05.04.2024 Aufrufe

2024-04_RegioBusiness

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

06 Blickpunkt<br />

April <strong>2024</strong> IJahrgang23INr. 256<br />

Investitionen in dieZukunft<br />

Die Nachfrage nach Innovationsförderung in derRegionHeilbronn-Franken ist hoch. VONADINA BAUER<br />

Die Aussichten für die deutsche<br />

Wirtschaft sind momentan<br />

alles andere als<br />

rosig. So korrigierten ganz aktuell<br />

die fünf renommiertestenWirtschaftsforschungsinstitute<br />

ihre<br />

Prognose fürdas Jahr <strong>2024</strong> drastisch<br />

nach unten:Statt1,3 Prozent<br />

gehen sie fürdiesesJahr nur noch<br />

von einem sehr geringen Wachstum<br />

von 0,1 Prozent aus.<br />

Damit wird sich die schwächelnde<br />

deutsche Wirtschaft in diesem<br />

Jahr nicht so schnell erholen, wie<br />

noch im Herbst erwartet wurde.<br />

„Im bisherigen Dreiklang aus lahmender<br />

Konjunktur, lähmender<br />

Politik und leidendem Wachstum<br />

ändert sich nur die konjunkturelle<br />

Tonlage von Moll auf Dur“,<br />

meint Stefan Kooths, Konjunkturchef<br />

am Kiel Institut für Weltwirtschaft<br />

(IfW Kiel). 2023 war die<br />

Wirtschaftsleistung in Deutschland<br />

um 0,3 Prozent zurückgegangen.<br />

Derzeit bewegt sie sich<br />

auf einem Niveau, das kaum über<br />

dem von vor der Corona-Pandemie<br />

liegt.<br />

AUSLAND Attraktiver macht das<br />

den Standort Deutschland sicher<br />

nicht. Sobestimmen in den vergangenen<br />

Wochen auch immer<br />

wieder Meldungen über Traditionsmarken,<br />

die Deutschland verlassen<br />

wollen,die Schlagzeilen. So<br />

Wegweisend: Gerade in Krisenzeiten ist es wichtig, einerseitskostenbewusst zu agieren, andererseits aber<br />

auch in Zukunftsfähigkeit zu investieren.<br />

Foto: NPG-Archiv<br />

hat zum Beispiel der westfälische<br />

Küchengerätehersteller Miele im<br />

Februar angekündigt, dieProduktion<br />

inDeutschland zurückzufahren<br />

und dafür inPolen auszubauen.<br />

Und auch der Motorsägen-Experte<br />

Stihl aus Waiblingen denkt<br />

lautFokus ans Auswandern–ausgerechnet<br />

in die Schweiz.Der Beirats-<br />

und Aufsichtsratsvorsitzende<br />

Nikolas Stihl erklärte in einem<br />

Interview mit dem Handelsblatt,<br />

dass er Deutschland als Standort<br />

für die Industrie nicht mehr für<br />

wettbewerbsfähig halte. „Investitionen,<br />

die früher nach Deutschland<br />

geflossen sind, gehen heute<br />

immer häufiger nach Osteuropa,<br />

indie USAoder nach Asien.“Und<br />

tatsächlich: Auch die regionale<br />

Industrie plant Auslandsinvestitionen–ein<br />

Drittel der Unternehmen<br />

in Heilbronn-Franken will im<br />

Jahr<strong>2024</strong> im Ausland investieren.<br />

Das ergab eine Sonderauswertung<br />

der aktuellen Konjunkturumfrage<br />

der IHK Heilbronn-Franken.<br />

Demnach rechnen 14 Prozent<br />

der Industriebetriebe für dieses<br />

Jahrmit höheren Investitionen im<br />

Ausland, 13 Prozent planen mit<br />

gleichbleibenden ausländischen<br />

Investitionen. Besonders in der<br />

Eurozone beabsichtigen 84 Prozent<br />

der im Ausland engagierten<br />

Industrieunternehmen zu investieren.<br />

Als Hauptmotiv für ihre<br />

Auslandsinvestitionen geben diese<br />

Firmen verstärkt die Markterschließung<br />

(41 Prozent nach zuvor<br />

31 Prozent), aber eben auch<br />

die Kostenersparnis (29 Prozent<br />

gegenübervon 18 ProzentimVorjahr)<br />

an.<br />

INNOVATIONEN Dabei gilt es<br />

in Krisenzeiten einerseits kostenbewusst<br />

zu agieren, andererseits<br />

aber auch in die Zukunft zu investieren.<br />

Und wie das geht, wissen<br />

die Unternehmen aus Heilbronn-<br />

Frankenrechtgut.Das belegt unter<br />

anderem die positive Entwicklung<br />

im Innovationsindex Baden-<br />

Württemberg. Darin ist beispielsweise<br />

der Landkreis Heilbronn<br />

mit einer hohen Innovationsdynamik<br />

andie Spitze des Mittelfeldes<br />

vorgerückt. „Hier sind unter<br />

anderem Entwicklungsstandorte<br />

von Unternehmen wie Audi,<br />

Bosch, Rheinmetall-Automotive<br />

und Bechtle ansässig, die ihre<br />

Forschungs- und Enwicklungs-<br />

Ressourcen stark ausgebaut haben“,<br />

heißt es in der Erklärung<br />

zurStatistik.<br />

FÖRDERUNG Ein weiterer Beleg<br />

für die Bereitschaft, in Neuheiten<br />

und Weiterentwicklungen zu<br />

investieren, ist die enorme Nachfrage<br />

nach Innovationsförderung.<br />

So ging Invest BW als größtes einzelbetriebliches<br />

Förderprogramm<br />

in Baden-Württemberg Anfang<br />

des Jahres 2021 mit je einer Förderlinie<br />

für Investitionen und Innovationen<br />

an den Start.<br />

Auf diese erste Phase folgte ab<br />

Oktober 2021 eine zweite Phase,<br />

inder Invest BW den Schwerpunkt<br />

auf Innovationsförderung<br />

legte. Besonders das große Interesse<br />

der Unternehmen an Unterstützung<br />

für Innovationsprojekte<br />

ist bemerkenswert: In der zweiten<br />

Phase gingen Förderanträge<br />

für mehr als 2000 Vorhaben<br />

ein. Insgesamt wurdenfür die geplanten<br />

Innovationen Fördermittel<br />

in Höhe von rund 610 Millionen<br />

Euro beantragt, das geplante<br />

Projektvolumen für die beantragten<br />

Vorhaben lag bei über 1,1<br />

Milliarden Euro. „Die große Resonanz,<br />

auf die Invest BW in den<br />

vergangenen Jahren stieß, ist ein<br />

toller Beweis für den starken Unternehmergeist<br />

Baden-Württembergs.<br />

Obesumdie Entwicklung<br />

neuer KI-basierter Software ging<br />

oder um die Implementierung innovativer,<br />

nachhaltiger Produktionsprozesse:<br />

Ich bin stolz auf die<br />

vielfältigen Projekte“, fasst Wirtschaftsministerin<br />

Nicole Hoffmeister-Kraut<br />

zusammen.<br />

Und auch die L-Bank hat im vergangenen<br />

Jahr zahlreiche Unternehmen<br />

in Heilbronn-Franken finanziell<br />

gefördert. Wie die landeseigene<br />

Förderbank mitteilt, wurden<br />

2023 in der Region insgesamt<br />

717 Unternehmen mit fast 320<br />

Millionen Euro unterstützt. Darunter<br />

sind 214 Gründer, die mit<br />

gut 71 Millionen Euro gefördert<br />

wurden, und 503 etablierte mittelständische<br />

Unternehmen, die<br />

rund 249 Millionen Euro anFörderdarlehen<br />

erhalten haben.<br />

Durch die damit ausgereichten<br />

Förderdarlehen wurden nach Angaben<br />

der L-Bank Investitionen<br />

in Höhe von mehr als 471 Millionen<br />

Euro ausgelöst. Effekte haben<br />

diese Investitionen auch auf<br />

den regionalen Arbeitsmarkt.<br />

So sind bei den geförderten 717<br />

Unternehmen zu den bisherigen<br />

28 555 Arbeitsplätzen 965 neue<br />

hinzugekommen –ein Plus von<br />

3,4 Prozent.<br />

„Unser Image nicht schlechtreden“<br />

Wie investitionsfreudig ist die Region Heilbronn-Franken? Kritiker bemängeln,dasseszusehr um Ersatzbeschaffungen geht. Andreas<br />

Schumm, Geschäftsführerder WirtschaftsregionHeilbronn-Franken, warnt dagegenvor zu viel Jammerei. INTERVIEW VONANTONIO DEMITRI<br />

REGIOBUSINESS Herr<br />

Schumm, wie bewerten Sie das<br />

augenblickliche Investitionsklima<br />

in der Region?<br />

ANDREAS SCHUMM Als Wirtschaftsförderer<br />

freut man sich<br />

grundsätzlich, wenn man durch<br />

die Städte und Gemeinden fährt<br />

und die Baukräne sich drehen.<br />

Das ist immer ein Zeichen für<br />

eine investitionsfreudige Wirtschaft.<br />

Heuteist dies ein bisschen<br />

differenzierter zu betrachten und<br />

man muss einen anderen Blick<br />

darauf werfen. Im Moment stehen<br />

bei vielen Unternehmen die<br />

Ersatzbeschaffungen im Vordergrund.<br />

Aber die tragen ja auch<br />

dazu bei, dass die Unternehmen<br />

wettbewerbsfähiger werden. Zum<br />

Beispiel, weil dadurch Maschinen<br />

effizienter arbeiten. Das ist auch<br />

eine Investition in die Zukunft des<br />

Standorts.<br />

REGIOBUSINESS Kritiker bemängeln,<br />

dass Investitionen in<br />

Ersatzbeschaffungen nicht reichen,<br />

um die Wirtschaft voranzubringen.<br />

ANDREAS SCHUMM Ich will<br />

nicht inAbrede stellen, dass wir<br />

eine schwierige Situation haben.<br />

Aber permanentes Klagen und<br />

Schlechtredendes Standorts lenkt<br />

die Wahrnehmung von den Qualitäten<br />

dieser Region ab. So haben<br />

wir eine durch die Unternehmen<br />

getriebene, hohe Investitionsquote<br />

bei Forschung und Entwicklung.<br />

Schauen Sie sich allein<br />

den IPAI in Heilbronn an. Solche<br />

Projektesindkleine, zarte Pflänzchen,<br />

die inden kommenden Jahren<br />

wachsen und für Wertschöpfung<br />

sorgen werden. Man muss<br />

also aus meiner Sicht beim Thema<br />

Investitionen genau hinschauen.<br />

REGIOBUSINESS Halten Sie die<br />

zunehmenden Auslandsinvestitionen<br />

heimischer Betriebe für problematisch?<br />

ANDREAS SCHUMM DasRisiko<br />

für den Standort ist sicherlich<br />

erkennbar. Ich glaube, das hat<br />

auch mit dem Thema Nachhaltigkeitinder<br />

Produktionzutun.Immer<br />

mehr Unternehmen produzieren<br />

in dem lokalen Markt, auf<br />

dem sieihre Produkte dann auch<br />

verkaufen, und reduzieren damit<br />

zum Beispiel ihren CO 2<br />

-Fußabdruck.<br />

Hintergrund ist dabei,<br />

dass Betriebe zunehmend verpflichtet<br />

sind, über ihre Nachhaltigkeits-Aktivitäten<br />

zu berichten.<br />

Aber natürlich spielen dabei auch<br />

gestiegene Importzölle in den<br />

Auslandsmärkten oder regulatorische<br />

Maßnahmen wie der Inflation<br />

Reduction Act in denUSA eine<br />

Rolle, also die gezielte Förderung<br />

der inländischen Produktion sauberer<br />

Energieträger. Das ist kein<br />

spezifisches Problem unserer Region,<br />

sondern der Exportnation<br />

Deutschland insgesamt.<br />

REGIOBUSINESS Studien zufolge<br />

schätzt die Wirtschaft bei<br />

den Erfolgsfaktoren die Steigerung<br />

der Effizienz weit wichtiger<br />

ein als zum Beispiel Innovationen<br />

und Transformation –ist das ein<br />

Risiko?<br />

ANDREAS SCHUMM Gerade<br />

im Mittelstand, der in der Region<br />

Heilbronn-Franken besonders<br />

stark vertreten ist, lässt es<br />

das Tagesgeschäft oft nicht ausreichend<br />

zu, andie Zukunft zu<br />

denken. Vor allem, wenn die Auftragsbücher<br />

sich wieder deutlich<br />

füllen –was ja an sich erfreulich<br />

ist. Da bleibtdann oft weniger Zeit<br />

um mehr ander Entwicklung des<br />

Unternehmens zu arbeiten. Oft<br />

hört man das Argument: Der bisherige<br />

Erfolg hat uns Recht gegeben.<br />

Und wiedas so ist, wenn man<br />

erfolgreich ist –dafragen sich<br />

viele, warum sie sich verändern,<br />

sprichtransformieren, sollen.Die<br />

Gefahr dabei ist: Erfolg kannauch<br />

zum Totengräber der Innovation<br />

werden.<br />

Wirtschaftsförderer: Andreas Schumm siehtdas Investitionsklima in<br />

der Region positiv.<br />

Foto: WHF<br />

REGIOBUSINESS Wieso haben<br />

so viele Unternehmen keine digitale<br />

Strategie, wie Umfragen zeigen?<br />

ANDREAS SCHUMM Das erstaunt<br />

mich auch. Gerade das<br />

Thema Digitalisierung hat eine<br />

so hohe Eigendynamik, dass<br />

man nicht daran vorbeigehen<br />

kann. Aber: Wenn man über digitale<br />

Strategien im Sinn neuer<br />

Geschäftsmodelle spricht, dann<br />

reden wir von disruptiven Schritten,<br />

also revolutionären Umbrüchen.Kleine<br />

undmittelständische<br />

Unternehmen knüpfen ihren Erfolg<br />

traditionell an evolutionäre<br />

Entwicklungen und gehen solch<br />

radikalen Innovationen eher aus<br />

dem Weg. Aber die Welt, in der<br />

wirheute leben,erforderthier ein<br />

klaresUmdenken.<br />

REGIOBUSINESS Welche Branchen<br />

in der Region sind besonders<br />

investitionsfreudig?<br />

ANDREAS SCHUMM Da sticht<br />

im Vergleich keine Branche besonders<br />

heraus. Aber: Aufgrund<br />

unserer hohen industriellenDichte<br />

haben Investitionen im verarbeitenden<br />

Gewerbe hier eine<br />

hohe Bedeutung. Aber auch der<br />

Dienstleistungssektor trägt durch<br />

Investitionen zur Zukunftsfähigkeit<br />

des Standortes bei. Über die<br />

gesamte Wirtschaft hinweg gibt<br />

viele, für sichbetrachtet vielleicht<br />

kleinere Highlight-Projekte, die<br />

aber die Region in Summe in die<br />

Zukunft führen und für die Attraktivität<br />

des Standortes enormwichtig<br />

sind.<br />

REGIOBUSINESS Können Sie<br />

ein Beispiel nennen?<br />

ANDREAS SCHUMM Allein<br />

im Bereich der digitalen Infrastruktur<br />

tut sich eine Menge, und<br />

auch das sind wichtige Investitionen<br />

in die Wettbewerbsfähigkeit<br />

der hier ansässigen Unternehmen.<br />

Wir bringen in 59 Kommunen<br />

den Ausbau des Glasfasernetzes<br />

sukzessive voran. Da wurden<br />

im letzten Jahr rund 200 Millionen<br />

Euro investiert. Solche verbesserten<br />

Rahmenbedingungen<br />

halten Unternehmen am Standort<br />

–oder ziehen sie auch hierhin.<br />

REGIOBUSINESS Wird Ihrer<br />

Ansicht nach zu sehr über die<br />

wirtschaftliche Lage gejammert?<br />

ANDREAS SCHUMM Ich habe<br />

Verständnis, wenn etwa Wirtschaftsverbände<br />

und Kammern<br />

immer wieder auf die schwierige<br />

wirtschaftliche Lage der<br />

Unternehmen hinweisen. Die<br />

Situation ist ja ernst zu nehmen,<br />

keine Frage. Entscheidend<br />

ist aber, dass wir Ideen und Vorschläge<br />

brauchen, was wir besser<br />

machen können. Dazu gehört<br />

ganz klar, aus der Komfortzone<br />

herauszugehen. Das betrifft aber<br />

die gesamte Gesellschaft und nicht<br />

nur die Unternehmen. Wenn man<br />

etwas immer nur schlechtredet,<br />

dann verfestigt sich dieses Bild in<br />

den Köpfen. Da müssenwir wirklich<br />

aufpassen. Wenn man mal ins<br />

Ausland schaut, dann stellt man<br />

fest: Der Standort Deutschland<br />

hat nach wie vor einen guten Ruf.<br />

Weil wir verlässlichsind oder zum<br />

Beispiel, weil wir einen sicheren<br />

Rechtsstaat haben. Dasschätztjeder<br />

Investor. Deshalb sollten wir<br />

unser Image nicht durch unsere<br />

Art und Weise der Kommunikation<br />

aufs Spiel setzen.<br />

www.heilbronn-franken.com

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!