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BS 02-2017

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Schiffstechnik<br />

»Aufträge beweisen Konkurrenzfähigkeit«<br />

Im Interview spricht Ragnar Schwefel (VSM) über die Entwicklung des Binnenschiffbaus<br />

in Deutschland und über künftige Entwicklungen<br />

Herr Schwefel, wie bewerten Sie die Auftragsentwicklung<br />

auf deutschen Binnenwerften?<br />

Ragnar Schwefel: Die Auftragslage ist in<br />

den vergangenen Jahren zurückgegangen.<br />

Das liegt auch an den Frachtschiffen. Bereits<br />

im dritten Jahr in Folge wurde kein<br />

Frachtschiff auf einer deutschen Werft bestellt.<br />

Dieses Geschäft ist komplett eingebrochen.<br />

Zudem scheint der Peak bei<br />

Flusskreuzfahrtschiffen überschritten und<br />

der Markt langsam gesättigt zu sein.<br />

Welche Schiffstypen werden in Deutschland<br />

hauptsächlich gebaut?<br />

Schwefel: Fahrgastschiffe, nicht nur im<br />

Flusskreuzfahrtbereich, bleiben ein Trend.<br />

Dies gilt für alle Schiffsgrößen. Mit Formstaal<br />

gibt es in dieser Branche einen neuen<br />

Marktteilnehmer, der sich auf solar-betriebene<br />

Schiffe spezialisiert hat. Erfolg und<br />

Aufträge, gerade bei den kleineren Fahrgastschiffen,<br />

sind aber nur gewährleistet,<br />

wenn auch die Nebenwasserstraßen für<br />

den Tourismus nutzbar bleiben. Daher gilt<br />

es, die Nebenwasserstraßen als Bundeswasserstraßen<br />

funktionstüchtig zu halten.<br />

Zudem bauen deutsche Werften behördliche<br />

Arbeitsschiffe in allen Variationen.<br />

Das reicht von einfachen Schuten bis hin<br />

zu anspruchsvollen Vermessungs- oder<br />

Schadstoffbekämpfungsschiffen.<br />

Wo sehen Sie die Stärken im deutschen<br />

Binnenschiffbau<br />

Schwefel: Flusskreuzfahrtschiffe sind<br />

die komplexesten Binnenschiffe und die<br />

deutschen Werften haben nachgewiesen,<br />

dass sie in der Lage sind, solche Einheiten<br />

zu bauen. Für diesen Schiffstyp hat<br />

sich Deutschland zum Marktführer entwickelt.<br />

Öffentliche Aufträge werden europaweit<br />

ausgeschrieben. Dass deutsche<br />

Werften trotz der internationalen Wettbewerbs<br />

dennoch viele Aufträge bekommen,<br />

beweist ihre Konkurrenzfähigkeit sowohl<br />

national als auch international.<br />

Woran liegt es, dass in Deutschland keine<br />

Frachtschiffe mehr gebaut werden und<br />

wird sich dieser Trend auch künftig fortsetzen?<br />

Schwefel: Davon gehe ich aus. Bei Frachtschiffen<br />

handelt es sich überwiegend um<br />

Stahlbauten. Für solche<br />

Konstruktionen<br />

braucht es keine<br />

spezialisierten<br />

Kräfte. Deshalb<br />

sind die Produktionskosten<br />

für solche<br />

Einheiten nicht<br />

hoch. Mit den dortigen<br />

Preisen können<br />

die deutschen Unternehmen<br />

nicht mithalten,<br />

sie haben sich auf<br />

andere Schiffstypen<br />

konzentriert und ihre<br />

Geschäftsfelder darauf<br />

ausgerichtet. Einige<br />

Werften haben das<br />

Neubaugeschäft auch<br />

völlig aufgegeben und<br />

sind komplett ins Instandhaltungs- und<br />

Reparaturgeschäft gewechselt. Hier sind<br />

Service und Leistung entscheidende Kriterien<br />

für die Auftragsvergabe.<br />

Insbesondere bei den Wasserstraßen- und<br />

Schifffahrtämtern ist eine Motivation zu<br />

erkennen, die Flotten zu erneuern. Was<br />

passiert mit dem deutschen Schiffbau,<br />

wenn die Flotte modernisiert worden ist?<br />

Schwefel: Es gibt hunderte Behördenschiffe,<br />

die in den Häfen und auf deutschen<br />

Binnenwasserstraßen im Einsatz<br />

sind. Deshalb wird es immer Bedarf an<br />

Ersatzneubauten geben. Der Bau von Behördenfahrzeugen<br />

sichert einigen Werften,<br />

vor allem im Osten Deutschlands, die<br />

Grundauslastung. Diese haben an der Elbe<br />

allerdings immer häufiger mit zu geringen<br />

Fahrwassertiefen zu kämpfen. Das verzögert<br />

die Auslieferung teilweise um Monate.<br />

Das ist ein echtes Problem, denn Kunden<br />

fordern heutzutage nicht selten ein<br />

vertraglich gesichertes Ablieferdatum. Da<br />

die Werften aufgrund der Niedrigwasserproblematik<br />

dieses jedoch nicht garantieren<br />

können, können sie sich auf solche<br />

Aufträge gar nicht erst bewerben. Vor diesem<br />

Hintergrund ist die Entwicklung der<br />

Elbe ein wichtiger Faktor. Die entscheidende<br />

Frage ist es, ob es gelingt, diesen Fluss<br />

wieder zu einer verlässlichen Wasserstraße<br />

zu machen, mit ausreichender Fahrwassertiefe.<br />

Die Werften in Ostdeutschland sind<br />

Foto: VSM<br />

Ragnar Schwefel<br />

leitet seit 2014 das Berliner Büro des<br />

Verbands für Schiffbau und Meerestechnik<br />

(VSM). In den Jahren 1999 bis 2013<br />

war er Referent für maritime Politik<br />

im Bundestag. Davor war Schwefel<br />

Geschäftsführer einer politischen<br />

Jugendorganisation.<br />

auch deswegen auf das<br />

Neubaugeschäft angewiesen,<br />

da sie<br />

vom Reparaturgeschäft<br />

alleine nicht<br />

existieren können.<br />

Dafür fahren dort<br />

einfach zu wenige<br />

Schiffe. Von daher<br />

ist das »Gesamtkonzept<br />

Elbe« auch wichtig<br />

für die Entwicklung<br />

des deutschen<br />

Schiffbaus.<br />

Sehen Sie einen Trend,<br />

dass aufgrund verschärfter<br />

Umweltbestimmungen<br />

wieder<br />

mehr Neubauaufträge<br />

an deutsche Werften gehen?<br />

Schwefel: Nein, ganz im Gegenteil. Ich<br />

rechne vielmehr mit einer Kubanisierung<br />

der Frachtschiffflotte. Die NRMM-Verordnung<br />

wird nicht dazu beitragen, die Schifffahrt<br />

sauberer zu machen. Denn sie bezieht<br />

sich nur auf Neumotorisierung.<br />

Welche Probleme sehen Sie künftig für den<br />

deutschen Schiffbau?<br />

Schwefel: Das Dezernat technische Schiffssicherheit<br />

in der GDWS (ehemals ZSUK)<br />

könnte ein Problem für den Neubau werden.<br />

Der Schiffbau ist auf Innovationen angewiesen.<br />

Neue Technologien benötigen<br />

daher flexible Vorschriften, damit neuen<br />

Designs, neuen Technologien und neuen<br />

Werkstoffen ein schneller Marktzugang ermöglicht<br />

werden kann. Die Verwendung<br />

neuer Werkstoffe oder Elektroantriebe<br />

muss bei uns aber gesondert genehmigt<br />

werden, da solche Entwicklungen in den<br />

Vorschriften bisher nicht vorgesehen sind.<br />

Hier besteht Reformbedarf. Der BDB und<br />

wir haben dazu Vorschläge unterbreitet<br />

und wir befinden uns im Dialog mit dem<br />

Bundesverkehrsministerium. Ein weiteres<br />

Problem ist die Knappheit an Ingenieuren.<br />

Es wird für die Behörden immer schwieriger,<br />

qualifizierte Fachkräfte zu bekommen.<br />

Es gibt keine Quereinsteiger mehr.<br />

Das hängt auch mit den Tarifvorschriften<br />

im öffentlichen Dienst zusammen.<br />

<br />

Interview: Thomas Wägener<br />

Binnenschifffahrt – ZfB – <strong>2017</strong> – Nr. 2 35

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