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DB 1-23 ePaper

Dental Barometer Fachzeitschrift für Zahnmedizin und Zahntechnik

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44 PARODONTOLOGIE<br />

Alzheimer interprofessionell<br />

vorbeugen und behandeln<br />

Die Alzheimer-Erkrankung wird in den kommenden Jahren eine immer größer werdende Rolle in<br />

der zahnmedizinischen Versorgung erkrankter und meist pflegebedürftiger Menschen einnehmen.<br />

Im folgenden Interview spricht Prof. Dr. habil. Marcus Grimm, Studiengangsleiter im Bachelor-<br />

Studiengang Ernährungstherapie und -beratung am Campus Rheinland in Leverkusen der<br />

SRH Hochschule für Gesundheit über das interprofessionelle SHIELD-Konsortium.<br />

Interview mit Prof. Dr. habil. Marcus Grimm<br />

Die Alzheimer-Erkrankung stellt<br />

in der westlichen Bevölkerung<br />

eine große Herausforderung<br />

dar. Mit welchen sozioökonomischen<br />

Problemen müssen wir in<br />

den kommenden Jahren rechnen?<br />

PROF. DR. HABIL. MARCUS GRIMM<br />

Die Alzheimer-Erkrankung ist in<br />

der westlichen Bevölkerung die<br />

häufigste Form der dementiellen Erkrankungen. Die Wahrscheinlichkeit,<br />

an Alzheimer zu erkranken, steigt stark mit<br />

zunehmendem Alter an. Je nach Studienlage rechnet man<br />

mit einer Verdopplung der Wahrscheinlichkeit pro Lebensjahrzehnt<br />

ab dem 60. Lebensjahr. Auf Grund der demographischen<br />

Entwicklung und der damit verbundenen steigenden<br />

durchschnittlichen Lebenserwartung ist daher mit<br />

einem massiven Anstieg der Alzheimer-Erkrankten zu rechnen.<br />

Bis zum Jahre 2050 wird in Deutschland mit circa 2,4<br />

Millionen Alzheimer-Erkrankten gerechnet.<br />

Die Dauer der Erkrankung beträgt bei Alzheimer circa 6 bis<br />

10 Jahre und zeichnet sich insbesondere im späten Krankheitsverlauf<br />

durch eine intensive Pflege- und Betreuungsabhängigkeit<br />

der Betroffenen aus. Hochrechnungen ergeben,<br />

dass diese Belastung für das Gesundheitswesen neben der<br />

enormen psychischen Belastung für die Angehörigen kaum<br />

noch finanzierbar sein wird.<br />

Wie ist der aktuelle Forschungsstand hinsichtlich<br />

Methoden der Prävention und Behandlung?<br />

Leider gibt es derzeit keine kausale Behandlung der Alzheimer-Erkrankung;<br />

mit den verfügbaren Medikamenten<br />

lassen sich lediglich für eine gewisse Zeit die Symptome<br />

der Erkrankung lindern und eine Progression, das heißt ein<br />

Voranschreiten der Erkrankung, verzögern. Auch Antikörper-basierte<br />

Ansätze zeigen bisher nicht den gewünschten<br />

Behandlungserfolg. Umso wichtiger ist es, präventive<br />

Maßnahmen für die Alzheimer-Erkrankung zu entwickeln<br />

oder über medikamentöse und nicht-medikamentöse Maßnahmen<br />

den Krankheitsverlauf zu stoppen oder zumindest<br />

deutlich abzumildern. Obwohl noch keine hinreichende<br />

Therapie der Alzheimer-Erkrankung existiert, sind die<br />

molekularen Mechanismen, die zur Alzheimer-Erkrankung<br />

führen, mittlerweile relativ gut erforscht. Man weiß heute<br />

beispielsweise, wie die Eiweißablagerungen, die sogenannten<br />

Plaques, im Gehirn entstehen. Hierbei zeigt sich, dass<br />

die ersten pathologischen Veränderungen bereits mehrere<br />

Jahre vor dem Auftreten erster Symptome nachweisbar sind<br />

und die Alzheimer-Erkrankung somit eine lange präklinische<br />

Phase besitzt. Weiterhin haben aktuelle Forschungen<br />

gezeigt, dass das für die Plaquebildung verantwortliche<br />

Eiweiß, das sogenannte Aβ-Peptid, während des ganzen<br />

Lebens entsteht und ein enges Gleichgewicht zwischen Aufund<br />

Abbau dieses Eiweißes im Gehirn herrscht. Geringe<br />

Unterschiede zwischen Auf- und Abbau genügen, dass dieses<br />

empfindliche Gleichgewicht aus den Fugen gerät und es<br />

zu einer Akkumulation, das heißt Anhäufung, und damit zur<br />

Aggregation und Plaquebildung des Eiweißes kommt.<br />

Diese Erkenntnis hat direkte Konsequenz für die Behandlung<br />

und Prävention der Alzheimer-Erkrankung. Je früher<br />

man die Bildung des Eiweißes hemmt, desto geringfügiger<br />

muss der Eingriff in die Stoffwechselwege, die zur Bildung<br />

von Aβ führt, ausfallen. Heute weiß man, dass sowohl der<br />

Anabolismus und Katabolismus, das heißt der Auf- und<br />

Abbau von Aβ, über beispielsweise die Ernährung in einem<br />

Bereich beeinflussbar ist, der für die Patienten im sehr frühen<br />

Stadium oder in der Prävention messbare Vorteile mit<br />

sich bringt.<br />

Welche Faktoren zählen zu den häufigsten Ursachen<br />

der Alzheimer-Erkrankung?<br />

Bei der Alzheimer-Erkrankung ist zwischen der sporadischen<br />

und familiären Form zu unterscheiden. Bei der familiären<br />

Form, die jedoch nur wenige Prozent an Erkrankungen ausmacht,<br />

handelt es sich um Mutationen in Stoffwechselvorgängen,<br />

die zur Aβ-Bildung führen. Bei der sporadischen<br />

Form geht man von einem multifaktoriellen Krankheitsgeschehen<br />

aus. Risikofaktoren, die sich auf die Wahrscheinlich-<br />

DENTAL BAROMETER AUSGABE 1 I 20<strong>23</strong>

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