09.01.2013 Aufrufe

Sexuell grenzverletzende Kinder – Praxisansätze und ihre ...

Sexuell grenzverletzende Kinder – Praxisansätze und ihre ...

Sexuell grenzverletzende Kinder – Praxisansätze und ihre ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

„Hierarchieklärungen“ verbrämt sind, tatsächlich aber explizite sexuelle<br />

Übergriffe darstellen (Enders, 2012). Aufgr<strong>und</strong> <strong>ihre</strong>r „kulturellen Einbettung“<br />

<strong>und</strong> aufgr<strong>und</strong> der Annahme, dass beteiligte Jungen sozusagen<br />

selbstorganisierte Formen des Umgangs mit diesen „Spielen“ finden<br />

würden, besteht die Gefahr einer Bagatellisierung solcher Handlungen. Es<br />

wäre aber ein fataler Irrtum zu glauben, dass sexuelle Gewalt i.S. von<br />

„Lausbubenstreichen“ als Mittel zur Integration in Gruppen funktionalisiert<br />

werden kann. Es muss im Gegenteil davon ausgegangen werden, dass insbesondere<br />

mit sexualisierten Ritualen eine massive Botschaft des Ausschlusses<br />

transportiert wird, wobei sich dieser Ausschluss nicht nur auf bestimmte<br />

Peer-Gruppen beziehen dürfte, sondern insgesamt auf die Zugehörigkeit<br />

zum männlichen Geschlecht (Schlingmann, 2011).<br />

Mit den besonderen Risiken stationär untergebrachter <strong>Kinder</strong> beschäftigte<br />

sich eine Untersuchung von Farmer & Pollock (1998). Bei 38%<br />

einer Stichprobe aus fremduntergebrachten <strong>Kinder</strong>n konnte sexueller Missbrauch<br />

in der Vorgeschichte <strong>und</strong>/oder sexuell übergriffiges Verhalten<br />

nachgewiesen werden. Bei den Über-10-Jährigen stieg dieser Anteil auf<br />

47%. Bezogen auf psychopathologische Begleiterscheinungen stellten die<br />

Autorinnen fest, dass sexuell viktimisierte <strong>und</strong> sexuell auffällige <strong>Kinder</strong><br />

noch belasteter sind als andere stationär untergebrachte <strong>Kinder</strong>. Eine Rekonstruktion<br />

der Betreuungsverläufe ergab, dass die sexuell viktimisierten<br />

<strong>und</strong> sexuell auffälligen <strong>Kinder</strong> eine höhere Wahrscheinlichkeit hatten, schon<br />

vor der Indexmaßnahme untergebracht gewesen zu sein, dass sie insgesamt<br />

länger institutionell betreut worden waren als die Vergleichsgruppe der<br />

nicht sexuell auffälligen <strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> dass sie bereits in den ersten 6<br />

Monaten <strong>ihre</strong>r Unterbringung signifikant mehr Betreuungswechsel (z.B.<br />

auch zwischen Heimunterbringung <strong>und</strong> Pflege) hatten. Zudem wiesen sie<br />

auch massivere Schulprobleme auf. In Bezug auf die Dysfunktionalität<br />

familiärer Kontexte, denen diese <strong>Kinder</strong> ausgesetzt waren, werden die Erkenntnisse<br />

aus anderen Studien bestätigt. Farmer & Pollock identifizieren<br />

sexuell viktimisierte <strong>und</strong> sexuell auffällige <strong>Kinder</strong> als besondere Risikopopulation<br />

im Bereich der stationären <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendhilfe. Sie konnten<br />

nachweisen, dass viele dieser <strong>Kinder</strong> im Beobachtungs- <strong>und</strong> Follow-up-<br />

Zeitraum erneut mit sexuell übergriffigem Verhalten in Erscheinung traten.<br />

Dass ein Großteil der in der englischen Untersuchung von Farmer &<br />

Pollock (1998) berichteten Ergebnisse auch auf deutsche Verhältnisse übertragbar<br />

zu sein scheint, zeigen die von Schuhrke & Arnold (2009) im<br />

Rahmen einer Auswertung von EVAS-Daten erhobenen Bef<strong>und</strong>e. Aus einer<br />

Stichprobe von 5119 <strong>Kinder</strong>n <strong>und</strong> Jugendlichen, die in (teil-)stationären<br />

Hilfen betreut wurden, wurden Daten zu sexuellen Auffälligkeiten isoliert<br />

erhoben. Dabei konnten die AutorInnen bei 13,4% der Gesamtstichprobe<br />

zumindest ein leicht ausgeprägtes sexuelles Symptom nachweisen. In 109<br />

Fällen (2,2%) lag eine Diagnose „Störung des Sexualverhaltens“ vor. Analog<br />

zu anderen Studien wurde gef<strong>und</strong>en, dass das Geschlechterverhältnis bei<br />

<strong>Kinder</strong>n <strong>und</strong> Jugendlichen mit sexuellen Symptomen nahezu ausgeglichen<br />

ist. Betrachtet man aber nur jene Fälle mit einer diagnostizierten Störung<br />

des Sexualverhaltens <strong>und</strong>/oder einer Verurteilung wegen einer Straftat<br />

gegen die sexuelle Selbstbestimmung, so sind hier Jungen überproportional<br />

59

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!