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Ludwig Mühlberg
DIE BEDEUTUNG VON PARACELSUS FÜR DIE CHEMIE
1. Einleitung
PARACELSUS (1493–1541) war in erster
Linie Arzt, und dieser Beruf führte ihn
dazu, auf alchemisch-spagyrischem Wege
Arzneimittel zur Genesung von kranken
Menschen herzustellen. Durch seine intensiven,
langjährigen experimentellen Arbeiten
auf alchemischem Gebiet öffnete er
das Tor für eine „ärztliche Chemie“, die in
der „Geschichte der Chemie“ als das „jatrochemische
Zeitalter“ bezeichnet wird –
mit ihm beginnend und lange nach seinem
Tode noch gültig.
Es soll u. a. untersucht werden, was PA-
RACELSUS als Alchemist geleistet hat,
was man eigentlich unter dem Begriff „Alchemie“
versteht und in welchem Verhältnis
die damalige „Alchemie“ und die jetzige
„Naturwissenschaft Chemie“ zueinander
stehen?
PARACELSUS wirkt in der 1. Hälfte
des 16. Jahrhunderts, also am Beginn der
Neuzeit, was für die Menschheit des alten
Europa unauslöschbar mit dem Jahr 1492
n. Chr. verbunden ist, jenem denkwürdigen
Datum, das KOLUMBUS
(1451–1506) unsterblich macht. PARA-
CELSUS wird ein Jahr später geboren.
Die Zeit davor ist eine relativ geruhsame
Phase. Um die Jahrtausendwende ist entgegen
kirchlicher Erwartungen kein Weltuntergang
eingetreten. In den darauf folgenden
Jahrhunderten inspiriert ein durch
die Kreuzzüge verursachtes religiöses
Fieber das Abendland. Der dumpfe Schlaf,
der sich über die abendländische Welt
legte, ist plötzlich vergessen. Die Berührung
mit dem Morgenland führt zu wichtigen
Kontakten und Anregungen insbesondere
für die kommende europäische
Alchemie.
Angetrieben durch die neuen Erkenntnisse
und das Streben nach Kultur, Bildung
und Wissenschaft werden erste europäische
Universitäten gegründet, darunter
die in Ferrara (1381), wo PARACELSUS
1516 zum Doktor beider Arzneien promoviert.
Basierend auf den Berichten MARCO
POLOS (1254–1324) sind die Menschen
des 15. Jahrhunderts vom Traum, nach Indien
zu gelangen, erfüllt, und vor allem
am Ende dieses Jahrhunderts und im
Übergang zum 16. Jahrhundert wird diese
Sehnsucht realisiert. Denken wir neben
KOLUMBUS an solche Männer wie
VASCO DA GAMA oder MAGELLAN,
deren mutige Fahrten über die Meere das
alte Weltbild umwälzend korrigieren.
Von ähnlich revolutionierender Bedeutung
für die Menschheit ist zu jener Zeit
die Erfindung der Buchdruckerkunst durch
GUTENBERG (1397–1468). Ohne sie
hätte die schnelle Verbreitung von Humanismus,
Renaissance und Reformation
nicht stattfinden können. Ein markanter
Vertreter des Humanismus zur Wende
vom 15. zum 16. Jahrhundert ist ERAS-
MUS v. ROTTERDAM (1466–1536), dessen
satirische Angriffe gegen die Kirche die
spätere Reformation von Martin LUTHER
(1483–1546) mit vorbereiten. PARACEL-
SUS begegnet 1527 ERASMUS in Basel.
Große Geister, die im gleichen Zeitraum
Geschichte schreiben.
Ein neues Lebensgefühl ist ausgebrochen,
die Menschen treten mit aller Macht aus
den Ordnungen der alten Zeit heraus, die
geistige Wende von Mittelalter zu Neuzeit
wird immer spürbarer, und PARACELSUS
charakterisiert diese historische Zäsur mit
den Worten:
„So wisset nun ... dass die Bücher, so an euch
und an mich von den Alten her gelangt sind,
mich genugsam zu sein nicht gedeucht haben,
denn sie sind nicht vollkommen, sondern sie
stellen eher eine unzuverlässige Schrift dar, die
mehr zur Verführung dient als zum Beschreiten
des rechten Weges. Aus dem gleichen Grunde
habe ich sie verlassen.“ (15, XI; 163)
Das geniale Wirken von PARACELSUS
zu Beginn des 16. Jahrhunderts hat der