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Antifa Hohenschönhausen - NEA

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14<br />

Geschichtsrevisionismusoder<br />

wie ein Kriegsverbrecher<br />

zum Friedensflieger werden kann...<br />

Wie widersprüchlich sich die Gefühle zur Geschichte<br />

verhalten, ist wieder um den 8. Mai 1945 zu vernehmen.<br />

Nunmehr fast 66 Jahre liegt dieser Tag zurück und<br />

markiert dennoch ein scheinbares Gefühlschaos in<br />

Deutschland: Niederlage? Schande? Oder doch Befreiung?<br />

Wenn in diesem Land heute von Geschichtsrevisionismus<br />

gesprochen wird, geht es vor allem um die<br />

bedeutendsten und einschneidendsten Ereignisse der<br />

jüngeren Geschichte: Shoa und Nationalsozialismus,<br />

Zwangsarbeit und Vertreibungen, Vernichtungskrieg<br />

und Antisemitismus. Geschichtsrevisionismus ist der<br />

Versuch, Geschichte und Geschichtsschreibung umzudeuten<br />

oder umzuschreiben, um anerkannte Schuld<br />

und Verantwortung abzustreiten sowie andere Ereignisse<br />

und Personen für die Verbrechen der Vergangenheit<br />

verantwortlich zu machen und sich somit zu<br />

entlasten. Geschichtsrevisionismus ist somit die Betrachtung<br />

der Geschichte entgegen der allgemein anerkannten<br />

Geschichtsdeutung.<br />

Ein Geschichtsrevisionismus, der die nationalsozialistische<br />

Vergangenheit Deutschlands zu relativieren<br />

oder gar zu beschönigen versuchte, kam erst wenige<br />

Jahre nach der Befreiung im Mai 1945 auf. Die politischen<br />

und sozialen Bedingungen für das Gedeihen jener<br />

Versuche, der rassistischen und nationalistischen<br />

Politik Deutschlands eine Existenzberechtigung zuzusprechen,<br />

wurde genau von denen gefördert, die<br />

mit der Zerschlagung des nationalsozialistischen<br />

Machtapparates an Macht und Einfluss verloren. SS,<br />

Wehrmacht, Hitlerjugend oder ordinäre Ex-NSDAP-<br />

Mitglieder, nationalsozialistische Amts- und Funktionsträger_innen<br />

sowie deren<br />

Sympathisant_innen, die aus allen Bereichen der<br />

Gesellschaft kamen: schon früh wurde von ihnen<br />

versucht, die Geschichte umzudeuten und damit<br />

gleichzeitig die Verbrechen zu relativieren, die dieses<br />

Regime mit seinen Millionen von „Volksgenossen“<br />

begangen hatte.<br />

Es waren Personen wie Annelies von Ribbentrop,<br />

die Witwe des hingerichteten Reichsministers Joachim<br />

von Ribbentrop, die 1954 von einer alliierten<br />

„Verschwörung gegen den Frieden“ schrieb und ver-<br />

suchte, die Aggressionskriege (sog. „Blitzkrieg“)<br />

Deutschlands zu einem „Selbstverteidigungskrieg“<br />

umzuschreiben. Die Attentäter vom 20.Juli 1944 um<br />

Stauffenberg wurden als Landesverräter bezeichnet<br />

und ihnen eine „Kriegsschuld“ nachgesagt. Der aggressive<br />

Geschichtsrevisionismus, der in den ersten<br />

Jahrzehnten im Nachkriegsdeutschland um<br />

sich ging, trachtete danach, das von den Alliierten und<br />

der Sowjetunion zerstörte völkische, nationalistische<br />

Selbstvertrauen der deutschen Täter_innen und den<br />

Kollaborateuren zu korrigieren. Der beendete Traum<br />

vom „Endsieg“ und der Krieg, der nicht an der fernen<br />

„Ostfront“, sondern direkt vor der eigenen Haustür<br />

ausgetragen wurde, zerstörte das nationalsozialistische<br />

„Glücks- und Heilsversprechen“ ganzer Generationen<br />

von Deutschen.<br />

Ein Eroberungskrieg als Abwehrkrieg?<br />

Die Jahre 1986/87 stellten eine Zäsur in der Geschichtsanalyse<br />

der nationalsozialistischen Vergangenheit<br />

dar. Der sogenannte „erste Historikerstreit“<br />

wurde u.a. ausgelöst vom Historiker Ernst Nolte, der<br />

in seinem Buch „Der europäische Bürgerkrieg“ die<br />

Verantwortung und Schuld des Nationalsozialismus<br />

gleich in mehrfacher Hinsicht relativierte. Seine Relativierungen<br />

wurden vom „kleinen Mann“ auf der<br />

Straße dankbar aufgegriffen, um sich vom sogenannten<br />

„Schuldkult“ endlich lossagen zu können und „die<br />

Deutschen“ (explizit: nicht-jüdische Menschen) als<br />

Opfer von zeithistorischen Umständen darzustellen.<br />

So wurde der deutsche Angriffskrieg auf die<br />

Sowjetunion als „Abwehrkrieg“ dargestellt und die<br />

Konzentrationslager als Antwort auf die stalinistischen<br />

Gulags der Sowjetunion bewertet. Statt die<br />

Aggressivität und den erklärten Vernichtungswillen<br />

der nationalsozialistischen Politik als solche zu betrachten,<br />

externalisierte er, d.h. schoben er und nachfolgende<br />

Historiker_innen die Kriegsschuld auf die<br />

Alliierten und die Sowjetunion. Mit seinen Zweifeln<br />

an der „technischen Durchführbarkeit“ (sic!) von<br />

Vergasungen in den KZs leistete er Vorschub für Holocaust-Relativierungen<br />

und –Leugnungen, die weit<br />

in die deutsche Gesellschaft vordrangen und teilweise<br />

noch heute existent sind. Ein zweiter sogenannter

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