familie&erziehung Selbst sind die Kleinen! Wie Kinder selbstverantwortliches Handeln und Selbstreflexion lernen – und über Vernunft und Empathie auch Verantwortung für andere entwickeln 16 familie&<strong>co</strong> <strong>03</strong>/<strong>2024</strong>
Verantwortung – ein großes Wort, ein wichtiger Wert. Die Wurzeln dafür liegen bereits in der frühen Kindheit. Denn ein vollständig ausgeprägtes Verantwortungsgefühl – quasi pünktlich zum ersten Pickel, Barthaar oder Arbeitsvertrag – entsteht nicht von heute auf morgen. Vielmehr braucht es dafür einen Lernprozess für Kind und Eltern gleichermaßen. Letztere haben dabei zwei klare Aufgaben: Sie sollten nicht nur den eigenen Drang zurückschrauben, Verantwortung für ihr Kind zu übernehmen, sondern ihm auch dieses Wertekonzept nahebringen – und zwar altersgerecht. Ver-antwort-ung Doch ab wann ist ein Kind dazu bereit? „Der Begriff Verantwortung beinhaltet gewissermaßen auch den der Antwort. Das bedeutet, dass man begründen können muss, was man tut bzw. was die Beweggründe sind, die zu dieser Handlung führen“, so Diplom-Psychologin Dr. Angelika Faas. „Kleine Kinder sind mit solch einem komplexen Vorgang natürlich überfordert. Frühestens ab dem Alter von drei Jahren können sie eine gewisse Eigenverantwortung für ihre Taten übernehmen – dann, wenn sie anfangen, ich zu sagen.“ Erfolgt aus dem Bewusstsein für das eigene Handeln ein kritisches, reflektiertes Hinterfragen? „Auf lange Sicht stimmt das. Kinder lernen durch ihre Handlun- gen – und zwar auch, die Verantwortung dafür zu tragen“, meint Angelika Faas. „Ein bekanntes Beispiel hierfür ist die heiße Herdplatte, auf die ein Kind kein zweites Mal fassen wird, wenn es sich verbrannt hat. Kinder lernen aus Fehlern, bei denen sie zu Schaden kommen.“ Wie profitieren Kinder? Durch früh erlerntes Verantwortungsbewusstsein wird jedoch nicht nur das Reflexionsvermögen der Kinder gestärkt. „Durch diese frühe Vermittlung entwickelt ein Kind leichter ein stabiles Selbstbewusstsein und kann auch erkennen, wie wichtig die eigene Haltung ist: Ich bin wichtig. Auf mich kommt es an“, erläutert Angelika Faas. „Dabei sind diese Fragen zentral: Wer bin ich? Was wird von mir erwartet? Was erwarte ich von den anderen?“ Selbstbewusste Kinder, die sich ihrer eigenen Haltung sicher sind, zeigen dies auch zwischenmenschlich: Sie sind leichter in der Lage dazu, Sozialkompetenz und Empathie zu zeigen. Regeln geben Struktur Doch wie kann das Konzept „Verantwortung“ Kindern unterschiedlichen Alters nahegebracht werden? Beginnt das Kind damit, ein Bewusstsein für Wer früh Verantwortung lernt, entwickelt leichter ein stabiles Selbstbewusstsein chologin. Verwöhn- Die Bezeichnung „Helikopter- Eltern“ – ein metaphorischer Begriff für überbehütende Eltern – findet sich in den letzten Jahren immer häufiger in pädagogischen Diskussionen. Der Vorwurf, der dahintersteckt: Durch übermäßige Fürsorglichkeit können Kinder nicht lernen, auf eigenen Beinen zu stehen. Auch ihr Verantwortungsgefühl leidet darunter. „Dieses elterliche Vorgehen – bei besten Absichten – bewirkt oft das Gegenteil von Autonomie. Die Folgen sind selbst in späterem Alter die ständige Erwartung, dass jemand anderes die Führung übernimmt. Die Kinder geraten später leicht in Abhängigkeiten, bis zu dem Punkt, dass sie insgesamt nicht lebenstüchtig sind, maßlose Ansprüche haben oder kein Selbstbewusstsein entwickeln“, warnt die Psychologin Dr. Angelika Faas. „Eine negative Begleiterscheinung ist der Hang zu Schuldzuweisungen, wenn etwa Misserfolge oder Verfehlungen immer nur anderen angelastet werden, wohingegen Lob und Anerkennung für sich selbst verbucht werden“, so die Psy- Für Behütung und Verwöhnen gilt also meist: Weniger ist oft mehr! Das Programm <strong>03</strong>/<strong>2024</strong> familie&<strong>co</strong> 17