Anwaltsblatt 2008/01 - Österreichischer Rechtsanwaltskammertag
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Recht kurz & bündig<br />
Diese Ausgabe von<br />
„Recht kurz & bündig“<br />
entstand unter<br />
Mitwirkung von<br />
Dr. Manfred Ainedter,<br />
Dr. Harald Bisanz und<br />
Dr. Ullrich Saurer.<br />
10<br />
" § 15 a GmbHG:<br />
Bestellung eines Notgeschäftsführers<br />
Die Weigerung des Alleingesellschafters, einzelne<br />
und konkrete Geschäftsführungsakte vorzunehmen,<br />
stellt keinen Grund für die Bestellung eines<br />
Notgeschäftsführers dar. Verweigert der Geschäftsführer<br />
die Anmeldung eines Gesellschafterwechsels,<br />
so hat der neue Gesellschafter seine Ansprüche<br />
im Streitverfahren durchzusetzen.<br />
OGH 20. 1. 2006, 6 Ob 10/06 y, RdW 2006/408<br />
= ecolex 2006/170 = wbl 2006/129 = GBU 2006/<br />
05/<strong>01</strong>.<br />
" § 215 AktG; § 93 GmbHG; § 40 FBG:<br />
Fortsetzung einer gelöschten Gesellschaft<br />
Auch eine aufgelöste GmbH kann analog § 215<br />
AktG so lange fortgesetzt werden, als die GmbH<br />
noch nicht beendet ist und noch nicht mit der Vermögensverteilung<br />
begonnen wurde. Wurde die<br />
GmbH nach Vermögensverteilung gelöscht oder<br />
war nichts zu verteilen, dann kann die GmbH nach<br />
Löschung nicht mehr im Zuge einer Nachtragsliquidation<br />
fortgesetzt werden.<br />
OGH 26. 1. 2006, 6 Ob 216/05 s, RdW 2006/409<br />
(LS) = ecolex 2006/174 = wbl 2006/130 = GBU<br />
2006/05/02 = NZ 2006, G 30 = ZIK 2006/229.<br />
" §§ 3, 9, 27, 33, 39 PSG:<br />
Treuepflicht von Stiftern<br />
Unter Mitstiftern besteht grundsätzlich eine<br />
wechselseitige Treuepflicht; deren Inhalt und<br />
Grenzen richten sich nach dem Stiftungszweck und<br />
den den Stiftern zustehenden Einwirkungsmöglichkeiten.<br />
Aus dieser kann sich im Einzelfall die Pflicht<br />
zur Änderung der Stiftungserklärung ergeben.<br />
OGH 9. 3. 2006, 6 Ob 166/05 p, ZfS 2006, 76 =<br />
RdW 2006/411 = ecolex 2006/440 = JBl 2006, 521<br />
= NZ 2006, G 42 = GesRZ 2006, 203.<br />
(Der Entscheidung des OGH lag eine besondere Konstellation<br />
zugrunde: Die Stifter haben sich in Bezug auf die<br />
Stiftungserklärung das Änderungsrecht vorbehalten, das<br />
zu Lebzeiten beider Stifter von diesen nur gemeinsam<br />
ausgeübt werden kann. Die Stifter haben sich ferner das<br />
Recht vorbehalten, selbst oder durch den Stiftungsvorstand<br />
weitere Organe, beispielsweise einen Beirat, zu bestellen.<br />
In der Stiftungszusatzurkunde wurde ein Abschnitt „Beirat“<br />
vorgesehen mit Bestimmungen, die Anwendung finden<br />
sollen, wenn die Stifter oder der Stiftungsvorstand einen<br />
Beirat bestellen. Ein solcher Beirat wurde von den<br />
Stiftern auch tatsächlich bestellt. Da der Beirat aber nur<br />
in der Stiftungszusatzurkunde näher festgelegt wurde,<br />
handelt es sich nach der Entscheidung des OGH vom<br />
31. 1. 2002, 6 Ob 305/<strong>01</strong> y, um ein „geheimes“ Gremium,<br />
dem keine Organstellung im Sinne des § 14 Abs 2<br />
PSG zukommt. Ein Stifter begehrte daraufhin die Aufnahme<br />
des Beirats in die Stiftungsurkunde. Der OGH<br />
gab der Klage statt. Er begründete dies damit, dass Treuepflichten<br />
unter den Stiftern jedenfalls dann bestehen, wenn<br />
sich diese nicht nur die Möglichkeit zur nachträglichen<br />
Änderung der Stiftungserklärung sondern auch umfangreiche<br />
weitere Rechte, wie die Bestimmung des Begünstigtenkreises,<br />
die Bestellung und Abberufung der Mitglieder<br />
des Stiftungsvorstands, das Vorschlagsrecht für die Mitglieder<br />
des Aufsichtsrats und den Stiftungsprüfer sowie<br />
die Einrichtung weiterer Organe vorbehalten haben.<br />
Durch die Regelung bloß in der Stiftungszusatzurkunde<br />
wurde der von den Parteien verfolgte Zweck [Schaffung<br />
eines Beirats mit Organqualität] jedoch nicht erreicht.<br />
Der beklagte Mitstifter durfte daher nach Ansicht des<br />
OGH seine Zustimmung zu der vom klagenden Mitstifter<br />
begehrten Aufnahme der Regelungen über den Beirat<br />
in die Stiftungsurkunde, die zu Erlangung von dessen Organqualität<br />
iSd § 27 PSG erforderlich war, nicht ohne<br />
triftigen Grund verweigern. Saurer.)<br />
" Tatsachensubstrat bei Schuldfragen:<br />
§ 127 StGB (§ 146 StGB)<br />
Führt eine Täuschung nur zur Gewahrsamslockerung,<br />
nicht aber zur Begründung von Alleingewahrsam<br />
an der Sache, wird also der Gewahrsamsbruch<br />
erst durch eine nachfolgende Handlung des Täters<br />
bewirkt, liegt nicht Betrug, sondern („listig vorbereiteter“<br />
oder „listig verdeckter“) Diebstahl vor.<br />
§ 312 Abs 1 StPO (§§ 314 Abs 1, 316, 345 Abs 1 Z 6,<br />
11 lit a und 12 StPO)<br />
Enthalten die an die Geschworenen gerichteten<br />
Schuldfragen kein hinreichend deutlich subsumtionstaugliches<br />
historisches Geschehen, kann das U<br />
erfolgreich mit Fragenrüge angefochten werden. Zudem<br />
können Rechtsfehler infolge solcherart fehlender<br />
Feststellungen nach Maßgabe von Rechts- und<br />
Subsumtionsrüge aufgegriffen werden.<br />
§ 390 a Abs 1 StPO (§ 389 Abs 2 StPO)<br />
Amtswegiges Einschreiten des OGH zieht keine<br />
Kostenersatzpflicht nach sich. Eine etwaige Kostenseparation<br />
kommt dem ErstG zu.<br />
OGH 10. 10. 2006, 14 Os 103/06 p (LGSt Wien<br />
442 Hv 3/06 t), EvBl 2007/24.<br />
" § 46 Abs 3 StPO, § 207 Abs 2 StPO, § 451 Abs 1<br />
StPO<br />
Unter den „sonst zur Aufrechterhaltung der Anklage<br />
erforderlichen Anträgen“ iSd § 46 Abs 3 StPO sind<br />
nur solche nach §§ 112 Abs 2, 211, 261 Abs 2, 263<br />
Abs 4 und 315 Abs 1 StPO zu verstehen. Aus einem<br />
Verstoß gegen die Formvorschrift des § 451 Abs 1<br />
zweiter Satz StPO iVm § 207 Abs 2 Z 3 und Z 4<br />
StPO ist die Vermutung des Verfolgungsrücktritts<br />
des Privatanklägers gem § 46 Abs 3 StPO nicht abzuleiten.<br />
OGH 14. 6. 2006, 13 Os 30/06 w (RS<strong>01</strong>20889);<br />
RZ 2007, EÜ 36.<br />
Österreichisches <strong>Anwaltsblatt</strong> <strong>2008</strong>/<strong>01</strong>