Antifa Hohenschönhausen - NEA
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<strong>Antifa</strong>schistischer Widerstand<br />
in Berlin – Nordost 1933 bis 1945<br />
Als der Bäckermeister Alfred Hühnerbein aus der<br />
<strong>Hohenschönhausen</strong>er Hauptstraße 19 im Jahr 1948<br />
gefragt wurde, ob er irgendeine antifaschistische Tätigkeit<br />
oder Handlung nachweisen könne, antwortete<br />
er, er habe „Juden und <strong>Antifa</strong>schisten genauso wie<br />
Pgs. zuvorkommend behandelt“, also unter seiner<br />
Kundschaft im Bäckerladen in der Berliner Allee 179<br />
in Weißensee keinen Unterschied zwischen <strong>Antifa</strong>schisten<br />
und NSDAP-Parteigenossen (Pgs.) gemacht.<br />
Entfallen war dem vergesslichen Bäckermeister nicht<br />
nur, dass er selbst seit dem 8. Juli 1933 Mitglied der<br />
SA sowie weiterer vier faschistischer Organisationen<br />
war und seine Frau Erna der NS-Frauenschaft angehörte.<br />
Er hatte auch gänzlich verdrängt, dass er im<br />
Jahr 1943 seinem Kunden Heinrich Rodrian aus der<br />
Charlottenburger Straße 123, als dieser sich gegen<br />
die Politik Hitlers aussprach, entgegen schleuderte<br />
„Du gehörst ins KZ., mit solchen Leuten müsse man<br />
aufräumen.“ (Landesarchiv Berlin C Rep. 105, Nr.<br />
1884)<br />
So wie Hühnerbein wollten sich nach dem 8. Mai<br />
1945 die meisten Deutschen nur daran erinnern, dass<br />
sie in den Zeiten des Verbrechens anständig geblieben<br />
wären. Niemand war Nazi, bestenfalls war man<br />
Mitläufer, denn gegen die Nazis Widerstand zu leisten,<br />
sei unmöglich gewesen, man wäre doch sofort<br />
abgeholt worden. Diese deutsche Geschichtslüge<br />
dient auch heute noch dazu, antifaschistischen Widerstand<br />
und den Kampf gegen Kriege, Rassenhetze<br />
und Kapitalismus zu kriminalisieren oder als unmöglich<br />
darzustellen.<br />
Wie im gesamten Deutschen Reich und in Berlin gab<br />
es auch in seiner nordöstlichen Region, dort wo die<br />
Stadt damals allmählich in eine Dorf- und Rieselfelderlandschaft<br />
überging, während der Nazi-Herrschaft<br />
keinen breiten antifaschistischen Volkswiderstand gegen<br />
das NS-Regime. Diese beschämende historische<br />
Wahrheit wirft nicht nur ein bezeichnendes Licht auf<br />
die Haltungen, die Interessen und den Charakter der<br />
Weißenseer, <strong>Hohenschönhausen</strong>er, Malchower, Wartenberger,<br />
Falkenberger, Ahrensfelder, Heinersdorfer,<br />
Blankenfelder, Bucher und Karower jener Tage. Sie<br />
lässt vor allem die menschliche Größe und die Gefährdung<br />
der Wenigen unter ihnen erahnen, die es wagten<br />
zu widersprechen, sich zu verweigern, nicht mitzumachen,<br />
Verfolgten zu helfen, Flugblätter herzustel-<br />
len, die Rüstung zu sabotieren, eben Widerstand zu<br />
leisten. Aber wie wurde man Widerstandskämpfer?<br />
Benötigte man dazu politische Erfahrungen, Kenntnisse<br />
oder Mut?<br />
Der Ausgangspunkt jedes Widerstandes der einfachen<br />
Leute war das Eintreten für die Gleichheit aller Menschen,<br />
für Gerechtigkeit, war die Menschlichkeit. Ein<br />
Ereignis hatte in den 1930er Jahren in Malchow für<br />
Aufmerksamkeit gesorgt. Als der Befehl der Nazis<br />
erschien, dass alle Verkaufsläden das Schild „Juden<br />
unerwünscht“ zu führen hätten, befestigte auch der<br />
alte Gastwirt und Bäcker Conrad Stahlberg dieses<br />
Schild am Fenster seines Bäcker-Ladens Dorfstraße<br />
31a. Am nächsten Morgen stand darunter „SA- und<br />
SS-Männer auch“. Die Suche der Nazis nach dem<br />
Schreiber blieb erfolglos, aber alle im Dorf vermuteten<br />
den alten Stahlberg als Schreiber, weil er als<br />
Freund der Juden bekannt war.<br />
Im Jahr 1943 kam es infolge einer politischen Auseinandersetzung<br />
in der Betriebssportgruppe der<br />
Deutschen Niles Werke AG zu einer Prügelei in der<br />
Weißenseer Gastwirtschaft von Georg Jacob in der<br />
Feldtmannstraße 143. Einige antinazistischen Mitarbeiter<br />
der Deutschen Niles Werke, der Buchhalter<br />
Willy Feldhahn, der Monteur Artur Seefeld und der<br />
Dreher Willi Schäfer, wandten sich offen gegen Hitler,<br />
die NSDAP und den Krieg. Daraufhin wurden<br />
sie von NSDAP-Mitgliedern bei der faschistischen<br />
Betriebsleitung denunziert und von der Gestapo verhört<br />
und verwarnt. Feldhahn wurde die Einlieferung<br />
in ein KZ angedroht. Schäfers „UK-Stellung“ (unabkömmlich)<br />
wurde vom Werk aufgehoben und es<br />
erfolgte seine sofortige Einberufung zur Wehrmacht.<br />
Seefeld, der zudem russische Zwangsarbeiter sowie<br />
französische Kriegsgefangene, die ihm im Betrieb<br />
unterstellt waren, mit Lebensmitteln versorgte, wurde<br />
bestraft und erhielt ebenfalls umgehend einen Einberufungsbefehl.<br />
Ein weiterer langjähriger Mitarbeiter<br />
der Niles Werke, der Werkmeister Heinrich Hohberg,<br />
Weißensee Sedanstraße 80 (seit 1951 Bizetstraße),<br />
der mit einer Jüdin verheiratet war, weigerte sich, der<br />
Aufforderung der Werksleitung nachzukommen, sich<br />
von ihr scheiden zu lassen. Hohberg, der seit 1911 im<br />
Werk arbeitete und seit 1926 Werkmeister war, wurde<br />
am 8. März 1943 ohne Frist und Anhörung gekündigt.<br />
(LAB C Rep. 105, Nr. 1235, Bl. 213-216)