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JAZZ & WORLd<br />
<strong>Ray</strong> Charles<br />
„Rare Genius: The<br />
Undiscovered Masters“<br />
UNIVeRSAL<br />
[Jazz/soul] Da hat mal jemand<br />
im Archiv gewühlt und Feines<br />
zu Tage gefördert: „The Undiscovered<br />
Masters“ vom grandiosen,<br />
völlig zu Recht als „Genius“<br />
bezeichneten <strong>Ray</strong> Charles. Dieser<br />
Jemand ist John Burk, der als<br />
Produzent <strong>Ray</strong> Charles’ letztes<br />
Album „Genius Loves Company“<br />
betreute, somit also ein ausgewiesener<br />
Kenner und Könner.<br />
Zehn Songs aus den 70ern, 80ern<br />
und 90ern hat Burke ausgegraben<br />
– 40 Minuten exquisite Musik.<br />
Die Tracks zeigen Charles auf<br />
der Höhe seiner Schaffenskraft.<br />
Deshalb kann man sich nur verwundert<br />
Augen und Ohren reiben,<br />
dass Songs wie das irre groovende<br />
„Love’s Gonna Bite You Back“, der<br />
Big-Band-Swing von „It Hurts To<br />
Be In Love“ und der knochentrockene<br />
Funk bei „I’m Gonna Keep<br />
On Singin’“ bislang nicht veröffentlicht<br />
wurden. Ein postumer<br />
Meilenstein! Gunther Matejka<br />
Carlos Núñez<br />
„Alborada do Brasil“<br />
cOLUMBIA/SONy<br />
[Keltisch-brasilianische Worldmusic]<br />
Die einen feiern Carlos<br />
Núñez als „Neuen König der Kelten“.<br />
Für die anderen ist er der<br />
„Jimi Hendrix des Dudelsacks“.<br />
Egal, wie man den Galizier aber<br />
auch bezeichnet – er ist wahrer<br />
Handlungsreisender in Sachen<br />
„Weltmusik“. Nach seinen musikalischen<br />
Treffen mit u. a. Ry Cooder<br />
ist er jetzt nach Brasilien aufgebrochen,<br />
um dort nicht nur mit Stars<br />
wie Carlinhos Brown zu jammen.<br />
36<br />
All die vertrauten Melodien und<br />
Rhythmen seiner Heimat fand<br />
er plötzlich sogar in der Samba<br />
wieder. Diese musikalische Entdeckungsreise<br />
hat Núñez nachträglich<br />
im Studio dokumentiert.<br />
Mit hochkarätigen Gästen wie The<br />
Chieftains und Adriana Calcahotto<br />
schafft er eine beschwingte Synthese<br />
aus afrobrasilianischer Perkussion,<br />
sanften Gesängen sowie<br />
galizisch-keltischen Flöten- und<br />
Dudelsackklängen.<br />
Reinhard Lemelle<br />
Downloadtipp: „Alvorada de<br />
cartola“<br />
Layatharanga<br />
„Anandam“<br />
cM RecORdS/GALILeO<br />
[Weltmusik] Es gibt diese Geschichte<br />
von Ravi Shankar, der<br />
beim Concert For Bangladesh<br />
1971 auf der Bühne an seiner Sitar<br />
nestelte und zu dem dann einsetzenden<br />
Applaus meinte, wenn das<br />
Stimmen des Instruments schon<br />
so gefalle, müssten die Zuhörer<br />
erst einmal das Konzert abwarten.<br />
Eine Geschichte mit wahrem<br />
Kern, denn die indische Musik ist<br />
für die meisten Menschen jenseits<br />
der Landesgrenzen bis heute ein<br />
Mysterium, rätselhaft vor allem<br />
aufgrund ihrer schwer zu ergründenden,<br />
aber deutlich spürbaren<br />
Kraft. Layatharanga, ein südindisches<br />
Quintett um den Flötisten<br />
Ravichandar Kulur, knüpft an<br />
dieses Gefühl an und bietet mit<br />
„Anandam“ womöglich das Album,<br />
auf das viele Klangsinnsucher<br />
gewartet haben. Zahlreiche<br />
Traditionen laufen darauf zusammen,<br />
Polymetrisches, Karges, für<br />
mitteleuropäische Ohren Pittoreskes,<br />
virtuos Verblüffendes<br />
auf diversen perkussiven Instrumenten<br />
von Tabla bis Ghatam.<br />
Das Faszinierende an „Anandam“<br />
ist dabei die Selbstverständlichkeit,<br />
mit der die Musiker und<br />
Gäste wie der Sarod-Derwisch<br />
Kishore und der Sitarmeister<br />
Pubayan Chatterjee Eigenes in<br />
ein versöhnliches Klanggewand<br />
verpacken, ohne dabei Kitsch oder<br />
Klischees allzu offensichtlich bemühen<br />
zu müssen.<br />
Ralf Dombrowski<br />
Fazit: ein Album, mit dem man<br />
auch Alleskenner überraschen kann.<br />
Paolo Fresu<br />
„The Blue Note years“<br />
BLUe NOTe/eMI<br />
[modern Jazz] Er gehört zu<br />
denen, die den Geist von Miles<br />
Davis in der Szene halten: Der<br />
italienische Trompeter Paolo<br />
Fresu pflegt mit seinem Quintett<br />
den Spirit des legendären Davis-<br />
Quintetts aus dessen „Kind Of<br />
Blue“-Phase – nicht durch banale<br />
Imitation, sondern durch die<br />
hochmusikalische und zeitgemäße<br />
Anwendung jener Grundsätze,<br />
mit denen Miles seinerzeit<br />
Furore machte. Dabei kommt<br />
ihm der Umstand zugute, dass<br />
er vor allem mit dem glänzenden<br />
Saxofonisten Tino Tracanna einen<br />
ähnlich kongenialen Bläser-<br />
Widerpart in der Combo hat wie<br />
Miles seinerzeit in John Coltrane –<br />
zu hören ist das sehr schön auf<br />
dem ersten Silberling der Doppel-CD<br />
„The Blue Note Years“,<br />
die fünf Jahre seines Schaffens<br />
(2004–2009) für die italienische<br />
Niederlassung des legendären<br />
New Yorker Labels dokumentiert.<br />
Die zweite CD präsentiert den<br />
europaweit gefragten Trompeter<br />
stilistisch in vielfältigerem Kontext,<br />
in Quartettbesetzungen und<br />
Projekten mit dem US-amerikanischen<br />
Keyboarder und Pianisten<br />
Uri Caine – mit dem erforscht er<br />
im Duo sogar Themen des Barockkomponisten<br />
Monteverdi.<br />
Christian Stolberg<br />
Klingt ähnlich: Miles davis<br />
Norah Jones<br />
„... Featuring“<br />
BLUe NOTe/eMI<br />
[Vocal Jazz] Ein kontroverses<br />
Album, je nachdem, aus welcher<br />
Perspektive man es hört. Jazz ist<br />
das natürlich schon lange nicht<br />
mehr. Befreit vom Stigma des latent<br />
Hochkulturellen aber wirkt<br />
„… Featuring“ stimmig. Es ist<br />
eine Zusammenstellung von 18<br />
Duetten und Kooperationen, die<br />
während des vergangenen Jahrzehnts<br />
die Stimme der Sängerin<br />
integriert haben. Das Spektrum<br />
ist beachtlich, reicht von Säulenheiligen<br />
des Business wie Willie<br />
Nelson und <strong>Ray</strong> Charles über<br />
Jazzkollegen wie Herbie Hancock<br />
und Charlie Hunter bis hin zu<br />
Popkollegen wie Outkast, Ryan<br />
Adams und Belle and Sebastian.<br />
Je mehr man Norah Jones hört,<br />
umso deutlicher wird ihre Verwurzelung<br />
in der amerikanischen<br />
Folktradition, angefangen bei der<br />
pointiert nachlässig Phrasierung,<br />
dem tendenziell rauen Timbre der<br />
Stimme und den Arrangements<br />
der Gesangssätze über die naturnahe<br />
Instrumentierung der<br />
meisten Aufnahmen bis hin zur<br />
lakonischen Attitüde der beiläufigen<br />
Perfektion.<br />
Ralf Dombrowski<br />
Wissenswert: Norah Jones ist die<br />
Tochter des indischen Sitar-Meisters<br />
Ravi Shankar.<br />
Renaud García-Fons<br />
„Méditerranées“<br />
eNJA/edeL<br />
[mittelmeer-Jazz] Renaud<br />
García-Fons gilt nicht nur als<br />
Paganini des Kontrabass. Der<br />
gebürtige Spanier ist seit einer