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Marcel Proust Hommage von Andreas Isenschmid |Sigmund Freud ...

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gaËtan BaLLY / KeYstOne<br />

Kolumne<br />

Charles Lewinskys Zitatenlese<br />

Charles Lewinsky,<br />

63, ist Schriftsteller,<br />

Radio- und TV-Autor<br />

und lebt in Frankreich.<br />

Sein neues Buch<br />

«Doppelpass» ist<br />

kürzlich bei Nagel &<br />

Kimche erschienen.<br />

Ein Roman ist ein<br />

Roman, wie ein Pudding<br />

ein Pudding ist. Bei<br />

beiden besteht die<br />

Aufgabe darin, sie so zuzubereiten,<br />

dass sie gerne verzehrt werden.<br />

Henry James<br />

Man nehme, je nach geplantem Buchumfang,<br />

drei bis sieben gut abgehangene<br />

Charaktere, vorzugsweise aus<br />

eigener Jagd in freier Wildbahn. Sollten<br />

Sie wegen anderweitiger Verpflichtungen<br />

wie Lesungen und Autogrammstunden<br />

zum Selberjagen – oder, wie<br />

der Fachmann das nennt: Erleben –<br />

keine Zeit haben, so ist das auch nicht<br />

weiter schlimm. Sie können bei der<br />

Besorgung Ihrer Protagonisten selbstverständlich<br />

auch auf Konserven<br />

zurückgreifen, wobei sich die grossen<br />

Marken wie Homer oder Shakespeare<br />

schon bei vielen Literaturköchen<br />

bewährt haben. Falls Ihren Charakteren<br />

die Wiederverwertung allzu deutlich<br />

anzumerken ist, empfiehlt es sich,<br />

stilistisch entsprechend kräftiger zu<br />

würzen.<br />

In alten Kochbüchern wird oft auch<br />

noch eine sogenannte Handlung als<br />

unabdingbarer Bestandteil jedes<br />

Buches genannt. In der modernen<br />

Küche sieht man das jedoch nicht mehr<br />

so eng.<br />

Ganz wichtig ist aber die Wahl des<br />

richtigen Gefässes für Ihr Menu. Wenn<br />

Sie sich für ein zu grosses Format entscheiden,<br />

besteht die Gefahr, dass ihre<br />

Figuren allzu sehr ausgekocht werden<br />

müssen und entsprechend blutleer werden.<br />

Merke: Eine prägnant angerichtete<br />

Kurzgeschichte mundet oft besser als<br />

ein mit zu viel Wortsauce gestreckter<br />

Roman.<br />

Bevor Sie die Figuren in das ausgewählte<br />

Gefäss packen, sollten diese in<br />

der gewünschten Duftnote mariniert<br />

werden. Die beliebteste Geschmacksrichtung<br />

ist nach wie vor Liebe (in<br />

jedem guten Arztroman erhältlich).<br />

Aber auch Weltschmerz, Tragik oder<br />

junges Glück werden immer wieder<br />

gern genommen. Wenn Sie eine grössere<br />

Zahl <strong>von</strong> Kunden verpflegen wollen,<br />

ist es in der Regel ratsam, auf allzu<br />

pikante Gewürze wie Zynismus oder<br />

Pornografie zu verzichten.<br />

Hacken Sie das Ganze in nicht allzu<br />

lange Sätze, weil diese ungeübten<br />

Lesern beim Verzehr oft Probleme<br />

bereiten. In Ihrer persönlichen Stil-<br />

Bouillon sautieren und bei mittlerer<br />

Hitze kochen. Allzu grosses Feuer ist<br />

nur bei Abenteuerromanen und Biografien<br />

<strong>von</strong> Brandstiftern zu empfehlen.<br />

Und dann: rühren, rühren, rühren.<br />

Denken Sie immer an die Devise der<br />

Meisterköchin Hedwig Courths-<br />

Mahler: «Zu viel Rührung kann es gar<br />

nicht geben.»<br />

Das fertige Buch mit einem gut<br />

gestalteten Umschlag und ein paar hübschen<br />

Klappentexten<br />

garnieren und rechtzeitig<br />

vor der Buchmesse<br />

servieren.<br />

Auf gutes Gelingen!<br />

Kurzkritiken Sachbuch<br />

Giorgio Vasari: Das Leben des<br />

Michelangelo. Wagenbach, Berlin 2009.<br />

576 Seiten, Fr.43.70.<br />

Nicht Leonardo da Vinci oder Sandro<br />

Botticelli, sondern Michelangelo Buonarroti<br />

war für Giorgio Vasari der grösste<br />

Künstler. In ihm gipfelt für den Biografen<br />

die Entwicklung der Kunst, er<br />

erfüllt am reinsten den universalen<br />

Anspruch der Renaissance. Vasari rückt<br />

den Michelangelo des David, seines<br />

jugendlichen Bravourstücks in Florenz,<br />

ebenso vor uns wie den Künstler der<br />

Päpste. Ein Tausendsassa und Energiebolzen,<br />

der den jüngeren Künstlern Vorbild<br />

sein sollte und den wir heute eher<br />

mit gemischten Gefühlen betrachten.<br />

Uns faszinieren eher die Brüche in der<br />

Biografie. Diese rückt der Kunsthistoriker<br />

Horst Bredekamp ins Zentrum seiner<br />

fünf Essays zum Künstler («Michelangelo»,<br />

Wagenbach 2009). Vom unzuverlässigen<br />

Vertragspartner bis zum<br />

exorbitant bezahlten Architekten des<br />

Petersdoms entsteht das Bild einer faszinierenden<br />

Persönlichkeit.<br />

Gerhard Mack<br />

Christine Kopp: Schlüsselstellen.<br />

49 Geschichten aus den Bergen. Filidor,<br />

Reichenbach 2009. 112 Seiten, Fr.28.–.<br />

«Die Puddingschlange» oder «Gipfelkuss<br />

mit Schweizer Armee»: Nicht nur<br />

die Titel der Kurzgeschichten sind ausgefallen.<br />

Auch deren Inhalt mitsamt den<br />

gelungenen Schwarzweissfotomontagen<br />

<strong>von</strong> Alex Luczy sind es. «Schlüsselstellen»<br />

heisst das kleine, feine Büchlein –<br />

gemeint sind eher Schlüsselerlebnisse.<br />

Jene, die wir aus den Bergen nach Hause<br />

nehmen oder <strong>von</strong> anderen berichtet<br />

erhalten. Spätestens beim Kapitel über<br />

«Die schönen blauen Schuhe» weiss die<br />

Leserschaft: Die Schlüsselstellen in den<br />

Bergen, die uns so oft herausfordern,<br />

haben ihren Ursprung anderswo. Und<br />

nicht selten «setzt der Mensch immer<br />

wieder selber erschütternde Denkmale<br />

seines Tuns» in den Bergen. Die Sehnsucht<br />

nach der Bergwelt, die heilende<br />

Wirkung ausübt, ist für die Alpinistin<br />

Christine Kopp Gewissheit genug, dass<br />

wir immer wieder aufbrechen.<br />

Charlotte Jacquemart<br />

Hans-Peter Bärtschi: Industriekultur im<br />

Kanton Zürich.<br />

Rotpunkt, Zürich 2009. 299 Seiten, Fr.42.–.<br />

Drei Jahre nach der «Industriekultur im<br />

Kanton Bern» folgt nun das Pendant für<br />

den Kanton Zürich. Wieder beackert der<br />

Architekt und Wirtschaftshistoriker<br />

Hans-Peter Bärtschi sein Spezialgebiet<br />

mit Engagement und Begeisterung. Entstanden<br />

ist ein Wanderführer der anderen<br />

Art, der zu Spinnereien im Tösstal<br />

oder zur Winterthurer Schwerindustrie<br />

führt. Bärtschi macht klar, dass auch die<br />

Industrie Teil unserer Kultur ist, dass<br />

deren Anlagen zu pflegen, zu inventarisieren<br />

und vor dem Vergessen zu bewahren<br />

sind. Maschinenfabriken, Rangierbahnhöfe<br />

und Arbeitersiedlungen haben<br />

durchaus ihren architektonischen Reiz,<br />

der im Umbau weitläufiger Fabrikhallen<br />

in teure Lofts gipfelt. Bärtschi verschweigt<br />

auch nicht das Arbeiterelend<br />

im 19.Jahrhundert mit Wochenarbeitszeiten<br />

<strong>von</strong> bis zu 84 Stunden. Der Führer<br />

liefert Routenbeschreibungen, Karten,<br />

Literatur- und Internethinweise.<br />

Geneviève Lüscher<br />

Gerhard Jelinek: Reden, die die Welt<br />

veränderten. Ecowin, Salzburg2009.<br />

310 Seiten, Fr.34.50.<br />

Einige der Reden kennt man, andere<br />

überraschen – Marie Curies Plädoyer für<br />

Radium etwa oder Steve Jobs Rede über<br />

den Tod, nach der Krebsdiagnose. Längst<br />

nicht alle hier versammelten Reden<br />

haben die Welt verändert, wie der Titel<br />

verspricht. Doch für einen geschichtlichen<br />

oder gesellschaftlichen Moment<br />

stehen sie allemal. Es ist deshalb frappierend,<br />

wie ihre chronologische Abfolge<br />

die Zeit ins Bewusstsein ruft, die <strong>von</strong><br />

der langen Bergpredigt Jesu bis zum<br />

kurzen Satz Neil Armstrongs auf dem<br />

Mond und zu Barack Obamas «Yes, we<br />

can» verflossen ist. Die meisten Reden<br />

sind begreiflicherweise stark gekürzt<br />

wiedergegeben, alle werden <strong>von</strong> einem<br />

einordnenden Text des Autors begleitet.<br />

Und ab der «Balkonrede» Kaiser Wilhelms<br />

II. vom 1.August 1914 kann man<br />

sie, über die entsprechenden Links im<br />

Quellenverzeichnis, sogar live hören.<br />

Kathrin Meier-Rust<br />

31. Januar 2010 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 15

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