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Sexuell grenzverletzende Kinder – Praxisansätze und ihre ...

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Ausgangspunkt verschiedene Entwicklungsstränge verzweigen, die schließlich<br />

zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führen. Ein Beispiel hierfür<br />

wären die Folgen, die sich aus sexuellen Misshandlungen ergeben. Wie<br />

bereits dargestellt, sind diese Folgen nicht auf ein bestimmtes Symptom,<br />

nicht einmal auf einen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartenden<br />

Symptomkomplex zu reduzieren. Auch wenn Kendall-Tackett et al. (1993)<br />

ein vermehrtes Vorkommen von PTBS-Symptomen <strong>und</strong> sexuellen Verhaltensauffälligkeiten<br />

identifiziert haben, so ist doch in Betracht zu ziehen,<br />

dass die Auswirkungen sexueller Gewalt eine kaum überschaubare Bandbreite,<br />

inklusive asymptomatischer Verläufe, umfassen (Zimmermann et al.,<br />

2011; Tyler, 2005). <strong>Sexuell</strong>e Verhaltensprobleme im Kindesalter stellen eine<br />

mögliche Folgewirkung sexuellen Missbrauchs dar. Das Konzept der Multifinalität<br />

legt aber nahe, dass solche Verhaltensmanifestationen nur eine von<br />

vielen möglichen Konsequenzen sein können <strong>und</strong> es auch eine erhebliche<br />

Wahrscheinlichkeit gibt, dass sexuelle Verhaltensprobleme nicht auftreten.<br />

Demgegenüber bezeichnet Äquifinalität, dass sich ein relativ häufig anzutreffendes<br />

Entwicklungsergebnis aus durchaus unterschiedlichen Ausgangspunkten<br />

ergeben kann. Im vorliegenden Fall heißt dies: Viele unterschiedliche<br />

Faktoren <strong>und</strong> Prozesse führen zum beobachtbaren Endergebnis<br />

„<strong>Sexuell</strong>e Verhaltensprobleme im Kindesalter“. <strong>Sexuell</strong>er Missbrauch ist nur<br />

einer von vielen möglichen Geschehnissen, die zu diesem Ergebnis beitragen<br />

können.<br />

Um diese möglichen Faktoren zu strukturieren <strong>und</strong> begrifflich zu fassen,<br />

bedienen sich Elkovitch et al. der von Bronfenbrenner (1979) entwickelten<br />

Unterscheidung zwischen Makrosystem, Exosystem <strong>und</strong> Mikrosystem.<br />

Zudem sprechen sie von ontogenetischen Charakteristika der <strong>Kinder</strong>. Diese<br />

Systeme repräsentieren gleichzeitig auftretende Einflussbereiche, die zur<br />

Entwicklung sexuellen Problemverhaltens beitragen. Diese Terminologie<br />

erscheint sinnvoll, um die Vielfalt der oben beschriebenen Risiko- (aber<br />

auch Schutzfaktoren) für das Auftreten kindlicher sexueller Verhaltensprobleme<br />

begrifflich zu fassen <strong>und</strong> zu ordnen. Als Beispiele für ontogenetische<br />

Charakteristika des Kindes führen Elkovitch et al. das Alter <strong>und</strong> das<br />

Temperament des Kindes an. Das Mikrosystem bezieht sich primär auf<br />

familiäre Faktoren, wie z.B. den elterlichen Erziehungsstil. Das Exosystem<br />

meint einen Bereich, den man als sozialen Nahraum bezeichnen könnte,<br />

z.B. Nachbarschaft oder Institutionen. Im Makrosystem schließlich sind<br />

kulturelle Überzeugungen repräsentiert oder die für das hier diskutierte<br />

Themenfeld so wichtigen Geschlechterstereotypen.<br />

Die oben berichteten Bef<strong>und</strong>e machen deutlich, dass sexuelle Verhaltensauffälligkeiten<br />

im Kindesalter als Resultat eines zumeist komplexen<br />

Zusammenspiels verschiedener Wirkfaktoren aufzufassen sind. Diese Faktoren<br />

dürften in den meisten Fällen in den von Bronfenbrenner beschriebenen<br />

Systemkonfigurationen anzusiedeln sein. Diese Einsicht hat<br />

wesentliche Implikationen insbesondere für die Planung von Interventionen<br />

<strong>und</strong> Behandlungen, die der Komplexität der Entstehungszusammenhänge<br />

gerecht werden müssen.<br />

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