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Anwaltsblatt 2008/01 - Österreichischer Rechtsanwaltskammertag

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Rechtsprechung<br />

34<br />

Anmerkungen zum Beschluss 4 Ob 98/07 a des OGH<br />

1. Sachverhalt und Entscheidung<br />

Gegenstand des Beschlusses 4 Ob 98/07 a des OGH vom<br />

4. 9. 2007 war eine von einem Fachverband der Branche<br />

Beton- und Fertigteilwerke gemeinsam mit einem anderen<br />

Verband herausgegebene Presseaussendung, die<br />

unter Berufung auf die Präsentation einer Studie zu<br />

Schneedruckschäden mit dem Schlagwort „Beton ist<br />

bei Tragkonstruktionen am sichersten“ versehen war.<br />

In dieser Presseaussendung wurden die tragischen<br />

Halleneinstürze in Bad Reichenhall und Kattowitz<br />

zum Anlass genommen, auf das Einsturzrisiko von Hallenkonstruktionen<br />

hinzuweisen und Tragkonstruktionen<br />

aus Beton als besonders stabil darzustellen. Im<br />

Anschluss an eine Passage, in der eine Untersuchung<br />

an 86 Schadensfällen durch Schneedruck (Einsturz<br />

von 14 Holz-, 9 Stahlhallen und 1 Betonhalle) die Tragkonstruktionen<br />

der von der Untersuchung umfassten<br />

beschädigten Hallen angeführt wurden, wurde der Verbandsvorsitzende<br />

wie folgt zitiert:<br />

„Dieses Ergebnis zeigt deutlich, dass der anhaltende<br />

Trend zur ,Unterdimensionierung ,<br />

bei Holz- und<br />

Stahltragwerken fatale Folgen haben kann. Ich sehe einen<br />

dringenden Handlungsbedarf, die Dimensionierungsvorschriften<br />

dieser beiden Materialgruppen zu<br />

überdenken. Die gesamte Baustoffindustrie muss hier<br />

in die Pflicht genommen werden. Es kann nicht sein,<br />

dass die Verantwortung auf Bauherrn, Architekten, Statiker<br />

oder gar den Hausmeister abgeschoben wird. Die<br />

Betonindustrie hat diese Hausaufgaben schon gemacht:<br />

Die Regelwerke für Beton sind durchwegs strenger als<br />

bei anderen Baustoffen.“<br />

Nachdem im Rekursverfahren dem Unterlassungsbegehren<br />

des klagenden Fachverbands aus dem Bereich<br />

der Holzindustrie unter Hinweis auf die Unklarheitenregel<br />

stattgegeben wurde, gelangte der OGH im Zuge<br />

eines von dem Beklagten angestrengten (außerordentlichen)<br />

Revisionsrekursverfahrens zu einem gegenteiligen<br />

Ergebnis. Bemerkenswert an der Begründung ist<br />

insb, dass der OGH bei wettbewerbsrechtlichen Äußerungen<br />

die Unklarheitenregel am Grundrecht der Meinungsfreiheit<br />

misst: Sofern ein Mitbewerber an einer<br />

Debatte teilnimmt, die öffentliche Interessen betrifft,<br />

habe die Freiheit der Meinungsäußerung bei der wettbewerbsrechtlichen<br />

Beurteilung seiner Aussagen ein<br />

höheres Gewicht als bei rein unternehmensbezogenen<br />

Äußerungen, wobei insb die Bedeutung des Themas,<br />

zu der die Äußerungen erfolgte, zu berücksichtigen sei:<br />

Je größer das Informationsinteresse der Öffentlichkeit<br />

und je weniger die Wettbewerbsabsicht des Äußernden<br />

im Vordergrund stehe, desto eher werde die Äußerung<br />

zulässig sein.<br />

2. Anwendung der Unklarheitenregel<br />

Fraglich scheint zunächst überhaupt die Anwendung<br />

der Unklarheitenregel. Die Äußerung eines Verbands<br />

aus dem Bereich <strong>Österreichischer</strong> Beton- und Fertigteilwerke<br />

in einer Presseaussendung, „Holz- und Stahlkonstruktionen<br />

würden ‚unterdimensioniert ,<br />

mit einem<br />

Kostenvorteil gegenüber Beton gebaut“ werden, erscheint<br />

für sich allein genommen im Hinblick auf die<br />

bislang ergangene Rsp zum Systemvergleich als unzulässig.<br />

1)<br />

Wenngleich auch nach der Rsp der Gesamtzusammenhang,<br />

in dem die Äußerungen gemacht wurden,<br />

zu berücksichtigen ist, 2) kann dies zu keinem anderen<br />

Ergebnis führen. Insb ergibt sich aus dem, unmittelbar<br />

nach der beanstandeten der Aussage, abgedruckten Satz<br />

„Ich sehe einen dringenden Handlungsbedarf, die Dimensionierungsvorschriften<br />

dieser beider Materialgruppen<br />

(gemeint Holz- und Stahlkonstruktionen) dieser<br />

beiden Materialgruppen zu überdenken“ nicht, dass<br />

sich die Kritik des Beklagten gegen (angeblich) unzureichende<br />

Normen für Holztragwerke richtet (die einen<br />

Kosten- und damit Wettbewerbsvorteil ermöglichen),<br />

vielmehr wird der unbefangene Durchschnittsbetrachter<br />

den Inhalt der Kritik unmittelbar auf die<br />

holzverarbeitende Industrie als solche beziehen: Die<br />

Presseaussendung war mit dem Schlagwort „Beton ist<br />

bei Tragkonstruktionen am sichersten“ versehen, die<br />

beanstandete Äußerung folgt im Anschluss an eine Passage,<br />

in der eine Untersuchung von 86 Schadensfällen<br />

durch Schneedruck die Tragkonstruktion der von der<br />

Untersuchung umfassten beschädigten Hallen angeführt<br />

wurden. Die inkriminierte Aussage kann von<br />

den angesprochenen Verkehrskreisen daher nur so verstanden<br />

werden, dass bei Holztragwerken ein Trend zu<br />

mangelhaften bzw fehlerhaften Tragwerken, also unterdimensionierten<br />

Tragwerken, besteht und darüber hinaus<br />

anhält, also derartige Unterdimensionierungen<br />

auch in Zukunft erfolgen werden.<br />

Daran ändert sich auch nichts, dass das Wort „Unterdimensionierung“<br />

unter Anführungszeichen gesetzt<br />

wird, zumal dies allenfalls so verstanden werden kann,<br />

dass es sich um einen plastisch, aber nicht technisch<br />

verwendeten Terminus handelt, der jedoch sprachlich<br />

zum Ausdruck bringt, dass etwas so gemacht ist, dass<br />

es den gestellten Anforderungen nicht gerecht werden<br />

kann.<br />

Ist der Sinngehalt der beanstandeten Tatsachenmitteilung<br />

nach dem Verständnis des unbefangenen<br />

Durchschnittsbetrachters in einer bestimmten Richtung<br />

klar, so kann schon aus diesem Grund die Anwen-<br />

1) Siehe zB OGH 19. 8. 2003, 4 Ob 157/03 x, wbl 2004/13 (Vergleich<br />

von Monatshygieneartikel mittels Darstellung heftiger „stage diving“-Aktivitäten<br />

einer Sängerin auf den Händen des Publikums<br />

und dem darauffolgenden Werbespruch: „Ein sicheres Gefühl an Ihren<br />

Tagen ist keine Frage des Zufalls. Stellen Sie sich vor, sie hätte<br />

eine Binde benutzt und nicht den neuen o.b.“, zumal hierdurch andere<br />

Formen der Monatshygiene pauschal herabgesetzt werden).<br />

2) Siehe zB OGH SZ 68/177 (zu § 7 UWG) und hierzu Duursma in<br />

Gumpoldsberger/Baumann §7UWGRz8.<br />

Österreichisches <strong>Anwaltsblatt</strong> <strong>2008</strong>/<strong>01</strong>

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