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Stellen völlig abgesperrt. Auf diese Flächen durfte man<br />
nicht treten. Damit sollte verhindert werden, dass<br />
Wasser in Fontänen aus dem Boden schoss.<br />
Vielleicht am schlimmsten für mich war, dass die Rehkitze<br />
schrecklich schrien. Mein Nachbar Werner Mencke<br />
und ich haben noch versucht, Kitze aus dem Wasser<br />
rauszuholen. Eines habe ich damals nach Lüneburg<br />
gefahren, wo es mit einem Sammeltransport in eine<br />
spezielle Auffangstation gebracht wurde.“<br />
Andrea macht eine kleine Pause. „Die Situation war<br />
surreal. Es war bei uns fast wie an der See. Auf der Terrasse<br />
von Freunden haben wir in der Sonne Kaffee getrunken,<br />
hinterm Deich war die riesige Wasserfläche.“<br />
Während des Katastrophenfalls war im Dorfgemeinschaftshaus<br />
die Kommandozentrale eingerichtet. Dort<br />
gab es auch Verpflegung für die Helfer. Es existierte<br />
eine Tafel, auf der sich Freiwillige für Deichwachen eintrugen.<br />
Kontrolliert werden musste rund um die Uhr.<br />
„Wir durften immer nur zu zweit gehen. Eine Person<br />
ging auf der Deichkrone, die zweite am Deichfuß.“<br />
Wir fragen Andrea Funcke, was bei ihr am stärksten<br />
von den damaligen Ereignissen nachgewirkt hat.<br />
„Die wichtigste Erkenntnis: Die Walmsburger halten<br />
echt zusammen, wenn es drauf ankommt. Und unsere<br />
Feuerwehr ist einfach genial!<br />
Verheerend für mich war: Mein langes Heugras lag verfault<br />
auf der Wiese. Auf Anfrage bei staatlichen Stellen<br />
erhielt ich die Antwort, das sei Sondermüll, den ich<br />
kostenpflichtig selbst entsorgen müsse. Die Auskunft<br />
bedeutete riesige Unkosten für mich, denn es wurden<br />
für die Beseitigung 3000 Euro pro Tonne verlangt!<br />
Ich habe in keiner Weise Entschädigungen erhalten.<br />
Begründung: Mein Betrieb sei zu klein. <strong>Das</strong> war echt<br />
schlimm für mich.“<br />
Zum Schluss möchten wir von Andrea eine Einschätzung<br />
für künftige derartige Katastrophenfälle hören.<br />
Andrea Funcke: „<strong>Das</strong> war meine vierte Jahrhundertflut.<br />
Meine ganz persönliche Meinung ist, dass wir mit<br />
immer höheren Deichen das Problem nicht in den Griff<br />
bekommen werden. Im Gegenteil, die Menschen wiegen<br />
sich in trügerischer Sicherheit. Wir müssen wieder<br />
ganz anders wirtschaften und auch bauen. In Holland<br />
ist diese Grundsatzdiskussion schon deutlich weiter<br />
entwickelt als hier.“<br />
Chronologie der Ereignisse<br />
Quelle: Hochwasser-Abschlussbericht des Innenministeriums<br />
Niedersachsen<br />
Bis Ende Mai <strong>2013</strong>: Intensive Regenfälle in Mitteleuropa,<br />
auch in Niedersachsen.<br />
Über das Monatsende hinaus dazu großflächige,<br />
mehrtägige Niederschläge in Tschechien, so dass<br />
sich Anfang Juni die Hochwasserlage zuspitzt.<br />
4. Juni: Es findet die erste Lagebesprechung hier an<br />
der Elbe mit Hilfsorganisationen, THW, Bundeswehr<br />
und Feuerwehrverband statt. Die Bestandsaufnahme<br />
ergibt: In Neu Darchau ist kein ausreichender<br />
Hochwasserschutz für die zu erwartenden Wasserstände<br />
vorhanden • Errichtung eines Notdeiches ist<br />
notwendig • An einigen Stellen ist die Deichhöhe<br />
nicht ausreichend, so dass eine Erhöhung mit Sandsäcken<br />
erforderlich sein wird.<br />
Der Landkreis Lüchow-Dannenberg stellt am 4. Juni<br />
um 18:25 Uhr den Katastrophenfall fest. Schließung<br />
der Spundwände im Landkreis wird eingeleitet.<br />
5. Juni: Feststellung des Katastrophenfalles im<br />
Landkreis Lüneburg um 9 Uhr. Es treten Mechanismen<br />
des Niedersächsischen Katastrophenschutzgesetzes<br />
in Kraft. Maßnahmen: Helfer*innen von Hilfsorganisationen<br />
und Bundeswehr werden in Gang<br />
gesetzt • Einrichten von Sandsack-Füllstationen •<br />
Beginn der Aufkadungsarbeiten an den Deichen •<br />
Vorbereitung von Evakuierungsmaßnahmen.<br />
Im Laufe des 5. Juni wird die Hochwasservorhersage<br />
jedoch um 100 cm reduziert. Daher wird eine Evakuierung<br />
der Stadtinsel Hitzacker zurückgestellt.<br />
7. Juni: Der Notdeich in Katemin/Neu Darchau wird<br />
fertiggestellt. Anwohner der Stadtinsel Hitzacker<br />
sollen freiwillig die Wohnungen räumen.<br />
8. Juni: Es erfolgt Korrektur der heruntergestuften<br />
Hochwasserprognose von bis zu 90 cm nach oben.<br />
10. Juni: Deichbruch mit schwerwiegenden Folgen<br />
für die Menschen bei Fischbeck in Sachsen-Anhalt.<br />
Sandsacklieferungen aus Dänemark, Belgien, Niederlande<br />
und Luxemburg treffen ein. • Erste Evakuierungen<br />
in Neu Darchau.<br />
11. Juni: Erstes Stagnieren der Pegelstände • Es treten<br />
vermehrt Schadenstellen an Deichen in beiden<br />
Landkreisen auf • Aufkadungsarbeiten in Amt Neuhaus<br />
werden mit Nachdruck weitergeführt.<br />
12. Juni: Sinken der Pegelstände im Landkreis Dannenberg<br />
• Stagnieren der Pegelstände im Landkreis<br />
Lüneburg • Vermehrte Schadstellen an Deichen in<br />
beiden Landkreisen.<br />
16. Juni: Keine neuen Schadstellen • Nahezu alle<br />
überörtlichen Kräfte aus dem Einsatz entlassen.<br />
Aufhebung des Katastrophenfalles am 16. Juni:<br />
• Landkreis Lüchow-Dannenberg um 08:14 Uhr.<br />
• Landkreis Lüneburg um 12 Uhr.<br />
Fotos: Andrea Funcke (3), Gabi Wosnitza (2), Tex: H. Hoffmann<br />
<strong>Rundschau</strong><br />
Elb-Ufer Klöndör<br />
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