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Antifa Hohenschönhausen - NEA

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Historiker_innen-Streit folgte von 1996 bis 1998 im<br />

Zuge der sogenannten „Goldhagen-Debatte“ sowie<br />

der Rede zur Verleihung des Friedenspreises Martin<br />

Walsers, der sich endlich nach einem „Schlussstrich“<br />

unter der deutschen Vergangenheit und einem Ende<br />

„deutschen Schuldgefühle“<br />

gegenüber Jüdinnen und Juden sehnte.<br />

Geschichtsrevisionismus reloaded<br />

Nicht nur in rechtskonservativen Kreisen bietet Geschichtsrevisionismus<br />

die Möglichkeit zur Schuldentlastung<br />

der Täter_innen und der Abwehr von Verantwortung<br />

für deren Nachkommen. Noch heute stellt er<br />

eines der wichtigsten Elemente von Neonazi-Ideologien<br />

dar. Bekannteste Beispiele sind dabei Personen<br />

wie der SA-Führer Horst Wessel und Hitlers Stellvertreter<br />

Rudolf Heß. Gerade letzterer, der nach 46<br />

Jahren Haft im Spandauer Kriegsverbrechergefängnis<br />

1987 verstarb, dient der Nazi-Szene als Märtyrerfigur<br />

und Referenzperson und wird zum „Friedensflieger“<br />

umgelogen. Hintergrund für diesen Geschichtsmythos<br />

ist sein Versuch, im Jahr 1941 nach<br />

England zu fliegen, um ein Friedensabkommen mit<br />

englischen Vertretern auszuhandeln, da die militärischen<br />

Erfolge Nazi-Deutschlands zu kippen drohten.<br />

Der Versuch scheiterte, da „Bruchpilot Heß“ mit seinem<br />

Flugzeug über Schottland abstürzte und anschließend<br />

in britische Kriegsgefangenschaft genommen<br />

wurde. Heß wurde nach seinem Selbstmord zu einer<br />

Kultfigur aufgebaut und bundesweit mit alljährlichen<br />

Großdemonstrationen im bayrischen Wunsiedel und<br />

zahlreichen Aufkleber-, Plakatier- und Sprühaktionen<br />

im gesamten Bundesgebiet gedacht, die bis heute<br />

rund um den 17. August statt finden. Vor diesem Hintergrund<br />

scheint es nur konsequent,<br />

dass der Selbstmord zu einem „Mord“ versucht wird<br />

umzudeuten, um sich als Opfer „alliierter Verbrechen“<br />

ausgeben zu können. Der Mythos vom „Bombenterror“<br />

bzw. dem „Bombenholocaust“, der Luftangriffe<br />

auf Dresden um den 13. Februar 1945 ist bereits weit<br />

in das kollektive bundesrepublikanische Gedächtnis<br />

vorgedrungen, von der NPD bis tief in bürgerliche<br />

Kreise. Durch Relativierung der Bedeutung Dresdens<br />

als kriegswichtige Stadt an der sogenannten „Heimatfront“<br />

und der Gleichsetzung Dresdens mit den<br />

Atombombenangriffen auf Hiroshima und<br />

Nagasaki wird die Frage nach Verantwortung für den<br />

Kriegsausbruch und das Verbrechen der Deutschen<br />

weit nach hinten gestellt und der „alliierte Bombenterror“<br />

in den Vordergrund gerückt. Vorherige Ereignisse<br />

wie die verheerenden deutschen Bombardements,<br />

beispielsweise gegen englische Städte wie<br />

Coventry, Liverpool oder London werden konsequent<br />

ausgeblendet. Deutschland, Dresden - wirklich alles<br />

Opfer?<br />

Das Ende der Geschichte?<br />

Geschichtsrevisionismus ist also die (von rechts) versuchte<br />

Aussöhnung der Vergangenheit mit der Gegenwart.<br />

Mithilfe der Relativierungen und der Leugnung von<br />

deutschen Verbrechen wird von rechtskonservativen<br />

Kreisen bis hin zur Neonazi-Szene versucht, Schuld<br />

abzuwehren und die nationalistische und rassistische<br />

Politik Deutschlands zu rehabilitieren. Auch<br />

die multimediale Inszenierung „deutscher Unschuld“<br />

nimmt dabei zu. Ob im literarischen Korsett von Jörg<br />

Friedrichs „Der Brand“ oder der Fernsehproduktion<br />

„Dresden“: Durch die undifferenzierte, vereinfachte<br />

und personalisierte Darstellung der Geschichte lassen<br />

sich Phänomene wie die „Volksgemeinschaft“ nicht<br />

erklären. Eine geschichtsrevisionistische Vergleichslogik<br />

versperrt dabei den wichtigen Blick auf Ursache<br />

und Wirkung. „So schlimm wie sie es uns erzählen<br />

wollen, war es nicht...“, schallt<br />

es. Die Deutung der Geschichte ist daher auch immer<br />

eine machtpolitische Realität. Anhand der mythenhaften<br />

Inszenierung von Stauffenberg lässt sich nachweisen,<br />

wie ein Antisemit, Militarist und völkischer<br />

Rassist zu einer Entlastungsperson umgelogen wird.<br />

Die angebliche Existenz eines Widerstandes, der<br />

sich in Wahrheit als nationalistische „Ehrenrettung“<br />

Deutschlands entpuppte, soll belegen, dass die nationalsozialistische<br />

Politik nicht ohne Widerspruch „im<br />

Volke“ geschah. Die Verankerung dieses Mythos im<br />

kollektiven Gedächtnis besorgen neben dem Museum<br />

des deutschen Widerstandes in Berlin auch massenkompatible<br />

Filme wie „Operation Walküre“. Die<br />

Bundesrepublik instrumentalisiert Stauffenberg zum<br />

„Nationalhelden“ und gibt den kommunistischen,<br />

sozialdemokratischen und jüdischen Widerstandskämpfer_innen<br />

kaum Gedenkmöglichkeiten.<br />

Schon die bloße Möglichkeit eines Widerstandes, der<br />

für eine andere Gesellschaft kämpfte, soll für<br />

vernachlässigbar erklärt werden, ein gesellschaftlicher<br />

Gegenentwurf nicht realistisch sein.<br />

Dem erteilen wir eine klare Absage und stellen uns<br />

gegen Geschichtslügen -<br />

kein Vergessen und kein Vergeben deutscher Verbrechen!<br />

Ein Beitrag der Gruppe North East <strong>Antifa</strong>scists<br />

Geschichtsrevisionismus /<br />

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