Das Volk und die Sprache der Zaza - Zazaki.de
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4 I<strong>de</strong>ntität <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Zaza</strong><br />
4.1 Fremdzuschreibung<br />
Je nach Situation können Angehörige <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Zaza</strong>-Bevölkerung als Türken, Kur<strong>de</strong>n, <strong>Zaza</strong> o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
nach Migration ins europäische Ausland, z. B. nach Deutschland, auch als Deutsche<br />
bezeichnet wer<strong>de</strong>n. Neben <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen Einordnung kann man sie auch ihrer Religion nach<br />
zuordnen.<br />
Religiös teilen sie sich zur Hälfte in Aleviten <strong>und</strong> Sunniten. Genauso wenig, wie es <strong>die</strong> <strong>Zaza</strong>-<br />
<strong>Sprache</strong> gibt, gibt es das <strong>Zaza</strong>-<strong>Volk</strong>. Aber auch <strong>die</strong> genannten religiösen Gruppierungen sind<br />
in sich ebenfalls heterogen. Es gibt türkisch-, kurmanci- <strong>und</strong> zazasprachige Sunniten<br />
Aleviten 16 als auch Sunniten. 17 Traditionellerweise wur<strong>de</strong>n im Osmanischen Reich<br />
<strong>Volk</strong>sgruppen anhand religiöser Zugehörigkeiten gebil<strong>de</strong>t:<br />
„So wur<strong>de</strong>n z. B. in <strong>de</strong>n osmanischen Verwaltungs- <strong>und</strong> Steuerurk<strong>und</strong>en als Kur<strong>de</strong>n <strong>die</strong> kurmanci-<br />
<strong>und</strong> zazakisprachigen Sunniten <strong>de</strong>s Reiches bezeichnet. Die heterodoxen Stämme <strong><strong>de</strong>r</strong> Region<br />
dagegen wur<strong>de</strong>n unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Bezeichnung ,Kizilbas’ (wörtlich ,Rotkopf’) zusammengefasst,<br />
ungeachtet ihrer jeweiligen Sprachzugehörigkeit. Diese Unterscheidung entsprach <strong>de</strong>m<br />
Organisierungsprinzip <strong>de</strong>s Reiches, das auf <strong><strong>de</strong>r</strong> religiösen, nicht aber <strong><strong>de</strong>r</strong> ethnisch-sprachlichen<br />
Zugehörigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Untertanen beruhte.“ (Kehl-Bodrogi 1998: 115)<br />
Nach <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s ersten Weltkrieges war <strong>die</strong> Zeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Vielvölkermonarchien (namentlich<br />
das Osmanische Reich, das Zarenreich <strong>und</strong> <strong>die</strong> Donaumonarchie) vorbei <strong>und</strong> <strong>die</strong> Zeit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Nationalstaaten brach an. Die türkische Nationalstaatpolitik war stark von <strong><strong>de</strong>r</strong> bewiesenen<br />
Instabilität eines Vielvölkerreichs geprägt <strong>und</strong> führte daher eine Politik, <strong>die</strong> separatistischen<br />
Bestrebungen zuvorkommen sollte. Offiziell als Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heit anerkannt wur<strong>de</strong>n nur <strong>die</strong> Ju<strong>de</strong>n,<br />
Griechen <strong>und</strong> Armenier. Dies war im Lausanner Vertrag von 1923 festgelegt wor<strong>de</strong>n, welche<br />
man auch als <strong>die</strong> völkerrechtliche Geburtsurk<strong>und</strong>e <strong><strong>de</strong>r</strong> Republik bezeichnen kann (vgl.<br />
Seufert/Kubaseck 2004: 83/Gottschlich 2004: 174).<br />
Die restliche Bevölkerung sollte nun ein einheitliches <strong>Volk</strong> bil<strong>de</strong>n. <strong>Das</strong> war nur möglich,<br />
wenn je<strong>de</strong>m Mitglied <strong>de</strong>s <strong>Volk</strong>es eine gemeinsame Abstammung <strong>und</strong> eine gemeinsame<br />
<strong>Sprache</strong> bescheinigt wer<strong>de</strong>n konnte. Dies entsprach <strong><strong>de</strong>r</strong> türkischen Vorstellung von Nation:<br />
“Die offizielle republikanische Geschichtsschreibung erklärte <strong>die</strong> Kur<strong>de</strong>n [<strong>und</strong> auch <strong>die</strong> <strong>Zaza</strong>,<br />
D.B.] zu ,Berg-Türken’, <strong>und</strong> führte <strong>die</strong> Abstammung <strong>die</strong>ser mit Hilfe pseudo-wissenschaftlicher<br />
Erklärungen auf einen türkischen Ursprung zurück. Somit konnten auch <strong><strong>de</strong>r</strong>en <strong>Sprache</strong>n nur als<br />
Dialekte <strong>de</strong>s Türkischen gelten; nach wie vor wer<strong>de</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> Türkei pseudo-linguistische<br />
,Beweisführungen’ zur Stützung <strong>die</strong>ser These geliefert.“ (Kehl-Bodrogi 1998: 115)<br />
Auch nach Weber ist <strong>die</strong> I<strong>de</strong>e, <strong>de</strong>nselben Ursprung zu haben, wichtig für das Nationalgefühl<br />
von Menschen, <strong>die</strong> ein <strong>Volk</strong> bil<strong>de</strong>n sollen: „Die ,Nationalität’ teilt mit <strong>de</strong>m ,<strong>Volk</strong>’ im<br />
16<br />
Insgesamt wird <strong><strong>de</strong>r</strong> Anteil <strong><strong>de</strong>r</strong> Aleviten in <strong><strong>de</strong>r</strong> Türkischen Republik auf 20% geschätzt (vgl. Seufert/Kubaseck<br />
2004: 144).<br />
17<br />
Vgl. Kehl-Bodrogi (Stand: 1998). URL: http://www.lhl.<strong>de</strong>/dkj/html. (Abfrage: 14.06.2005).<br />
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