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sil je Nerga ard<br />
Neuland im Winter<br />
Norwegens erfolgreichste Jazzsängerin offeriert<br />
mit „If I Could Wrap Up A Kiss“ ein Weihnachtsalbum<br />
der etwas anderen Art. Von Christian stolberg<br />
S<br />
ilje Nergaard, die 44jährige norwegische<br />
Sängerin, die sich als souveräne<br />
Gratwandlerin zwischen Jazz und Pop<br />
international durchgesetzt hat, ist eigentlich<br />
keine große Liebhaberin von Weihnachtsalben,<br />
wie sie beim Telefonat mit <strong>SONO</strong> bekennt:<br />
„Ich habe genau sechs Stück in meiner<br />
Sammlung. Aber es gibt eines, das mich, wie<br />
viele andere bei uns hier in Skandinavien, begeistert<br />
hat: das legendäre ‚It’s Snowing On<br />
My Piano’ von Bugge Wesseltoft – damit hat<br />
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Auch ohne<br />
„Jingle Bells“<br />
im Winter<br />
keine Frustbeule:<br />
Silje<br />
Nergaard<br />
es auch zu tun, dass mich die Herausforderung<br />
reizte, es mal selbst mit einem Weihnachtsalbum<br />
zu versuchen.“<br />
Gut ein Jahr hat sich Silje Nergaard in<br />
die Materie hinein gewühlt –damit betrat sie<br />
in doppelter Hinsicht persönliches Neuland,<br />
denn im Gegensatz zu den meisten anderen<br />
Jazzsängerinnen war die als Songkomponistin<br />
produktive Lehrertochter bisher eher<br />
sparsam mit dem Aufnehmen von Coverversionen.<br />
Bei der Auswahl der Stücke für „If I<br />
Could Wrap Up A Kiss“ griff sie denn auch<br />
bewusst nicht auf die „üblichen Verdächtigen“<br />
von „Jingle Bells“ bis „White Christmas“<br />
zurück, sondern suchte sich Songs wie Joni<br />
Mitchells Klassiker „River“ und auch einige<br />
unbekanntere norwegische Lieder, die zwar<br />
zur winterlichen Thematik passen, aber eben<br />
noch nicht auf ChristmasSamplern zu Tode<br />
kompiliert wurden.<br />
Ohnehin ist Nergaards Neue genau besehen<br />
eher ein „Jahreszeiten-Album“, wie sie es<br />
selber nennt – darum verweist auch der Titel<br />
nicht explizit auf die Feiertagsthematik. „Ich<br />
wollte im Grunde ein Album, das zu der Stimmung<br />
passt, in die die meisten von uns im Winter<br />
kommen, wenn wir uns zu Hause einigeln<br />
und mal etwas zur Ruhe kommen möchten.“<br />
„Im Ausland freuen sich<br />
die Leute immer besonders<br />
über die Songs in<br />
norwegischer Sprache“<br />
Zudem hatte Nergaard den Ehrgeiz, eigene<br />
Songs für das Album zu schreiben, die neben<br />
den Standards bestehen können sollten.<br />
Fast überraschend, dass dies das erste NergaardAlbum<br />
mit Songs in zwei Sprachen ist –<br />
bislang hatte sie sich bei jeder CD entweder<br />
komplett für norwegische oder für englische<br />
Texte entschieden. „Wenn ich im Ausland auf<br />
Tournee bin, freuen sich die Leute immer besonders<br />
über die Songs in norwegischer Sprache,<br />
das hat mich ermutigt, jetzt mal die Sprachen<br />
locker zu mischen.“<br />
Locker klingt auch der Titelsong, ein<br />
Duett mit dem deutschen SwingStar Roger<br />
Cicero („Ich kenne ihn schon seit Jahren und<br />
habe beim Schreiben sofort an seine Stimme<br />
gedacht“), deutsche Hörer werden außerdem<br />
beim einzigen Instrumental des Albums<br />
aufmerken – da bringt Nergaards Band das<br />
deutsche Weihnachtslied „Es ist ein Ros’ entsprungen“<br />
zum Swingen. Es rundet ein entspanntes,<br />
überwiegend fröhliches Album<br />
ohne klebrige Christbaumsentimentalität ab –<br />
verdienstvoll, dass es mit Nergaards Eigenkomposition<br />
„The Very First Christmas Without<br />
You“ auch einen Song gibt, der daran<br />
erinnert, dass die Feiertage für manche Menschen<br />
durchaus schmerzhafte Gefühle mit<br />
sich bringen können.<br />
Foto: agnete Brun