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Gesund & Leben 2022 / 10

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BALLAST LOS WERDEN<br />

Die Leichtigkeit des<br />

Es herrscht geschäftiger Trubel rund um einen<br />

kleinen, ehemaligen Paketwagen auf einem<br />

Berliner Wochenmarkt am Prenzlauer Berg.<br />

Menschen kommen und gehen, stöbern,<br />

suchen und finden – und immer wieder ertönen Ausrufe<br />

des Glücks. Dann nämlich, wenn die Besucherinnen<br />

und Besucher in dem großen Sammelsurium aus<br />

diversen Gegenständen, Büchern, Kleidungsstücken<br />

und Co etwas entdecken, das ihnen Freude bereitet.<br />

Was klingt wie ein Flohmarkt, nennt sich Tauschmobil<br />

und bietet seine Schätze ganz kostenlos<br />

zur Mitnahme an. „Ich nenne es einen<br />

Schenkladen auf Rädern“, lacht Gründerin<br />

Gabi Rimmele. Die Diplom-Sozialarbeiterin<br />

begleitet als Entrümpelungsberaterin<br />

seit einem Jahrzehnt Menschen bei ihrem Prozess<br />

des Loslassens und auf der Suche nach Leichtigkeit.<br />

Und bietet mit dem Tauschmobil gleich einen Ort an, an<br />

dem das Loslassen in der Praxis einfach und unbürokratisch<br />

geübt werden kann. „Viele Menschen,<br />

die bei mir Beratung suchen, kommen mit<br />

dem Wunsch zu mir, sich von äußerem Ballast<br />

zu befreien, tun sich dann aber schwer<br />

damit, Dinge wirklich wegzugeben“, erklärt<br />

die Expertin. „Im Tauschmobil fällt es leichter,<br />

da die aussortierten Gegenstände nicht<br />

im Müll landen, sondern die Chance auf ein<br />

zweites <strong>Leben</strong> haben“, so Rimmele. Das<br />

Wissen, dass man anderen Menschen<br />

mit Dingen, die man selbst nicht mehr<br />

nutzt, eine Freude bereiten kann,<br />

helfe oft beim Loslassen, erzählt<br />

Rimmele.<br />

INNERER UND ÄUSSERER BALLAST<br />

Bei ihrer Entrümpelungsberatung hat die<br />

Diplom-Sozialarbeiterin festgestellt, dass der<br />

Wunsch nach mehr Leichtigkeit im <strong>Leben</strong><br />

nicht nur mit äußerem Ballast in Form von<br />

Dingen und Gegenständen zusammenhängt,<br />

sondern in den meisten Fällen auch mit innerem,<br />

emotionalem Ballast verbunden ist. „Menschen<br />

leiden an Beziehungen, die missglückt<br />

FOTOS: ISTOCK_ NUTHAWUT SOMSUK; CHRISTIANE HAID<br />

Seins<br />

Als Entrümpelungsberaterin hilft Gabi Rimmele dabei,<br />

Belastendes loszuwerden. Oft geht es dabei nicht<br />

nur um Materielles, sondern auch um emotionalen<br />

Ballast. In GESUND & LEBEN gibt die Expertin Tipps,<br />

wie das innere und äußere Loslassen gelingt.<br />

sind, fühlen sich<br />

erdrückt unter<br />

dem Gewicht<br />

der Pflichten,<br />

die sie sich<br />

regelmäßig aufladen, leiden an ihrem<br />

inneren Kritiker, der kein gutes Haar an<br />

ihnen lässt, am eigenen übersteigerten<br />

Perfektionismus oder unter unerreichten<br />

<strong>Leben</strong>szielen“, nennt Rimmele die häufigsten<br />

Probleme. „In meinen Beratungen<br />

finden daher immer zwei Aspekte Berücksichtigung:<br />

zum einen das praktische Einüben<br />

des Loslassens und Aussortierens<br />

und zum anderen der emotionale Hintergrund.“<br />

Ihre Erfahrungen hat die Entrümpelungsberaterin<br />

in ihrem Ratgeber „Mit Leichtigkeit zur <strong>Leben</strong>sfreude“<br />

festgehalten. Darin gibt sie einerseits praktische Tipps rund<br />

um das Loslassen von Besitz, beleuchtet aber auch, wie<br />

emotionale Themen, die Ratsuchende belasten, aufgearbeitet<br />

werden können, um wieder Platz für Leichtigkeit und<br />

<strong>Leben</strong>sfreude zu schaffen.<br />

BESITZ BELASTET<br />

Wer kennt es nicht – der Wohnraum wird immer kleiner,<br />

weil sich im Laufe der Zeit immer mehr Dinge anhäufen.<br />

„Gerade in unserer Konsumgesellschaft, in der an jeder<br />

Ecke das nächste günstige Schnäppchen wartet, werden<br />

wir tagtäglich verführt, mehr zu kaufen – und auch mehr<br />

haben zu wollen“, so Rimmele. „Das <strong>Leben</strong> leichter zu<br />

gestalten, beginnt daher bereits im Konsumverhalten“,<br />

so die Expertin, die rät, Kaufentscheidungen wohl zu<br />

überlegen und Spontankäufe zu vermeiden. „Fragen Sie<br />

sich immer: Bereichert dieser Gegenstand mein <strong>Leben</strong>?<br />

Wenn die Antwort nein lautet oder Sie nicht völlig überzeugt<br />

sind, kaufen Sie ihn nicht.“ Im zweiten Schritt gehe<br />

es darum, jenes Zuviel loszuwerden, das belastet. „Vielen<br />

Gabi Rimmele, Diplom-Sozialarbeiterin<br />

fällt das jedoch aus der Angst heraus schwer, etwas unwiederbringlich<br />

zu verlieren oder später zu vermissen“, weiß<br />

Rimmele. „Damit diese Angst nicht jeden Versuch des Aussortierens<br />

schon im Keim erstickt, befassen Sie sich auch<br />

mit dem Gegenpol des Loslassens und überlegen Sie, was<br />

unbedingt bleiben soll – Gegenstände, die oft und gerne<br />

benutzt werden, Freude bereiten und zufrieden machen.“<br />

Oft erkenne man bei dieser Auseinandersetzung schon,<br />

dass dies gar nicht so viele Dinge betrifft wie gedacht. Drittens<br />

rät die Beraterin dazu, kleine schaffbare Zwischenziele<br />

zu setzen – also etwa nicht gleich ein ganzes Zimmer<br />

zu entrümpeln, sondern zuerst nur diverse Schubladen.<br />

„Manchmal hilft es auch, den Rat einer Freundin hinzuzuziehen,<br />

die eine neutralere Perspektive einnehmen kann“,<br />

so die Expertin.<br />

DIE EIGENEN BEDÜRFNISSE WAHRNEHMEN<br />

Häufig begegnet Rimmele in ihren Beratungen zum Thema<br />

Loslassen Menschen mit ausgeprägtem Pflichtbewusstsein<br />

– und das ist kein Zufall. „Oft entsteht dieses übersteigerte<br />

Pflichtgefühl bereits in der Kindheit – zum Beispiel<br />

bei Menschen, die als ältestes Geschwisterkind bereits in<br />

„In meinen Beratungen finden immer zwei Aspekte Berücksichtigung:<br />

zum einen das praktische Einüben des Loslassens und Aussortierens<br />

und zum anderen der emotionale Hintergrund.“<br />

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