Antifa Hohenschönhausen - NEA
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Für die meisten Deutschen war der 8.Mai 1945 militärisch,<br />
wie auch politisch eine Niederlage. Für einige<br />
ist er es bis heute geblieben. Für uns ist und bleibt es<br />
der Tag der Befreiung.<br />
Es war die überwiegende Mehrheit der Deutschen,<br />
die der NSDAP per Stimmzettel in den Sattel halfen.<br />
Es waren die deutschen Unternehmen, die die Nationalsozialisten<br />
aus eigenem Profitinteresse förderten<br />
wo es nur ging. Von einer Befreiung der Deutschen<br />
vom Nationalsozialismus wollen wir nicht sprechen.<br />
Befreit wurden die Menschen, die sich der Nazi-Herrschaft<br />
widersetzt hatten und diejenigen, die auch ohne<br />
Widerstand geleistet zu haben, von den Nazis verfolgt<br />
wurden. Ihnen gilt unser Andenken. Trotz der Bereitwilligkeit<br />
vieler Deutscher ihre Nachbarn zu denunzieren,<br />
gab es mutige Menschen, die in einer Zeit der<br />
barbarischsten Ausformung der Unmenschlichkeit<br />
den Aufrechten Gang wahrten. Um diese Menschen<br />
soll es in diesem Heft gehen.<br />
Während sich im Nachkriegsdeutschland die Politspitzen<br />
noch weigerten den 8.Mai feierlich zu begehen,<br />
so ist er heute ein Teil bundesdeutscher Gedenkrituale<br />
und dient dazu sich als “geläuterter antifaschistischer<br />
Staat” zu präsentieren. Mit dem 20. Juli hat<br />
sich die Bundesrepublik allerdings einen Gedenktag<br />
geschaffen, der weit aus besser zu ihr passt. Am 20.<br />
Juli verübte Claus Schenk Graf von Stauffenberg<br />
einen Anschlag auf Adolf Hitler. Er und seine “Mitverschwörer”<br />
wurden daraufhin zum Tode verurteilt.<br />
Am 20. Juli wurden jedes Jahr deutsche Rekruten vereidigt,<br />
es gibt eine Reihe an Romanen und Filmen,<br />
die den Mythos von antifaschistischen Widerstandskämpfer<br />
Stauffenberg propagieren. Dass es ich bei<br />
Stauffenberg um einen überzeugten Nazi handelte,<br />
der schon vor seiner Karriere in der Wehrmacht in reaktionären<br />
Gruppierungen aktiv war, wird schön geredet<br />
oder verschwiegen.<br />
Wenn der Staat <strong>Antifa</strong>schismus zur “Chefsache” erklärt<br />
und nur noch Polizeirazzien als legitimes Mittel<br />
präsentiert werden, dann ist hier eine Parallele von<br />
der gegenwärtigen Staatspraxis zu dessen eigener<br />
“antifaschistischen” Geschichtsschreibung zu erkennen.<br />
Der Held Stauffenberg passt deswegen so gut<br />
zum deutschen Staat, weil er am Ende vor allem den<br />
Status Quo wollte, also eben keine andere Gesellschaft.<br />
Er passt gut zu Deutschland, weil der Kampf<br />
gegen den Faschismus, vor allem ein Fall für Männer<br />
Einleitung<br />
mit Rang und hohem Amt sein soll. Die Mär von der<br />
“Stunde Null” im Kontext der Befreiung, setzt der<br />
ganzen Inszenierung noch das i-Tüpfelchen auf, dient<br />
sie letzten Endes doch nur der Legitimierung der demokratisch-kapitalistischen<br />
Ordnung als bestes Mittel<br />
gegen Unterdrückung und Diktatur. Die notwendigen<br />
physischen Abwehrkämpfe gegen Neonazis, die<br />
eben nicht autorisiert sind, werden in der gegenwärtigen<br />
Debatte hingegen als “Extremismus” dargestellt,<br />
während Stauffenbergs Attentat und Polizeiknüppel<br />
als adäquate Mittel gehandhabt werden.<br />
Hinter dieser Mythenbildung und “antifaschistischer”<br />
Selbstlegitimierung, fallen die Biografien der Widerstandskämpfer<br />
zurück, die eben eine andere Gesellschaft<br />
wollten. Oder es werden deren politische<br />
Einstellungen verschwiegen, wenn diese zu weit links<br />
stehen. Georg Elser, ein gewöhnlicher Arbeiter aus<br />
christlichem Hause, der auch bei einem Attentat auf<br />
Hitler im Münchener Hofbräuhaus scheiterte, wird<br />
bis heute kaum beachtet. Auch dessen Verbindungen<br />
zum Rotfrontkämpferbund und anderen linken Kreisen<br />
werden nicht selten ausgelassen.<br />
Wir denken das eine reine Fokussierung auf die militärische<br />
Zerschlagung Nazideutschlands oder die von<br />
Staatswegen geförderte Heroisierung von Militaristen<br />
wie Stauffenberg oft auch den dezidierten Blick auf<br />
den Widerstand im Kleinen verbauen können. Diese<br />
Menschen hatten keine Armee zur Seite und haben<br />
trotzdem nicht weggesehen. Wir denken, dass wir gerade<br />
von diesen Menschen viel für unser Handeln im<br />
Hier und Jetzt ableiten können.<br />
Um auf eben jenen individuellen Widerstand aufmerksam<br />
zu machen, wollen wir den Blick auf die Gegend<br />
werfen, in der viele von uns wohnen und seit Jahren<br />
aktiv sind: Weißensee und <strong>Hohenschönhausen</strong>.<br />
Die Befreiung des Berliner-Nordostens vollzog sich<br />
schon einige Wochen vor der endgültigen Kapitulation<br />
Nazideutschlands am 21. und 22. April. Die Ereignisse<br />
rund um die Befreiung wollen wir mit unserer<br />
Broschüre ebenfalls dokumentieren. Vielleicht geht<br />
der_die eine oder andere nach der Lektüre mit einem<br />
geschärften Blick für die lokalen geschichtlichen Zusammenhänge<br />
durch den eigenen Kiez.<br />
Viel Spaß beim Lesen, wünscht euer Redaktionskollektiv<br />
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