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Anwaltsblatt 2008/01 - Österreichischer Rechtsanwaltskammertag

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Disziplinarrecht<br />

§ 10 RAO – Doppelvertretung<br />

Die Vertretung eines Organs einer Gesellschaft auf Kosten dieser und die nachfolgende Vertretung<br />

des Organs gegen die Gesellschaft ist disziplinär.<br />

OBDK 8. 10. 2007, 16 Bkd 2/07<br />

Aus den Gründen:<br />

Nach gefestigter standesrechtlicher Rsp liegt eine echte<br />

Doppelvertretung nicht allein im Einschreiten aufgrund<br />

einer Vollmacht, sondern in jeder anwaltlichen<br />

Tätigkeit zunächst für und dann gegen den früheren<br />

Klienten (AnwBl 1993, 100, AnwBl 20<strong>01</strong>, 214). Sowohl<br />

die „eigentliche“ Doppelvertretung, bei welcher der<br />

Anwalt beide Teile im nämlichen Rechtsstreit vertritt<br />

oder ihnen auch nur einen Rat erteilt (§ 10 Abs 1 zweiter<br />

Satz RAO), wie auch die „uneigentliche“ Doppelvertretung,<br />

bei der der Anwalt eine Partei vertritt oder<br />

berät, nachdem er die Gegenpartei in derselben oder<br />

der damit zusammenhängenden Sache vertreten oder<br />

beraten hatte (§ 10 Abs 1 erster Satz RAO), stellt den<br />

Kollisionstatbestand der echten Doppelvertretung dar<br />

(AnwBl 1998, 697).<br />

Es kommt daher zunächst darauf an, ob die Beratungstätigkeit,<br />

die der DB Dr. A gegenüber F entwickelte,<br />

dieselbe Sache betraf wie der Zivilprozess 21 Cg<br />

232/05 k des LG Y oder zumindest eine mit diesem Zivilprozess<br />

zusammenhängende Sache. Der DR geht in<br />

seinem Erk zwar offensichtlich davon aus, dass diese<br />

Voraussetzung vorliegt, trifft aber – insb über das Prozessthema<br />

im Verfahren 21 Cg 232/05 k – nur unzureichend<br />

konkrete Feststellungen.<br />

Aus dem Akt 21 Cg 232/05 k LG Y stellt der erk Senat<br />

daher ergänzend fest, dass die G-AG in ihrer Klage,<br />

soweit sie sich gegen die ehemaligen Vorstandsmitglieder<br />

H und K richtet, die Bezahlung der im Erk festgestellten<br />

Beträge mit der Begründung begehrt, diese Beträge<br />

seien als Abfertigungszahlungen zu Unrecht an<br />

die ausgeschiedenen Vorstandsmitglieder geleistet worden.<br />

Unter Berücksichtigung dieser ergänzenden Feststellung<br />

besteht jedenfalls ein materieller Zusammenhang<br />

zwischen dem Inhalt der Beratungstätigkeit des<br />

Disziplinarbeschuldigten Dr. A und dem Thema des<br />

Zivilprozesses, weil die Beratungstätigkeit des DB Dr.<br />

A, wie der DR festgestellt hat, die mit den Vorstandsmitgliedern<br />

K und H zu treffende Auflösungsvereinbarung<br />

betraf.<br />

Die DB reklamieren in der Berufung, dass die Berufungswerber<br />

(konkret gemeint: Dr. A) eine anwaltliche<br />

Tätigkeit für die G-AG nicht erbracht hätten, weil F<br />

Dr. A um eine persönliche Beratung ersucht habe. Es<br />

sei in der anwaltlichen Praxis durchaus üblich und jedenfalls<br />

zulässig, dass einzelne Aufsichtsratsmitglieder<br />

persönlichen Rechtsbeistand in Anspruch nehmen; dies<br />

führe nicht zu einem Vertretungsverhältnis des persön-<br />

Österreichisches <strong>Anwaltsblatt</strong> <strong>2008</strong>/<strong>01</strong><br />

lichen Rechtsbeistandes eines Aufsichtsratsmitglieds zu<br />

der in Frage stehenden Aktiengesellschaft. Diese Argumentation<br />

übersieht zunächst, dass F, wie der DB Dr. A<br />

in seiner Verantwortung in der DisVerhandlung am<br />

12. 12. 2006 dargestellt hat, nicht „irgendein“ Aufsichtsratsmitglied<br />

war, sondern dass er zum damaligen<br />

Zeitpunkt die Funktion des Aufsichtsratsvorsitzenden<br />

ausgeübt hat. Er war also derjenige, der gem den aktienrechtlichen<br />

Bestimmungen federführend namens der<br />

G-AG mit den Vorstandsmitgliedern über deren dienstrechtliche<br />

Angelegenheiten zu verhandeln hatte. Daraus<br />

folgt, dass F nicht aus privatem Interesse die persönliche<br />

Beratung in Anspruch nahm, sondern aufgrund<br />

seiner Aufgaben als Aufsichtsratsvorsitzender. Spätestens<br />

zu diesem Zeitpunkt, zu dem F den DB Dr. A aufforderte,<br />

seine Honorarnoten an die G-AG zu adressieren,<br />

musste Dr. A bewusst geworden sein, dass seine Beratungstätigkeit<br />

im Interesse der G-AG geschah, zumal<br />

diese Ges sodann auch die Honorarnoten bezahlt hat.<br />

Ob dem DB Dr. A eine formelle Bevollmächtigung seitens<br />

der G-AG vorlag, ist ohne Bedeutung (vgl AnwBl<br />

20<strong>01</strong>, 214). Der DB Dr. A ist über Beauftragung eines<br />

zuständigen Organs der G-AG tätig geworden und<br />

wurde hiefür auch von dieser Ges honoriert.<br />

Richtig hat der DR erkannt, dass immer die Kanzleigemeinschaft,<br />

nicht der einzelne RA Bezugspunkt bei<br />

der Doppelvertretung ist (AnwBl 2004, 253). Aus den<br />

Wesensmerkmalen einer zur Ausübung der RAschaft<br />

gegründeten Ges bürgerlichen Rechts ergibt sich, dass<br />

die Standesvorschriften nicht nur auf jedes einzelne<br />

Mitglied allein, sondern auch auf die Gesamtheit der<br />

Mitglieder der Kanzleigemeinschaft anzuwenden sind,<br />

soweit nicht konkrete Gründe begrifflich dagegen sprechen.<br />

Standesrechtlich kommt es nicht darauf an, welcher<br />

als Gesellschaftsmitglied tätige RA einen bestimmten<br />

Klienten beraten oder vertreten hat; auch andere<br />

Mitglieder der Ges sind standesrechtlich gehindert, gegen<br />

diesen Klienten einen Dritten zu vertreten, wenn<br />

die Rechtssache „eine damit zusammenhängende Sache“<br />

iSd § 10 RAO ist. Die Treuepflicht des RA gegenüber<br />

seinem Klienten wirkt über die Beendigung des<br />

Mandatsverhältnisses hinaus, gilt also auch für die Zeit<br />

danach (AnwBl 1994, 126, weiters 9 Bkd 4/02, zitiert<br />

in Feil/Wennig, Anwaltsrecht 4 als E 499 c zu § 1 DSt).<br />

Der DB Mag. B als Kanzleipartner des Dr. A durfte daher<br />

die Vertretung des F nicht übernehmen.<br />

Die Berufungswerber argumentieren weiters, wenn<br />

schon eine Doppelvertretung anzunehmen wäre, könne<br />

Rechtsprechung<br />

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