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johannes enders<br />
Mehr als nur ein Leben<br />
Mit seinem Projekt Enders Room schlägt der Saxofonist<br />
aus Weilheim Brücken zwischen Jazz, Elektronik<br />
und Pop in die musikalische Zukunft. Von Christian stolberg<br />
Dass die interessanteste Kunst aus der<br />
Vereinigung von scheinbar Gegensätzlichem<br />
entsteht, mag eine Binse<br />
sein – aber sie bestätigt sich immer wieder.<br />
Zum Beispiel in der Arbeit von Johannes<br />
Enders, einem der interessantesten europäischen<br />
Saxofonisten, zeitweiligem Leiter des<br />
JazzBaltica Ensemble und nicht von ungefähr<br />
auch unter den Preisträgern des 2010 erstmals<br />
verliehenen deutschen „Echo Jazz“.<br />
Dieser Johannes Enders ist nicht nur<br />
dank einer Reihe von Alben und unzähligen<br />
Konzerten mit (von seinem ausgesprochen<br />
eigenständigen Saxofonton geprägtem)<br />
akustischem Jazz bestens eingeführt, er hat<br />
noch weitere musikalische Leben: Er ist eine<br />
Schlüsselfigur der international so bestaunten<br />
Musikszene der oberbayerischen Kleinstadt<br />
Weilheim um die stilprägende Indieband<br />
The Notwist, deren Alben er mit seinem<br />
charakteristischen Saxsound bereichert. Mit<br />
16<br />
So sehen heutzu-<br />
tage die Profes-<br />
soren aus: Enders<br />
im Heimstudio<br />
den Notwist-Gründern Markus und Micha<br />
Acher betreibt Enders unter anderem das<br />
Tied & Tickled Trio, mit dem US-Schlagzeuger<br />
Billy Hart die Gruppe Triotope.<br />
Unter seinen weiteren eigenen Projekten<br />
genießt besonders Enders Room großen Kredit<br />
bei der Kritik: Hier verschmilzt Enders<br />
seit 2002 Jazz, Elektronik und Indie-Ästhetik<br />
auf eine so persönliche wie zukunftsträchtige<br />
Weise ineinander – die Wärme und die interessanten<br />
Klangfarben, die Enders da aus der<br />
Kombination von herkömmlichem und elektronischem<br />
Instrumentarium gewinnt, begeistern<br />
immer mehr Fachleute und eine überschaubare,<br />
aber wachsende Fangemeinde.<br />
Absage an den Macho-Jazz<br />
Neuerdings hat Enders, der selbst in München,<br />
Graz und New York (bei Topstars wie<br />
Branford Marsalis und Lee Konitz) studierte,<br />
auch noch eine Professur für Saxofon an<br />
der Musikhochschule in Leipzig inne. Wie ist<br />
diese Polyphonie der Aktivitäten überhaupt<br />
möglich? „Ich bin jemand, der, wenn er ein<br />
Projekt beendet hat, schnell wieder etwas ganz<br />
anderes, vielleicht sogar gegensätzliches, machen<br />
will“, sagt der bescheiden auftretende<br />
Zwei-Meter-Mann.<br />
„Die Enders-Room-Alben sind für mich<br />
wie Filmmusiken, die festhalten, wie ich den<br />
Zustand der Welt zu der jeweiligen Zeit empfinde.“<br />
Das fünfte Enders-Room-Album „Zen<br />
Tauri“ ist für den Klangtüftler speziell, weil<br />
es das erste nach einer dramatischen Erkrankung<br />
ist: Das Pfeiffer’sche Drüsenfieber hatte<br />
ihn 2008 an den Rand des Todes gebracht,<br />
eine Erfahrung, die sein „persönliches Wertesystem<br />
kräftig durchgerüttelt“ habe. Mit Folgen<br />
für die Musik: „Dieses Soloding im Jazz<br />
interessiert mich immer weniger, vor allem,<br />
wenn es so etwas Machohaftes bekommt, wo<br />
einer den anderen übertrumpfen will.“ So<br />
hofft Enders, dass sich „die Bandphilosophie<br />
aus der Popmusik im Jazz breit macht. Es<br />
gibt ja viele Rockbands, die nicht aus virtuosen<br />
Musikern bestehen und doch fantastische<br />
Bands sind. Weil sich alle auch mal zugunsten<br />
der Musik zurücknehmen. Im Jazz gibt es viele<br />
Formationen, in denen vier Virtuosen aneinander<br />
vorbei spielen. Dass es im Leben mehr<br />
um das gemeinsame Tun geht, ist vielleicht<br />
auch das unterschwellige Thema auf ‚Zen<br />
Tauri‘.“<br />
Neu erschienen: enders room „Zen Tauri“<br />
(Material records/harmonia Mundi)<br />
Carl oesterhelt/johannes enders „divertimento<br />
für Tenorsaxophon und kleines ensemble“<br />
(alien Transistor / Indigo)<br />
bayerisches biotop<br />
Die sogenannte<br />
„Weilheimer Szene“<br />
In den frühen 90ern jahren wurde die Musik welt<br />
auf das 22.000-einwohner-städtchen in ober bay-<br />
ern aufmerksam: rund um die Band The notwist<br />
(Foto), das Label hausmusik und das U-phonstudio<br />
mit den Produzenten Mario Thaler und olaf<br />
opal hatte sich dort ein Konglomerat aus miteinander<br />
verflochtenen Bands wie Lali Puna, Console<br />
und dem Tied & Tickled Trio gebildet.<br />
Foto: Gerald von Foris