wichtig, Kunden
spätestens nach rund sechsmonatiger Arbeitslosigkeit
ein Unterstützungsangebot zukommen zu
lassen.
Kontakte haben sich in der Regel auf telefonischem
Weg realisieren lassen. Solche Angebote
konnten aber beispielsweise auch digital unterbreitet
werden.
Was uns sehr geholfen hat, ist die Tatsache, dass
sich Menschen auch über ein Onlinetool arbeitslos
melden konnten. Seit Anfang des Jahres gibt
es diese Möglichkeit dauerhaft.
Für persönliche Kontaktformen haben unsere
Kollegen kreative Wege gefunden. Um einer Ansteckungsgefahr
in geschlossenen Räumen zu
entgehen, wurde beispielsweise im Rahmen von
Spaziergängen beraten. Immer vorausgesetzt, die
Kunden sind einverstanden.
FLJ: Welche Arbeitsabläufe im Bereich der
Digitalisierung wurden in Ihrem Hause
vorangebracht?
HMR: Die Pandemie hat tatsächlich die technische
Weiterentwicklung unserer Arbeitsplätze
beschleunigt. Die Videoberatung oder die Möglichkeit,
sich digital arbeitslos zu melden habe
ich bereits erwähnt. Darüber hinaus ist es möglich,
Arbeitslosen- und Kurzarbeitergeld 24/7 online
zu beantragen. Über eine mobile App können
beispielsweise Infos über den Bearbeitungsstand
von Arbeitslosengeld bezogen oder Dokumente
hochgeladen werden. Auch Termine können online
vereinbart werden.
Was viele gar nicht wissen, unsere Akten werden
schon seit einiger Zeit elektronisch geführt. Aus
meiner Sicht eine ganz zentrale Voraussetzung
dafür, dass wir in der Krise so flexibel und schnell
reagieren konnten.
FLJ: Wie hat sich für Sie die Situation auf dem
Ausbildungsmarkt dargestellt?
HMR: Wir haben auch in der Berufsberatung die
bereits erwähnten technischen und digitalen
Hilfsmittel gut nutzen können. Dennoch stellt
sich die Situation auf dem Ausbildungsmarkt
schwierig dar. Vielfach waren größere Veranstaltungen,
die zur Information und Orientierung von
Jugendlichen beitragen, nicht möglich. Dazu gehören
zum Beispiel Messen oder Bewerbernächte.
Auch Berufsorientierungsveranstaltungen in unserem
Berufsinformationszentrum konnten nicht
durchgeführt werden. Ein weiterer wichtiger Baustein,
die Praktika in den Betrieben, ließen sich
häufig nicht realisieren. Wenn man weiß, dass es
über 350 Ausbildungsberufe gibt, kann man sich
vorstellen, welche Lücke diese fehlenden Informations-
und Orientierungsmöglichkeiten hinterlassen.
Die Kolleginnen und Kollegen der Berufsberatung
haben versucht, überall wo es möglich
war, ihre Dienstleistung in den Schulen anzubieten.
Es wurden viele kreative Möglichkeiten unterbreitet,
mit Jugendlichen in Kontakt zu kommen
oder zu bleiben. Das hat auch wirklich gut
geklappt. Mir ist auch wichtig zu erwähnen, dass
es ein enges Zusammenwirken mit allen Akteuren
auf dem Ausbildungsmarkt wie IHK und HWK, den
Berufsschulen und innerhalb der verschiedenen
Jugendberufsagenturen im Agenturbezirk gegeben
hat. Trotzdem ist festzustellen, dass sich die
Zahl der jungen Menschen, die sich für eine Ausbildung
interessieren, zurückgegangen ist.
FLJ: Was hat Corona mit dem Arbeitsmarkt
gemacht?
HMR: Die Arbeitslosenzahlen bewegen sich, wie
eingangs beschrieben, wieder auf dem Niveau wie
vor der Pandemie. Es ist aber festzustellen, dass
es einigen Kundinnen und Kunden gerade während
der Erholungsphase nach dem ersten Lockdown
nicht gelungen ist, wieder im Arbeitsmarkt
Fuß zu fassen. Als Folge ist zu erkennen, dass sich
Langzeitarbeitslosigkeit erhöht hat. Es ist eine
wichtige Aufgabe, dieser Verfestigungstendenz
entgegenzuwirken.
FLJ: Hat Corona die Nachfrage nach Arbeit
negativ beeinflusst?
HMR: Ein positiver Aspekt ist die Tatsache, dass
die Nachfrage nach Arbeitskräften trotz der Pandemie
eben nicht nachgelassen hat. Bezogen auf
den Bezirk der Arbeitsagentur Flensburg ist sogar
eine stetige Steigerung erkennbar: Die Nachfrage
nach Arbeit ist im Vergleich zum letzten Vorkrisenmonat
und gemessen an der Zahl der sozialversicherungspflichtig
Beschäftigten um immerhin
2,1 Prozent gestiegen. Ein anderer Indikator dafür
ist, dass uns im Jahr 2021 14,0 Prozent mehr
offene Stellen zugegangen sind als im Vorjahr.
Aber es gibt eine Kehrseite dieser Medaille. Viele
Betriebe suchen händeringend nach Arbeitskräften.
Und ich sage bewusst Arbeitskräfte, weil
eben nicht nur Fachkräfte gesucht werden.
FLJ: Die Agentur für Arbeit bietet auch für
Beschäftigte diverse Maßnahmen an. Wie ist
auf diesen Feldern die aktuelle Situation?
HMR: Trotz Corona konnten wir für nahezu die
gleiche Anzahl Menschen Unterstützung wie Weiterbildungen,
Unterstützung bei der Arbeitssuche
oder Coachings realisieren. Allein mit diesen beiden
Instrumenten aus unserem Unterstützungskatalog
haben wir in 2021 rund 1.900 Menschen
unterstützt. Wichtig, auch aktuell stehen uns
ausreichend Mittel zur Verfügung, um unseren
Kunden die benötigte Hilfe anzubieten.
Was noch zu wenig bekannt ist, die Weiterbildung
und Fortbildung von Beschäftigten ist ein Feld,
das wir weiterhin intensiv bearbeiten und vorantreiben.
2021 konnten wir rund 140 Beschäftigten
bei ihrer beruflichen Qualifizierung unter die
Arme greifen. In Zeiten des schnellen Wandels
auf dem Arbeitsmarkt soll das Menschen unterstützen,
dauerhaft in Beschäftigung zu bleiben.
Deshalb wollen wir diese Zahl steigern. Zu diesem
Thema und auch einigen anderen Besonderheiten
in unserem Hause werden wir Sie gern in weiteren
Gesprächen informieren.
Das Flensburg Journal bedankt sich für ein aufschlussreiches
und intensives Gespräch!
flj
FLENSBURG JOURNAL • 02/2022
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