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sortimenterbrief april 2022

Das österreichische Branchenmagazin für Buchmarkt, Buchverkauf und Buchwerbung. Ausgabe April 2022.

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zukunft buchhandel – zukunft welt<br />

Schmid: Wir befinden uns in den<br />

Verlagen in einer beispiellosen Situation,<br />

was die Kostenproblematik angeht. Wir<br />

haben rundum mit Preissteigerungen zu<br />

tun, die wir einfach nicht mehr abfedern<br />

können. Bis vor Kurzem erlaubten mir<br />

meine Vereinbarungen und Verträge,<br />

Kalkulationen richtig einzuschätzen.<br />

Das gilt heute nicht mehr. Ich erhalte<br />

am Tag des Drucks die finalen Preise.<br />

Das ist deswegen so dramatisch, weil<br />

das Risiko unkalkulierbar wird. Vieles<br />

wie Personalkosten, Energiekosten etc.<br />

betrifft ja uns alle, nicht nur die Verlage.<br />

Von nachhaltiger Produktion ganz zu<br />

schweigen ...<br />

Schmid: Wer nachhaltig druckt, produziert<br />

a priori schon teurer. Nachhaltigkeit<br />

muss man sich leisten können.<br />

Das kostet richtig viel Geld. Daraus<br />

resultiert, dass wir nur die Flucht nach<br />

vorne antreten können.<br />

Was bedeutet das?<br />

Schmid: Wir erhöhen flächendeckend<br />

die Ladenpreise unserer Bücher – bei<br />

den Novitäten und auch bei der Backlist.<br />

Wir hoffen, dass uns das viele andere<br />

Verlage gleichtun, da wir glauben, dass<br />

dieser Schritt das einzig adäquate Mittel<br />

ist, das die ganze Branche stützt – sich<br />

auf alle Stufen der Verwertungskette<br />

positiv auswirkt. Bei allen Branchenteilnehmer:innen<br />

wachsen die Kosten<br />

– daher muss man auch alle bei den<br />

Überlegungen und Maßnahmen bedenken.<br />

Das unterstreichen wir ja nicht<br />

erst seit gestern. Diese Überlegungen<br />

laufen schon seit einigen Jahren. Aber<br />

ich nehme jetzt wahr, dass viele mit<br />

dem Rücken zur Wand stehen, dadurch<br />

nun auch nach Lösungen suchen und<br />

veranlasst durch die Notwendigkeit auch<br />

vielen Ideen offener gegenüberstehen.<br />

Wie schätzen Sie es ein, werden die im<br />

Moment hohen Papierpreise wieder auf<br />

ein kalkulierbareres Maß zurückgehen?<br />

Schmid: Das weiß ich nicht – aber<br />

das hoffe ich! Eine Entspannung ist<br />

notwendig, wenngleich ich nicht<br />

glaube, dass diese in absehbarer Zeit<br />

passieren wird. Viele haben in den<br />

letzten Jahren an allen möglichen<br />

Stellen Kostensenkungs-Maßnahmen<br />

eingeleitet und umgesetzt. An dieser<br />

Schraube ist kaum noch zu drehen. Die<br />

Workflows sind bei vielen optimiert und<br />

der Faktor Personal ist auch ausgereizt.<br />

Daher muss ich danach trachten, den<br />

Umsatz in die Höhe zu bringen.<br />

Oetinger hat auch eine Analyse zu<br />

Familien und deren Ausgabebereitschaft<br />

gemacht – besonders mit Blick<br />

auf Familien mit Kindern. Was kam dabei<br />

heraus?<br />

Schmid: Wir wollten unsere eigenen<br />

Glaubenssätze einmal hinterfragen, waren<br />

auch etwas verunsichert, was richtig<br />

sei. Wir haben zu diesem Zweck mit<br />

Händler:innen und Verbraucher:innen<br />

gesprochen, und wir haben sämtliche<br />

Marktforschungen zu den Themen studiert<br />

– auch zu Bereichen wie Ausgabebereitschaft.<br />

Genau bekommt man es<br />

nicht heruntergebrochen auf einzelne<br />

Buchformen, aber man erhält Antworten.<br />

Beispielsweise dazu, wie viel Familien<br />

für Streaming ausgeben – von Netflix<br />

bis Spotify. Menschen wollen Zugang<br />

zu Inhalten. Daher glauben wir auch,<br />

dass wir unsere Produkte – die Bücher<br />

– entsprechend anpassen können. Wir<br />

haben uns bei unseren Überlegungen<br />

beispielsweise auch an den Preissteigerungen<br />

von Kinokarten orientiert. Die<br />

waren eklatant in den letzten Jahren,<br />

ca. 9 € für eineinhalb Stunden Unterhaltung.<br />

2004 waren es unter 6 €. Wollen<br />

wir uns daran orientieren, dann können<br />

wir guten Gewissens unsere Werte auch<br />

hochsetzen. Wir haben bereits punktuelle<br />

Versuche unternommen. Panem X<br />

haben wir um 26 € angeboten, und wir<br />

glauben, gemerkt zu haben, dass die Anhebung<br />

den Verkäufen keinen Abbruch<br />

getan hat. Wir wissen natürlich nicht,<br />

wie sich das Buch um 24 € verkauft hätte,<br />

auch nicht, wie es bei 32 € gewesen wäre.<br />

Aber 26 € waren bereits deutlich mehr<br />

als in der Vergangenheit – und der Markt<br />

ist mitgegangen. Dieselbe Dynamik<br />

zeigte sich bei unserer Bestsellerreihe<br />

Alea Aquarius. Begonnen haben die<br />

Preise der einzelnen Bände bei 12,99 €,<br />

dann hoben wir sie auf 14 € an. Heute<br />

liegen wir – zugegeben auch bei wesentlich<br />

mehr Umfang – bei 18 €! Natürlich<br />

spielen heute auch Faktoren wie Corona<br />

in die Ergebnisse hinein. Warum habe<br />

ich mehr oder weniger verkauft – wegen<br />

des Preises oder der Weltlage ...?! Wir bei<br />

Oetinger denken jedenfalls, dass wir auf<br />

dem richtigen Weg sind.<br />

Also kann man die Preise auch quer<br />

über das Programm erhöhen?<br />

Schmid: Nur einzelne Segmente heranzuziehen,<br />

fände ich falsch, wenngleich<br />

ich auch nicht der Meinung bin,<br />

dass es mit der Gießkanne passieren<br />

kann. Man muss es sich schon genauer<br />

ansehen und mehrere Parameter berücksichtigen.<br />

Aber umsetzen kann man es<br />

überall, glaube ich – bei manchen Produkten<br />

deutlicher, bei anderen sensibler.<br />

Argumentieren nicht manche, dass<br />

Titel, bei denen es sich um Leseförderung<br />

handelt, billig(er) sein müssen?<br />

Schmid: Diese Diskussion führe ich<br />

oft. Ich glaube, dass es ganz und gar<br />

nicht so ist. Stichwort Bilderbücher: Die<br />

Menschen, die Bilderbücher kaufen, tun<br />

dies, weil sie es gewöhnt sind, weil sie es<br />

für ihre Kinder für richtig und wichtig<br />

erachten. Die achten nicht so sehr darauf<br />

– wie wir es über die Jahre glaubten –, ob<br />

das Bilderbuch 15 € oder 20 € kostet. Ich<br />

glaube, da haben wir noch einen großen<br />

Spielraum, was die Preise betrifft.<br />

Sind wir in der Branche nicht auch<br />

selbst in gewisser Weise Preisbereitschafts-Bremsen?<br />

Schmid: Ich schätze die Meinung<br />

von Vertriebsmitarbeiter:innen sehr,<br />

ich schätze die Meinung des Handels<br />

sehr – ich schätze aber auch meine<br />

Meinung. Ich denke, dass wir uns<br />

<strong>sortimenterbrief</strong> 4/22<br />

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