Antifa Hohenschönhausen - NEA
Antifa Hohenschönhausen - NEA
Antifa Hohenschönhausen - NEA
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
12<br />
„Chitler kaputt!“ - Günter Kunert<br />
über den Einmarsch der Roten Armee<br />
(Deutschlandfunk, ausgestrahlt am 28.04.2005)<br />
Günter Kunert, am 6. März 1929 geboren, wuchs als umsorgtes Einzelkind in Berlin auf. Seine jüdische Mutter<br />
war Hausfrau, der christliche Vater Kaufmann. Er hielt die Familie mit einem winzigen Papierbetrieb über<br />
Wasser. Als die NSDAP im September 1935 die „Nürnberger Rassegesetze“ beschloss, wurde Günter Kunert<br />
in der Sprache der Nazis zum „Halbjuden“. Immer mehr jüdische Freunde und Verwandte verschwanden. Im<br />
September 1943 wurde auch sein Großvater verschleppt.<br />
Meine Herkunft wurde mir ziemlich früh bewusst, noch lange vor der Schulzeit. Denn meine Mutter pflegte<br />
mich immer zu warnen, bestimmte Wörter nicht auszusprechen, wenn ich mit anderen Kindern spielte, auf<br />
der Hut zu sein, und es war mir ganz klar, woran das lag. Ich lebte ja im Grunde wie innerhalb einer jüdischen<br />
Familie, der einzige in Anführungsstrichen „Arier“, der einzige Goi, war mein Vater.<br />
Und er kam dann zu uns, hatte so einen kleinen Rucksack und verabschiedete sich von meiner Mutter und mir.<br />
Und er schenkte mir, er hatte einen sehr schönen Schnurrbart, er schenkte mir seine Schnurrbartbürste. Das<br />
war wie so ein letztes Zeichen, das ist die Erbschaft, das überlasse ich dir, und ich werde wahrscheinlich nicht<br />
wiederkommen. Und er ist auch nicht wiedergekommen.<br />
Günter Kunert blieb mit seinen Eltern in der Reichhauptstadt, die ab Herbst 1943 zum Ziel massiver Luftangriffe<br />
wurde. Aus „rassischen Gründen“ bekam die Familie Kunert in den Luftschutzkellern die schlechtesten<br />
Plätze. „Achtung, Achtung, wir geben eine Luftwarnmeldung. Feindliche Bomberverbände mit wechselnden<br />
Kursen…“<br />
Wir saßen im Keller und hörten, wie die Bomben fielen. Die Explosionen kamen immer näher. Und dann fing<br />
der Boden an zu schwanken wie ein Schiff im Sturm. Das Licht ging aus, die Frauen schrieen, und ich fand das<br />
irgendwie aufregend, muss ich gestehen. Ich hatte überhaupt keine Angst, weil ich mir sagte, diese Leute sind<br />
meine Alliierten, und die versuchen, diesen Krieg und diese Zeit und den Terror zu beenden, und die meinen<br />
ja nicht mich, wenn sie ihre Bomben abwerfen.<br />
Als die Rote Armee im April 1945 die Reichshauptstadt erreichte, zählte die Berliner Bevölkerung noch rund<br />
2,8 Millionen Menschen. Nur 6.000 Juden hatten Krieg und Verfolgung in der Stadt überlebt. Am 20. April<br />
1945 eröffnete die sowjetische Artillerie das Feuer auf Berlin. Fünf Tage später schwor Propagandaminister<br />
Josef Goebbels die Bevölkerung ein letztes Mal zur unabdingbaren Treue auf den Führer ein:<br />
Goebbels, 25. April, letzte Rundfunkrede: „Meine Berliner Volksgenossen und Volksgenossinnen! In den zurückliegenden<br />
Wochen ist in der Reichshauptstadt ein beachtliches Verteidigungswerk geschaffen worden,<br />
was von den Außenbezirken bis in die Stadtmitte reicht. An den Mauern unserer Stadt wird und muss der<br />
Mongolensturm gebrochen werden.“<br />
Die Russen kamen ja fast von allen Seiten und lagen in Weißensee und schossen dann über den S-Bahn-<br />
Damm, der wie ein Schutzwall war, mit Minenwerfern. Und weil ich es nicht in diesem Keller dauernd aushalten<br />
konnte, stand ich dann im Hausflur, aber in einem toten Winkel und konnte schräg auf die Straße sehen.<br />
War also bis zu einem gewissen Grade geschützt.<br />
Radiomeldung zu Hitlers Tod: „Aus dem Führerhauptquartier wird gemeldet, dass unser Führer Adolf Hitler