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Elbufer Rundschau: Das Sommerhochwasser 2013

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Stellen völlig abgesperrt. Auf diese Flächen durfte man<br />

nicht treten. Damit sollte verhindert werden, dass<br />

Wasser in Fontänen aus dem Boden schoss.<br />

Vielleicht am schlimmsten für mich war, dass die Rehkitze<br />

schrecklich schrien. Mein Nachbar Werner Mencke<br />

und ich haben noch versucht, Kitze aus dem Wasser<br />

rauszuholen. Eines habe ich damals nach Lüneburg<br />

gefahren, wo es mit einem Sammeltransport in eine<br />

spezielle Auffangstation gebracht wurde.“<br />

Andrea macht eine kleine Pause. „Die Situation war<br />

surreal. Es war bei uns fast wie an der See. Auf der Terrasse<br />

von Freunden haben wir in der Sonne Kaffee getrunken,<br />

hinterm Deich war die riesige Wasserfläche.“<br />

Während des Katastrophenfalls war im Dorfgemeinschaftshaus<br />

die Kommandozentrale eingerichtet. Dort<br />

gab es auch Verpflegung für die Helfer. Es existierte<br />

eine Tafel, auf der sich Freiwillige für Deichwachen eintrugen.<br />

Kontrolliert werden musste rund um die Uhr.<br />

„Wir durften immer nur zu zweit gehen. Eine Person<br />

ging auf der Deichkrone, die zweite am Deichfuß.“<br />

Wir fragen Andrea Funcke, was bei ihr am stärksten<br />

von den damaligen Ereignissen nachgewirkt hat.<br />

„Die wichtigste Erkenntnis: Die Walmsburger halten<br />

echt zusammen, wenn es drauf ankommt. Und unsere<br />

Feuerwehr ist einfach genial!<br />

Verheerend für mich war: Mein langes Heugras lag verfault<br />

auf der Wiese. Auf Anfrage bei staatlichen Stellen<br />

erhielt ich die Antwort, das sei Sondermüll, den ich<br />

kostenpflichtig selbst entsorgen müsse. Die Auskunft<br />

bedeutete riesige Unkosten für mich, denn es wurden<br />

für die Beseitigung 3000 Euro pro Tonne verlangt!<br />

Ich habe in keiner Weise Entschädigungen erhalten.<br />

Begründung: Mein Betrieb sei zu klein. <strong>Das</strong> war echt<br />

schlimm für mich.“<br />

Zum Schluss möchten wir von Andrea eine Einschätzung<br />

für künftige derartige Katastrophenfälle hören.<br />

Andrea Funcke: „<strong>Das</strong> war meine vierte Jahrhundertflut.<br />

Meine ganz persönliche Meinung ist, dass wir mit<br />

immer höheren Deichen das Problem nicht in den Griff<br />

bekommen werden. Im Gegenteil, die Menschen wiegen<br />

sich in trügerischer Sicherheit. Wir müssen wieder<br />

ganz anders wirtschaften und auch bauen. In Holland<br />

ist diese Grundsatzdiskussion schon deutlich weiter<br />

entwickelt als hier.“<br />

Chronologie der Ereignisse<br />

Quelle: Hochwasser-Abschlussbericht des Innenministeriums<br />

Niedersachsen<br />

Bis Ende Mai <strong>2013</strong>: Intensive Regenfälle in Mitteleuropa,<br />

auch in Niedersachsen.<br />

Über das Monatsende hinaus dazu großflächige,<br />

mehrtägige Niederschläge in Tschechien, so dass<br />

sich Anfang Juni die Hochwasserlage zuspitzt.<br />

4. Juni: Es findet die erste Lagebesprechung hier an<br />

der Elbe mit Hilfsorganisationen, THW, Bundeswehr<br />

und Feuerwehrverband statt. Die Bestandsaufnahme<br />

ergibt: In Neu Darchau ist kein ausreichender<br />

Hochwasserschutz für die zu erwartenden Wasserstände<br />

vorhanden • Errichtung eines Notdeiches ist<br />

notwendig • An einigen Stellen ist die Deichhöhe<br />

nicht ausreichend, so dass eine Erhöhung mit Sandsäcken<br />

erforderlich sein wird.<br />

Der Landkreis Lüchow-Dannenberg stellt am 4. Juni<br />

um 18:25 Uhr den Katastrophenfall fest. Schließung<br />

der Spundwände im Landkreis wird eingeleitet.<br />

5. Juni: Feststellung des Katastrophenfalles im<br />

Landkreis Lüneburg um 9 Uhr. Es treten Mechanismen<br />

des Niedersächsischen Katastrophenschutzgesetzes<br />

in Kraft. Maßnahmen: Helfer*innen von Hilfsorganisationen<br />

und Bundeswehr werden in Gang<br />

gesetzt • Einrichten von Sandsack-Füllstationen •<br />

Beginn der Aufkadungsarbeiten an den Deichen •<br />

Vorbereitung von Evakuierungsmaßnahmen.<br />

Im Laufe des 5. Juni wird die Hochwasservorhersage<br />

jedoch um 100 cm reduziert. Daher wird eine Evakuierung<br />

der Stadtinsel Hitzacker zurückgestellt.<br />

7. Juni: Der Notdeich in Katemin/Neu Darchau wird<br />

fertiggestellt. Anwohner der Stadtinsel Hitzacker<br />

sollen freiwillig die Wohnungen räumen.<br />

8. Juni: Es erfolgt Korrektur der heruntergestuften<br />

Hochwasserprognose von bis zu 90 cm nach oben.<br />

10. Juni: Deichbruch mit schwerwiegenden Folgen<br />

für die Menschen bei Fischbeck in Sachsen-Anhalt.<br />

Sandsacklieferungen aus Dänemark, Belgien, Niederlande<br />

und Luxemburg treffen ein. • Erste Evakuierungen<br />

in Neu Darchau.<br />

11. Juni: Erstes Stagnieren der Pegelstände • Es treten<br />

vermehrt Schadenstellen an Deichen in beiden<br />

Landkreisen auf • Aufkadungsarbeiten in Amt Neuhaus<br />

werden mit Nachdruck weitergeführt.<br />

12. Juni: Sinken der Pegelstände im Landkreis Dannenberg<br />

• Stagnieren der Pegelstände im Landkreis<br />

Lüneburg • Vermehrte Schadstellen an Deichen in<br />

beiden Landkreisen.<br />

16. Juni: Keine neuen Schadstellen • Nahezu alle<br />

überörtlichen Kräfte aus dem Einsatz entlassen.<br />

Aufhebung des Katastrophenfalles am 16. Juni:<br />

• Landkreis Lüchow-Dannenberg um 08:14 Uhr.<br />

• Landkreis Lüneburg um 12 Uhr.<br />

Fotos: Andrea Funcke (3), Gabi Wosnitza (2), Tex: H. Hoffmann<br />

<strong>Rundschau</strong><br />

Elb-Ufer Klöndör<br />

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