Sexuell grenzverletzende Kinder â Praxisansätze und ihre ...
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Verborgenen stattgef<strong>und</strong>en haben. Befragt man hingegen Eltern oder<br />
Erzieher- bzw. Lehrpersonal über sexuelle Verhaltensweisen von<br />
<strong>Kinder</strong>n, so bleiben naturgemäß alle Verhaltensweisen, die <strong>Kinder</strong> vor<br />
<strong>ihre</strong>n Bezugspersonen verbergen, unberücksichtigt. Aus diesen unterschiedlichen<br />
experimentellen Herangehensweisen lassen sich gegenläufige<br />
Bef<strong>und</strong>e hinsichtlich der Altersabhängigkeit sexuellen Verhaltens<br />
von <strong>Kinder</strong>n ableiten. Während manche Studien zu dem Ergebnis<br />
kommen, dass sexuelle Verhaltensweisen in der Latenzzeit abnehmen<br />
(z.B. Friedrich et al., 1998), legen retrospektive Berichte genau das<br />
Gegenteil nahe, was angesichts von Gedächtniseffekten wenig überrascht.<br />
Zudem ist davon auszugehen, dass sich ältere <strong>Kinder</strong> zunehmend<br />
des „privaten“ <strong>und</strong> „schambesetzten“ Charakters sexuellen Handelns<br />
bewusst sind <strong>und</strong> im Verlaufe <strong>ihre</strong>r Autonomieentwicklung vermehrt<br />
Möglichkeiten vorfinden, solche Verhaltensweisen vor <strong>ihre</strong>n erwachsenen<br />
Bezugspersonen zu verbergen (Bancroft, Herbenick &<br />
Reynolds, 2003).<br />
Stichprobe: Hinsichtlich der Verhaltensbeobachtung von <strong>Kinder</strong>n<br />
werden unterschiedliche Ergebnisse erzielt in Abhängigkeit davon, ob<br />
Eltern oder MitarbeiterInnen aus <strong>Kinder</strong>betreuungseinrichtungen als<br />
Informanten dienen (Larsson & Svedin, 2002; Elkovitch et al., 2009).<br />
Messinstrument: <strong>Sexuell</strong>es Verhalten von <strong>Kinder</strong>n kann entweder<br />
mithilfe von Verhaltensinventaren erfasst werden oder aber durch die<br />
Auswertung narrativer Berichte. Beide Verfahren beinhalten die bekannten<br />
Stärken <strong>und</strong> Schwächen quantitativer <strong>und</strong> qualitativer Erhebungsmethoden.<br />
Eine Kombination solcher Verfahren erscheint erstrebenswert,<br />
wird aber in der Praxis selten zum Einsatz gebracht (Lamb<br />
& Coakley, 1993).<br />
Kulturelle Unterschiede: Systematische Studien zum normalen sexuellen<br />
Verhalten von <strong>Kinder</strong>n liegen vor allem aus den USA <strong>und</strong> aus<br />
skandinavischen Ländern vor. Die Annahme liegt nahe, dass sich<br />
sexuelles Verhalten von <strong>Kinder</strong>n durchaus kultursensibel ausgestaltet.<br />
Die Generalisierbarkeit von Bef<strong>und</strong>en ist daher beschränkt. Kulturvergleichende<br />
Studien liegen nur in geringer Zahl vor, belegen aber die<br />
These von relevanten Unterschieden (Friedrich et al., 2000; Larsson,<br />
Svedin & Friedrich, 2000; Schoentjes, Deboutte & Friedrich, 1999). Für<br />
Deutschland liegt noch keine systematische, alters- <strong>und</strong> geschlechtsdifferenzierte<br />
Studie zum normalen sexuellen Verhalten von <strong>Kinder</strong>n<br />
vor.<br />
Messzeitpunkt: Es ist anzunehmen, dass sich sexuelles Verhalten von<br />
<strong>Kinder</strong>n im „historischen“ Verlauf verändert. Studien, die vor 20 Jahren<br />
durchgeführt wurden, haben in Bezug auf aktuelle Entwicklungen in<br />
diesem Feld möglicherweise nur eine beschränkte Aussagekraft<br />
(Reynolds, Herbenick & Bancroft, 2003).<br />
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Versuch einer Definition<br />
von normaler kindlicher sexueller Aktivität zahlreichen Einschränkungen<br />
unterworfen ist. Dies hat einerseits mit der beschriebenen methodischen<br />
Variabilität zu tun, anderseits aber auch damit, dass „Normalität“ generell<br />
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