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FOTOS: ENNO FRIEDRICH
lüneburg aktuell � quadrat 06 / 2010 71
Meisterin der Bohnen
AM 6. MAI FOLGTE DIE DEUTSCHE BARISTA-MEISTERIN NANA HOLTHAUS-VEHSE DER EINLADUNG HEIKO MEYERS IN DEN
LÜNEBURGER COFFEE SHOP NO. 1, WO SIE EINBLICK GAB IN DIE HOHE KUNST DER KAFFEE-ZUBEREITUNG
Mal kommt er schwarz in die Tassen, mal
milchgeschwängert, mal ziert ihn eine
sahnige Crema oder lockere Wolken aus
Milchschaum: Kaffee ist längst nicht nur tägliches
Genussmittel, sondern gleichermaßen zum Lifestyleprodukt
avanciert. Wie für edle Rebensäfte,
so gibt es auch hier Fachmänner und -frauen, die
über ein immenses Know How auf dem Gebiet der
gerösteten Bohne und ihrer Zubereitung verfügen.
Barista lautet die korrekte Berufsbezeichnung, ein
Berufszweig, deren Ausbildungsmöglichkeiten hierzulande
noch rar gesät sind. In Italien gehört ein
Barista schon seit langem in jedes Café, das Wert
legt auf exzellent zubereitete Kaffeekreationen.
Die amtierende Deutsche Barista-Meisterin Nana
Holthaus-Vehse ist bestrebt, diesen Berufszweig
auch in Deutschland zu etablieren, bietet qualifi -
zierte Schulungen an und bildet in der Gastronomie
eine neue Generation von Kaffeeexperten aus.
Wie unterschiedlich eine Tasse Kaffee tatsächlich
schmecken kann, demonstrierte und erläuterte die
Barista, die ihren Titel bei der Deutschen Barista
Championship 2009 in Frankfurt erhielt, im Lüneburger
Coffee-Shop No. 1. Erste Voraussetzung für
einen guten Kaffee sei zunächst einmal ein Kaffee-Halbautomat,
mit dem die Portionierung des
Kaffees von Hand vorgenommen werden kann und
maximal zwei Tassen gleichzeitig in die Zubereitung
gehen. Der Geschmack sei dann von einer
Vielzahl von Faktoren abhängig, wie der Wassertemperatur,
dem Mahlgrad, der Kaffeemenge und
dem Druck, mit dem das Kaffeemehl in den Sieb-
träger gepresst wird. „Ist das Kaffeemehl beispielsweise
zu grob, „rauscht“ das Wasser hindurch
und nimmt kaum Geschmacksmoleküle auf“, erklärt
sie. Etwa 25-30 Sekunden Durchlaufzeit sollte
man einem Espresso von 25-30 ml zudem gönnen;
gibt man ihm weniger Zeit, werden in erster Linie
die Säuren und zu wenig Inhaltsstoffe ausgespült;
läuft er zu lange, spült er vermehrt bittere Röstaromen
aus.
Der Anpressdruck, mit dem das Kaffeemehl in den
Siebträger gepresst wird und der mit dem so genannten
Tamper reguliert wird, ist immens und
sollte im Idealfall bei jeder zubereiteten Tasse der
gleiche sein; etwa 20 Kilogramm kommen hier
zum Einsatz, um dem Kaffee die optimale Kompression
angedeihen zu lassen.
Die Krönung eines jeden Latte Macchiato oder
Cappuccinos ist schließlich die Milchschaumwolke,
die dem Bohnengetränken erst zum eigentliche
Finish verhilft. Auch hier weiß die Barista um die
Gefachsimpelt: Inhaber Heiko Meyer und Barista-
Meisterin Nana Holthaus-Vehse sorgen für besten
Kaffee im Coffee-Shop No. 1.
richtige Technik, eine einzigartige Verbindung von
Kaffee und Milch herzustellen. Während des Aufschäumens
erhält die Milch in der so genannten
Ziehphase ihr Volumen, in der anschließenden
Rollphase lässt man die Milch in der Kanne cremig
werden, ohne dass sie Luft zieht. So entsteht ein
dichter, feinporiger Schaum mit Mikroblasen, deren
hohe Konzentration die Rezeptoren auf der Zunge
viel intensiver erreicht als eine grobporige Variante.
Durch die richtige Technik des Milcheingießens
legen sich die Öltröpfchen der Espresso-Crema um
die Bläschen des Milchschaums. Erst jetzt können
Kaffee und Schaum ihre unnachahmliche Geschmacks-Liaison
eingehen.
Dass Kaffee ein äußerst sensibles Produkt ist, das
extrem empfi ndlich auf Feuchtigkeit und Hitze re-
agiert, dürfte den wenigsten bekannt sein. Auch
dass eine Bohne mindestens ein Jahr lang reift, um
von Hand gepfl ückt an die Röstereien dieser Welt
versendet zu werden, zählt nicht unbedingt zur
Allgemeinbildung; ebenso wenig das Wissen um
die Anzahl der Kaffeekirschen, die notwendig sind,
um einen guten Espresso von den freundlichen
Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Coffee-
Shops No. 1 serviert zu bekommen. Dass es tat-
sächlich 50 Bohnen sind, die von Hand gepfl ückt,
geröstet, gemahlen, gepresst und unter Zuhilfe-
nahme von heißem Wasser zu dem werden, was
uns täglich neue Energie beschert, mag künftig
vielleicht dazu führen, dass man mit einem etwas
ehrfurchtsvolleren Blick als bisher auf diesen klei-
nen täglichen Luxus schaut. (nm)