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Antifa Hohenschönhausen - NEA

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erhebliche Rolle. Nach 1934 wurde diese Strömung<br />

in Weißensee nicht mehr bekannt.<br />

Unter <strong>Antifa</strong>schismus war nicht irgendeine beliebige<br />

Gegenposition zu verstehen. Er beinhaltete immer<br />

das humanistische Anliegen, allen Schwächeren und<br />

Verfolgten zu helfen, ohne Ausnahmen, Einschränkungen<br />

und Bedingungen. Sein Kampf galt dem Unrecht<br />

insgesamt und nicht nur einzelnen Seiten oder<br />

Personen.<br />

Während des Krieges, von 1943 bis 1945, versteckte<br />

das sozialdemokratische Ehepaar Hedwig (1896-<br />

1978) und Otto Schrödter (1898-1971) in ihrem<br />

kleinen und beengten Einfamilienhaus in der <strong>Hohenschönhausen</strong>er<br />

Straße 156 Nr. 9 sechs jüdische Menschen,<br />

darunter ein zuerst sechs Monate altes Kind.<br />

1933 waren die Schrödters selbst vor dem SA-Terror<br />

aus Friedrichshain geflohen, wo die Eheleute als <strong>Antifa</strong>schisten<br />

bekannt waren, verfolgt und misshandelt<br />

wurden. Dort lebten sie in der Büschingstraße 30,<br />

zogen dann nach Prenzlauer Berg und 1934 schließlich<br />

nach <strong>Hohenschönhausen</strong> in ihr selbst erbautes<br />

bescheidenes Haus. Sie versorgten sie mit Lebensmitteln<br />

und bewahrten sie vor dem sicheren Tod. Der<br />

Widerstand der Schrödters zeigte, wie sinnvoll solche<br />

Einzelaktionen waren, denen scheinbar die Perspektive<br />

fehlte, denen aber die feste Überzeugung zugrundelag,<br />

dass die Unmenschlichkeit eines Tages besiegt<br />

wird. Der menschlich bewundernswerte Charakter<br />

der Schrödters äußerte sich in einer kompletten Ablehnung<br />

des faschistischen Alltags. Sie flaggten keine<br />

Nazi-Fahnen, ihren Sohn Herbert ließen sie nicht zur<br />

Hitlerjugend und Hedwig Schrödter wandte sich in<br />

Gesprächen offen gegen die Nazis, wofür sie viermal<br />

von der Gestapo vorgeladen wurde.<br />

Hedwig und Otto Schrödter<br />

Eine wahre Heldentat im illegalen antifaschistischen<br />

Kampf vollbrachte auch das Bäckerehepaar Elsa und<br />

Otto Hildebrandt, die Inhaber eines Ladens in der<br />

Quitzowstraße 51, heute Simon-Bolivar-Straße. Die<br />

Hildebrandts nahmen in den Jahren 1940 bis 1945 insgesamt<br />

dreizehn verfolgte Juden auf und versteckten<br />

sie im Keller der Bäckerei. Die Tat ist umso bewundernswerter,<br />

weil die Gegend eine Nazi-Ecke war.<br />

Umso mehr bewiesen die couragierten Bäckersleute,<br />

dass es überall in Berlin Möglichkeiten gab, den Bedrohten<br />

zu helfen. Der Arzt Dr. Heinz Ulrich Behrens<br />

aus <strong>Hohenschönhausen</strong>, Berliner Straße 1/2 war in<br />

diese Aktion eingeweiht.<br />

Ein beliebter und bekannter Arzt in den 1930er Jahren<br />

in <strong>Hohenschönhausen</strong> war Dr. Victor Aronstein. Seine<br />

Praxis befand sich in der Berliner Straße 126/Bahnhofstraße<br />

1 (seit 1985 Konrad-Wolf-Straße/Bahnhofstraße).<br />

Als Jude war er seit 1933 Verfolgungen und<br />

Demütigungen ausgesetzt. Sein breiter Patientenkreis<br />

aus verschiedenen sozialen Schichten sympathisierte<br />

mit ihm und unterstützte ihn. So wurde der Aufenthalt<br />

in seinem Wartezimmer zu einem Bekenntnis besonderer<br />

Art. Hier trafen sich politische Gegner der Nazis<br />

und organisierten Solidaritätssammlungen. 1941<br />

wurde Dr. Aronstein deportiert und kam in Auschwitz<br />

ums Leben.<br />

Es gilt auch, jener aufrechten Menschen zu gedenken,<br />

die im sicher geglaubten Hinterland aller <strong>Antifa</strong>schisten,<br />

in der Sowjetunion, ihr Leben lassen mussten.<br />

Stellvertretend für viele, die dem stalinistischen<br />

Terror der 1930er Jahre zum Opfer fielen, seien der<br />

Schuhmacher Johannes Pomierski, geboren 1903,<br />

Thaerstraße 6, Mitglied der KPD seit 1927, und der<br />

Koch Alfred Sorgatz, geboren 1891, Mitglied der<br />

KPD seit 1921, genannt. Beide Kommunisten waren<br />

Funktionäre des UB Berlin Nord-Ost. Sie emigrierten<br />

1933 bzw. 1934 in die Sowjetunion und wurden dort<br />

1937 und 1938 verhaftet und anschließend ermordet.<br />

Die stalinistischen Verbrechen können jedoch das<br />

Heldentum der Roten Armee bei der Befreiung vom<br />

Faschismus nicht relativieren, aber sie zeigen die Gefahr,<br />

die der Menschlichkeit, dem eigentlichen politischen<br />

Ziel des antifaschistischen Kampfes, selbst aus<br />

den eigenen Reihen drohen kann.<br />

Es fällt schwer, eine Bilanz des antifaschistischen<br />

Kampfes in Berlin-Nordost in seinen so vielfältigen<br />

Erscheinungsformen, den großen wie den kleinen, zu<br />

ziehen. Denn Widerstand wurde hier zu allen Zeiten<br />

und an allen Orten, in allen Straßen, und in allen sozialen,<br />

religiösen und politischen Gruppen geleistet.<br />

In Weißensee waren während der Jahre 1933 bis 1945<br />

schätzungsweise 2.700 Menschen in den Kampf gegen<br />

den Faschismus einbezogen, das waren 3,3 %<br />

seiner Bevölkerung. Die Ausstrahlung dieser Faschismusgegner<br />

auf weitere Sympathisanten und Freunde<br />

<strong>Antifa</strong>schistischer Widerstand in Berlin-Nordost /<br />

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