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kLASSIk<br />
Martin Grubinger &<br />
Monks Of The<br />
Benedictine Abbey<br />
Münsterschwarzach<br />
„drums ’n’ chant“<br />
dG/UNIVeRSAL<br />
Das Konzept erinnert an die<br />
Crossoverabenteuer des Jazzsaxofonisten<br />
Jan Garbarek mit den<br />
Sängern des britischen Hilliard-<br />
Ensembles, ein wenig auch an<br />
Enigma: Gefeierter junger Percussionsstar<br />
tut sich mit Mönchschor<br />
zusammen und „verziert“ dessen<br />
gregorianische Gesänge mit seinem<br />
Geklöppel. Tatsächlich ist<br />
das, was der bereits im Wiener<br />
Musikverein wie in der New Yorker<br />
CarnegieHall gefeierte österreichische<br />
Schlagwerker Martin<br />
Grubinger zu den Mönchsgesängen<br />
aus Franken einspielte, nicht<br />
so introspektiv und tiefernst wie<br />
die Garbarek/Hilliard-Produktionen,<br />
aber auch nicht so platt und<br />
spekulativ wie der Sakralpop von<br />
Enigma. Grubinger, ein spektakuläres<br />
Rhythmustalent, für dessen<br />
Spiellust eine Musikgattung<br />
allein immer schon zu eng war,<br />
umgibt die alten Choräle durchaus<br />
einfühlsam mit vielfältigen<br />
(oft auch aus Weltmusik und Jazz<br />
entlehnten) Rhythmen – und das<br />
lässt sie oft zugänglicher werden.<br />
So richtig daneben geht das Experiment<br />
eigentlich nur einmal:<br />
Wenn Grubinger zu einer Eigenkomposition<br />
auch noch türkische<br />
Folkloristen dazupackt, bekommt<br />
man das Gefühl, im Dritte-Welt-<br />
Gemischtwarenladen, Abteilung<br />
„wohlfeile Spiritualität“, gelandet<br />
zu sein. Sufis und Benediktiner<br />
– das passt halt doch nicht so.<br />
Wunderschön hingegen die zwei<br />
Gastspiele des großartigen Oboisten<br />
Albrecht Mayer. Für Puristen<br />
ist dieses Album natürlich die<br />
reine Provokation.<br />
Christian Stolberg<br />
Wissenswert: Münsterschwarzach<br />
34<br />
ist die Abtei, in der der bekannte<br />
spirituelle Autor Pater Anselm Grün<br />
als cellerar wirkt.<br />
Glenn Gould<br />
„The Secret Live Tapes“<br />
SONy cLASSIcAL<br />
Als sich der kanadische Jahrhundertpianist<br />
aus dem Konzertleben<br />
zurückzog, hatte er zwar auch mit<br />
Pult-Titanen wie Karajan für prickelnde<br />
Live-Erlebnisse gesorgt.<br />
Goulds Lieblingsdirigent war aber<br />
der Österreicher Joseph Krips.<br />
Das einzige Konzertdokument<br />
von dieser musikalischen Freundschaft<br />
entstand im November 1960<br />
im amerikanischen Buffalo, als<br />
man Beethovens 5. Klavierkonzert<br />
spielte. Jetzt ist diese interpretatorische<br />
Sternstunde erstmals auf<br />
CD erschienen. Trotz des historischen<br />
Sounds ist man sofort<br />
gepackt von der gemeinsamen,<br />
apollinischen Gangart. Und die<br />
Einleitungstakte des 3. Satzes legt<br />
Gould gar frech wie einen Strauß-<br />
Walzer hin. Guido Fischer<br />
Besonderheit: Zudem sind seltene<br />
Liveaufnahmen von 1958 mit kla-<br />
vierkonzerten von Bach und Schön-<br />
berg zu hören.<br />
Philippe Jaroussky<br />
„caldara in Vienna“<br />
VIRGIN cLASSIcS/eMI<br />
Äußerlich ist Philippe Jaroussky –<br />
salopp formuliert – eine Bohnenstange.<br />
Doch was seinen gleichbleibend<br />
erstklassigen diskografischen<br />
Output angeht, besitzt der<br />
aktuell als Countertenorissimo<br />
gefeierte Franzose geradezu Herkulesqualitäten.<br />
Nun ist Jaroussky<br />
sogar unter die Trüffelschweine<br />
gegangen – und bricht eine Lan-<br />
ze für den einst gefeierten, heute<br />
kaum noch bekannten Opernkomponisten<br />
Antonio Caldara.<br />
Nach dem Arienfeuerwerk, das<br />
Jaroussky jetzt mit Concerto Köln<br />
unter der Leitung von Emmanuelle<br />
Haïm entfacht hat, dürfte sich<br />
das aber eben schnell ändern.<br />
Denn bei den ehemals für Kastraten<br />
gedachten Vokalperlen hat<br />
Jaroussky betörende Schattierungen<br />
und furiosen Glanz freigelegt.<br />
Reinhard Lemelle<br />
O-Ton des Künstlers: „diese Musik<br />
ist lebhaftester Barock.“<br />
Hélène Grimaud<br />
„Resonances“<br />
dG/UNIVeRSAL<br />
Die letzten Alben der ehemaligen<br />
Wolfsbändigerin waren immer<br />
auch der Versuch, mehr als nur<br />
Klavier zu spielen. Grimaud will<br />
Musik denken und rote Fäden<br />
zwischen scheinbar gegensätzlichen<br />
Epochen und Komponisten<br />
entdecken. Doch statt trockener<br />
Musikwissenschaft bietet sie<br />
auch auf „Resonances“ ein Kapitel<br />
lebendiger Musikgeschichte,<br />
die sich in österreichisch-ungarischen<br />
Gefilden abspielte, von<br />
dem klassischen Sonatenkomponisten<br />
Mozart über die Sonatenerneuerer<br />
Liszt und Alban<br />
Berg bis zum Volksmusikforscher<br />
Bartók. Mehr als ein Jahrhundert<br />
steckt Grimaud damit ab, in dem<br />
der Musik ein radikal neues Herz-<br />
Rhythmus-System eingepflanzt<br />
wurde. Weil für Grimaud jedoch<br />
Revolutionen in der Musik noch<br />
nie einfach so vom Himmel gefallen<br />
sind, besitzt bei ihr plötzlich<br />
selbst eine berühmte Mozart-Sonate<br />
ultramoderne, fast anarchische<br />
Züge. Guido Fischer<br />
Besonderheit: Schon im zarten<br />
Alter von elf Jahren war Hélène<br />
Grimaud von Alban Bergs Sonate<br />
fasziniert.<br />
Riccardo Chailly<br />
„Gershwin: Rhapsody in<br />
Blue, concerto u. a.“<br />
deccA/UNIVeRSAL<br />
Mit Blue Notes hatten das ehrwürdige<br />
Leipziger Gewandhausorchester<br />
und sein Chefdirigent<br />
Riccardo Chailly bislang<br />
nichts am Hut, während der italienische<br />
Jazzpianist Stefano Bollani<br />
lieber mit Pat Metheny und<br />
Paolo Fresu zusammengespielt<br />
hat als mit einem klassischen<br />
Streicherapparat. Jetzt haben<br />
sich beide Parteien aufs Terrain<br />
des jeweils anderen gewagt, dank<br />
George Gershwins symphonischer<br />
Jazz-Coups „Rhapsody in<br />
Blue“ und dem Klavierkonzert.<br />
Ohne langes Vorgeplänkel jonglieren<br />
Chaillys Leipziger und<br />
Bollani mit den stampfenden<br />
Rhythmen und frechen Klangfarben,<br />
als ob man nie etwas anderes<br />
gemacht hätte. Kein Wunder,<br />
dass es selbst bei der Zugabe,<br />
im Rausschmeißer-Rag „Rialto<br />
Ripples“, kunterbunt burlesk<br />
und prall swingend zugeht.<br />
Reinhard Lemelle<br />
O-Ton von Riccardo Chailly:<br />
„Gershwin wollte die Sprache des<br />
Jazz der 1920er Jahre in das klassische<br />
Repertoire integrieren.”<br />
Ludovico Einaudi<br />
„The Royal Albert Hall<br />
concert“<br />
deccA/UNIVeRSAL<br />
cLASSIcS & JAZZ<br />
Der Mitschnitt aus der Londoner<br />
Royal Albert Hall vom März 2010<br />
(auf DVD & zwei CDs) ist der vorläufige<br />
Karrierehöhepunkt des italienischen<br />
Komponisten und Pianisten,<br />
der es mit einer Mischung