05.04.2022 Aufrufe

40plus Frühjahr 2022

40plus ist das Magazin für jeden, der aus dem immerwährenden Kreis ausbrechen möchte und mit einem lauten „JA!“ seiner Zukunft entgegenläuft. Don’t wish it, do it!

40plus ist das Magazin für jeden, der aus dem immerwährenden Kreis ausbrechen möchte und mit einem lauten „JA!“ seiner Zukunft entgegenläuft. Don’t wish it, do it!

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

40PLUS | N°1 <strong>2022</strong><br />

55<br />

© GERHARD KROELL<br />

Triest schien ideal. Von dort dauert<br />

die Fahrt nicht nur halb so lange,<br />

sondern kostet auch nur halb so<br />

viel. Das war schon einmal gut.<br />

Noch besser war, dass ich die Stadt<br />

bereits seit meiner Jugend kannte,<br />

hier auch Freunde hatte. Schon immer<br />

faszinierte mich die für italienische<br />

Verhältnisse etwas morbide<br />

Atmosphäre, die so stark an Wien<br />

erinnert, die kulturelle Vielfalt der<br />

Bevölkerung, aber auch der Blick<br />

nach vorne aufs blaue Meer und<br />

der raue Charme des Karstgebirges<br />

im Rücken.<br />

Da ich nun also ans Meer zog,<br />

schien es nur logisch, auch eine<br />

Wohnung mit Meerblick zu suchen.<br />

Und davon gibt es in Triest,<br />

allein schon wegen der vielen<br />

Hügel und Hänge, etliche. Bald<br />

stellte sich heraus, dass hier nicht<br />

nur zahllose Objekte frei stehen,<br />

sondern auch noch vergleichsweise<br />

günstig zu haben sind. Was sich<br />

allein schon durch die demografische<br />

Entwicklung der Stadt erklärt.<br />

Laut Statistiken hat Triest in den<br />

letzten 30 Jahren nämlich nicht<br />

weniger als 30.000 Einwohner verloren<br />

– um die 1.000 im Jahr.<br />

Die schrumpfende Stadt<br />

Hinzu kommt, dass die Bevölkerung<br />

altert und inzwischen ein<br />

Drittel der Triester über 65 Jahre<br />

alt ist. Und das alles, obgleich es<br />

eine angesehene Universität gibt,<br />

von der man annehmen würde,<br />

dass sie viele jüngere Leute anzieht,<br />

oder aber hier hält. Und<br />

auch trotz der großen Erwartungen,<br />

die man vor 30 Jahren noch<br />

in die Ostöffnung setzte, durch<br />

die sich die Stadt im äußersten<br />

nordöstlichen Winkel Italiens<br />

plötzlich ins Zentrum Europas<br />

gerückt sah.<br />

Dennoch besteht Hoffnung.<br />

Seit einigen Jahren arbeitet der<br />

Hafen wieder auf Hochtouren<br />

und wuchs zum größten Italiens<br />

und einem der bedeutendsten in<br />

Europa. Das zieht Investoren an,<br />

fördert die Wirtschaft, schafft<br />

Arbeitsplätze und Perspektiven.<br />

Dann ist da der Tourismus, der in<br />

den letzten Jahren geradezu explodierte.<br />

Zumindest vor der<br />

Covid-Pandemie eröffnete alle<br />

paar Monate ein neues Hotel.<br />

Ganz scheint es so, als hätten<br />

nicht nur die Einwohner der<br />

Nachbarländer Österreich,<br />

Slowenien und Kroatien, sondern<br />

auch aller anderen Länder<br />

Europas, die bis dahin etwas<br />

verschlafene Stadt als Reiseziel<br />

entdeckt, als entspanntere<br />

alternative Destination zu den in<br />

vielen Fällen überlaufenen und<br />

unter Massentourismus ächzenden<br />

Kulturstädten wie Venedig,<br />

Florenz oder Rom.<br />

Was die Attraktionen betrifft,<br />

kann Triest mit genannten Kulturstädten<br />

freilich nur bedingt<br />

mithalten. Hier gibt es keine<br />

verwunschenen Kanäle und<br />

prächtigen Paläste wie in Venedig,<br />

keine antiken Herrlichkeiten<br />

wie in Rom und keine Schätze der<br />

Renaissance wie in Florenz. Küste<br />

und Hinterland zeigen sich lange<br />

nicht so lieblich wie etwa an der<br />

Amalfi-Küste oder an der Riviera<br />

dei Fiori. Es wachsen hier kaum<br />

Palmen und es blühen auch keine<br />

Zitronen. Und südländischeres<br />

Flair findet man selbst im nördlicher<br />

gelegenen Udine.<br />

Mit Einzigartigkeit in<br />

die Zukunft<br />

Doch was macht das schon? Der<br />

Charme der alten Hafenstadt ist<br />

ein ganz anderer, einzigartiger.<br />

Triest, so sagen viele Triester<br />

selbstsicher, sei zwar italienisch,<br />

zugleich aber noch viel mehr. Und<br />

tatsächlich kommt man, hat man<br />

sich einmal auf sie eingelassen,<br />

von der Stadt mit ihrer bewegten<br />

Geschichte nur mehr schwer los.<br />

Langweilig wird es hier nie, Neues<br />

zu entdecken findet sich hier<br />

ständig.<br />

Triest ist ein Füllhorn an<br />

spannenden Geschichten und<br />

mythischen Orten, an schillernden<br />

Bewohnern aus der Vergangenheit<br />

und der Gegenwart. Und<br />

auch im eigenen Umland und der<br />

allernächsten Nachbarschaft gibt<br />

es etliches zu erleben. Seien es die<br />

prachtvollen Städte des Friaul, die<br />

lieblichen, mit Weinreben überzogenen<br />

Hügel des Collio, oder der<br />

slowenischen Brda, die prächtigen<br />

Küstenorte und verschlafenen<br />

Bergdörfer Istriens, die Lagunen<br />

des Veneto oder die dichtbewaldeten<br />

Bergriesen der Karnischen<br />

und der Julischen Alpen. Drum<br />

kann ich mir in Wahrheit keinen<br />

aufregenderen Lebensmittelpunkt<br />

vorstellen, als diese einzigartige<br />

Region zwischen Alpen, Adria<br />

und Balkan, mit ihrer geografischen,<br />

kulturellen und sprachlichen<br />

Vielfalt, in deren Mitte<br />

Triest liegt.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!