Gesund & Leben 2022 / 10
- Keine Tags gefunden...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
BALLAST LOS WERDEN<br />
Die Leichtigkeit des<br />
Es herrscht geschäftiger Trubel rund um einen<br />
kleinen, ehemaligen Paketwagen auf einem<br />
Berliner Wochenmarkt am Prenzlauer Berg.<br />
Menschen kommen und gehen, stöbern,<br />
suchen und finden – und immer wieder ertönen Ausrufe<br />
des Glücks. Dann nämlich, wenn die Besucherinnen<br />
und Besucher in dem großen Sammelsurium aus<br />
diversen Gegenständen, Büchern, Kleidungsstücken<br />
und Co etwas entdecken, das ihnen Freude bereitet.<br />
Was klingt wie ein Flohmarkt, nennt sich Tauschmobil<br />
und bietet seine Schätze ganz kostenlos<br />
zur Mitnahme an. „Ich nenne es einen<br />
Schenkladen auf Rädern“, lacht Gründerin<br />
Gabi Rimmele. Die Diplom-Sozialarbeiterin<br />
begleitet als Entrümpelungsberaterin<br />
seit einem Jahrzehnt Menschen bei ihrem Prozess<br />
des Loslassens und auf der Suche nach Leichtigkeit.<br />
Und bietet mit dem Tauschmobil gleich einen Ort an, an<br />
dem das Loslassen in der Praxis einfach und unbürokratisch<br />
geübt werden kann. „Viele Menschen,<br />
die bei mir Beratung suchen, kommen mit<br />
dem Wunsch zu mir, sich von äußerem Ballast<br />
zu befreien, tun sich dann aber schwer<br />
damit, Dinge wirklich wegzugeben“, erklärt<br />
die Expertin. „Im Tauschmobil fällt es leichter,<br />
da die aussortierten Gegenstände nicht<br />
im Müll landen, sondern die Chance auf ein<br />
zweites <strong>Leben</strong> haben“, so Rimmele. Das<br />
Wissen, dass man anderen Menschen<br />
mit Dingen, die man selbst nicht mehr<br />
nutzt, eine Freude bereiten kann,<br />
helfe oft beim Loslassen, erzählt<br />
Rimmele.<br />
INNERER UND ÄUSSERER BALLAST<br />
Bei ihrer Entrümpelungsberatung hat die<br />
Diplom-Sozialarbeiterin festgestellt, dass der<br />
Wunsch nach mehr Leichtigkeit im <strong>Leben</strong><br />
nicht nur mit äußerem Ballast in Form von<br />
Dingen und Gegenständen zusammenhängt,<br />
sondern in den meisten Fällen auch mit innerem,<br />
emotionalem Ballast verbunden ist. „Menschen<br />
leiden an Beziehungen, die missglückt<br />
FOTOS: ISTOCK_ NUTHAWUT SOMSUK; CHRISTIANE HAID<br />
Seins<br />
Als Entrümpelungsberaterin hilft Gabi Rimmele dabei,<br />
Belastendes loszuwerden. Oft geht es dabei nicht<br />
nur um Materielles, sondern auch um emotionalen<br />
Ballast. In GESUND & LEBEN gibt die Expertin Tipps,<br />
wie das innere und äußere Loslassen gelingt.<br />
sind, fühlen sich<br />
erdrückt unter<br />
dem Gewicht<br />
der Pflichten,<br />
die sie sich<br />
regelmäßig aufladen, leiden an ihrem<br />
inneren Kritiker, der kein gutes Haar an<br />
ihnen lässt, am eigenen übersteigerten<br />
Perfektionismus oder unter unerreichten<br />
<strong>Leben</strong>szielen“, nennt Rimmele die häufigsten<br />
Probleme. „In meinen Beratungen<br />
finden daher immer zwei Aspekte Berücksichtigung:<br />
zum einen das praktische Einüben<br />
des Loslassens und Aussortierens<br />
und zum anderen der emotionale Hintergrund.“<br />
Ihre Erfahrungen hat die Entrümpelungsberaterin<br />
in ihrem Ratgeber „Mit Leichtigkeit zur <strong>Leben</strong>sfreude“<br />
festgehalten. Darin gibt sie einerseits praktische Tipps rund<br />
um das Loslassen von Besitz, beleuchtet aber auch, wie<br />
emotionale Themen, die Ratsuchende belasten, aufgearbeitet<br />
werden können, um wieder Platz für Leichtigkeit und<br />
<strong>Leben</strong>sfreude zu schaffen.<br />
BESITZ BELASTET<br />
Wer kennt es nicht – der Wohnraum wird immer kleiner,<br />
weil sich im Laufe der Zeit immer mehr Dinge anhäufen.<br />
„Gerade in unserer Konsumgesellschaft, in der an jeder<br />
Ecke das nächste günstige Schnäppchen wartet, werden<br />
wir tagtäglich verführt, mehr zu kaufen – und auch mehr<br />
haben zu wollen“, so Rimmele. „Das <strong>Leben</strong> leichter zu<br />
gestalten, beginnt daher bereits im Konsumverhalten“,<br />
so die Expertin, die rät, Kaufentscheidungen wohl zu<br />
überlegen und Spontankäufe zu vermeiden. „Fragen Sie<br />
sich immer: Bereichert dieser Gegenstand mein <strong>Leben</strong>?<br />
Wenn die Antwort nein lautet oder Sie nicht völlig überzeugt<br />
sind, kaufen Sie ihn nicht.“ Im zweiten Schritt gehe<br />
es darum, jenes Zuviel loszuwerden, das belastet. „Vielen<br />
Gabi Rimmele, Diplom-Sozialarbeiterin<br />
fällt das jedoch aus der Angst heraus schwer, etwas unwiederbringlich<br />
zu verlieren oder später zu vermissen“, weiß<br />
Rimmele. „Damit diese Angst nicht jeden Versuch des Aussortierens<br />
schon im Keim erstickt, befassen Sie sich auch<br />
mit dem Gegenpol des Loslassens und überlegen Sie, was<br />
unbedingt bleiben soll – Gegenstände, die oft und gerne<br />
benutzt werden, Freude bereiten und zufrieden machen.“<br />
Oft erkenne man bei dieser Auseinandersetzung schon,<br />
dass dies gar nicht so viele Dinge betrifft wie gedacht. Drittens<br />
rät die Beraterin dazu, kleine schaffbare Zwischenziele<br />
zu setzen – also etwa nicht gleich ein ganzes Zimmer<br />
zu entrümpeln, sondern zuerst nur diverse Schubladen.<br />
„Manchmal hilft es auch, den Rat einer Freundin hinzuzuziehen,<br />
die eine neutralere Perspektive einnehmen kann“,<br />
so die Expertin.<br />
DIE EIGENEN BEDÜRFNISSE WAHRNEHMEN<br />
Häufig begegnet Rimmele in ihren Beratungen zum Thema<br />
Loslassen Menschen mit ausgeprägtem Pflichtbewusstsein<br />
– und das ist kein Zufall. „Oft entsteht dieses übersteigerte<br />
Pflichtgefühl bereits in der Kindheit – zum Beispiel<br />
bei Menschen, die als ältestes Geschwisterkind bereits in<br />
„In meinen Beratungen finden immer zwei Aspekte Berücksichtigung:<br />
zum einen das praktische Einüben des Loslassens und Aussortierens<br />
und zum anderen der emotionale Hintergrund.“<br />
20 GESUND & LEBEN <strong>10</strong>/22<br />
21