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Marcel Proust Hommage von Andreas Isenschmid |Sigmund Freud ...

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Sachbuch<br />

Suchtpolitik Geschichteder Drogenszene am Zürcher Platzspitz –aus medizinischer Sicht<br />

Sieben Millionen Spritzen<br />

PeterJ.Grob: Zürcher «Needle-Park».<br />

Ein Stück Drogengeschichteund -politik<br />

1968–2008. Chronos, Zürich 2009.<br />

160 Seiten, Fr.32.–.<br />

Von Willi Wottreng<br />

Das Platzspitzareal beim Zürcher Hauptbahnhof<br />

war zwischen 1988 und 1992<br />

die grösste offene Drogenszene Europas.<br />

Hier wurde konsumiert, gedealt, hier<br />

wurde gelitten und gestorben.<br />

Der Autor Peter J. Grob, emeritierter<br />

Professor für Medizin und vielfach tätig<br />

gewesen in der Bekämpfung <strong>von</strong> Hepatitis<br />

und Aids, beschreibt, wie die «Drogenepidemie»<br />

eingedämmt und «eine<br />

tragfähige Lösung im Umgang mit der<br />

Sucht» gefunden wurde, gelang es doch,<br />

das Thema der Parteipolitik wegzunehmen,<br />

so dass Expertinnen und Experten<br />

verschiedener Fachrichtungen tätig<br />

werden konnten. Diese gaben den Drogenabhängigen<br />

saubere Spritzen, Methadon<br />

und – wenn Betroffene schwerstsüchtig<br />

waren – Heroin ab. Eine Lösung,<br />

die wenig zuvor manchen als wahnwitzig<br />

erschienen wäre.<br />

Verbot sauberer Spritzen<br />

Die Hippiebewegung hatte Haschisch<br />

und Marihuana zu konsumieren begonnen.<br />

Später kamen LSD hinzu, Heroin<br />

und Kokain. Seit 1971 war Drogenbesitz<br />

und Drogenkonsum zwar für strafbar<br />

erklärt, doch der Drogenkonsum stieg.<br />

Mitte der achtziger Jahre schätzte man<br />

die Zahl der Drogenkonsumierenden<br />

landesweit auf 10 000. Jährlich gab es<br />

über 100 Drogentote. Die offizielle Politik<br />

wollte jeden Konsum illegaler Drogen<br />

unterbinden, Konsumierende wurden<br />

vertrieben, wo man sie antraf. Um<br />

die Szene auszutrocknen, verbot der<br />

Zürcher Kantonsarzt, Fixern saubere<br />

20 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 31. Januar 2010<br />

Szenen aus dem<br />

«Needle-Park» beim<br />

Zürcher Platzspitz,<br />

1988 bis 1992.<br />

Spritzen abzugeben, woran sich viele<br />

Ärztinnen und Ärzte nicht halten wollten.<br />

Zeigte sich doch, dass die Mehrfachbenutzung<br />

<strong>von</strong> Nadeln mithalf, das Aids-<br />

Virus HIV zu verbreiten.<br />

Als 1986 in Zürich die Vertreibungsstrategie<br />

aufgegeben wurde, verlagerte<br />

sich die offene Drogenszene ins Platzspitzareal,<br />

wo sich tagsüber Hunderte<br />

trafen und manche gar in Verschlägen<br />

Tauchen Reise in die paradiesischen Tiefen der Meere<br />

Bedrohte Schönheiten unterWasser<br />

Julia Whitty:Riff. Begegnungen mit<br />

verborgenen Welten zwischen Land und<br />

Wasser.Mare, Hamburg2009.<br />

334 Seiten, Fr.37.90.<br />

Von Georg Sütterlin<br />

Wenn Julia Whitty die Korallenriffe als<br />

«Regenwälder des Meeres» bezeichnet,<br />

dann deshalb, weil dieses aquatische<br />

Ökosystem eine vergleichbar hohe Biodiversität<br />

aufweist und ebenfalls bedroht<br />

ist: durch Klimaerwärmung und direkte<br />

menschliche Einflussnahme wie Überfischung,<br />

Verschmutzung und Verbauung<br />

der Küsten. Ihr Buch «Riff», eine<br />

Art populärwissenschaftliche Reisereportage,<br />

ist aber nicht in erster Linie<br />

eine Klage über die vielfältigen Gefah-<br />

ren, die den Korallenatollen weltweit<br />

drohen, sondern eine Huldigung an ihre<br />

paradiesische Schönheit. Hier liegt denn<br />

auch die eigentliche Stärke der Autorin:<br />

solide Sachkenntnis kombiniert mit<br />

einem Auge für das Ästhetische.<br />

An drei Schauplätzen demonstriert<br />

die 52-jährige Dokumentarfilmerin, Journalistin<br />

und Schriftstellerin verschiedene<br />

Aspekte der korallenen Unterwasserwelt:<br />

auf Rangiroa und Moorea in<br />

Französisch-Polynesien sowie auf Funafuti<br />

im Ministaat Tuvalu. Dabei gelingt<br />

es der Autorin, auch komplexe Sachverhalte<br />

so zu schildern, dass der interessierte<br />

Laie zu folgen vermag.<br />

Besonders faszinierend sind neue<br />

ökologische Erkenntnisse, die zeigen,<br />

wie weitreichend sich Störungen des<br />

biologischen Gleichgewichts auswirken<br />

FOtOs: gertrud vOgLer<br />

lebten. Mitte 1988 wurde das Projekt<br />

Zipp-Aids entwickelt, dessen Kernidee<br />

war, Neuinfektionen zu verhindern<br />

durch die Abgabe <strong>von</strong> sterilem Injektionsmaterial<br />

sowie durch medizinische<br />

Hilfeleistung. Dutzende Helferinnen<br />

und Helfer standen im Einsatz, in den<br />

drei Jahren des «Needle-Parks» wurden<br />

über sieben Millionen Spritzen und<br />

Nadelsets abgegeben.<br />

Trockenes, präzises Fachbuch<br />

Allmählich konnten die Infektionen<br />

gestoppt werden, und die Anzahl Todesfälle<br />

begann zu sinken. Der Platzspitz<br />

wurde dann abrupt geschlossen. Doch<br />

gaben die Erfahrungen, wie der Buchautor<br />

schreibt, der schweizerischen Drogenpolitik<br />

«einen wesentlichen Anstoss<br />

zu einer Kehrtwende». Von der Repression<br />

zu einer Politik, die aus vier Säulen<br />

besteht: Prävention, Therapie, Überlebenshilfe<br />

und Repression oder Kontrolle.<br />

Eine Politik, die 2008 mit der erneuten<br />

Revision des Betäubungsmittelgesetzes<br />

<strong>von</strong> der schweizerischen Stimmbevölkerung<br />

gutgeheissen wurde und europaweit<br />

Beachtung fand.<br />

Das Buch ist keine spannende Schilderung<br />

der dramatischen Geschehnisse<br />

auf dem Platzspitz, aber ein verständlich<br />

geschriebenes Fachbuch, streckenweise<br />

in seiner trockenen Art etwas mühsam<br />

zu lesen, in einzelnen Kapiteln wirkt<br />

es wie ein Rechenschaftsbericht der<br />

Projektverantwortlichen <strong>von</strong> Zipp-Aids.<br />

Das Verdienst liegt aber in der präzisen<br />

Nennung der Fakten und in der medizinischen<br />

Fachkenntnis, mit der sie<br />

betrachtet werden.<br />

Die Fotos <strong>von</strong> Gertrud Vogler gleichen<br />

die Schwäche aus: Sie rücken die<br />

Menschen in den Vordergrund. Es sind<br />

Zeitdokumente ersten Ranges, geprägt<br />

<strong>von</strong> Vertrautheit und menschlichem<br />

Respekt zugleich. ●<br />

können. Überraschend (und etwas zeitgeistig)<br />

mutet hingegen der Mix an, mit<br />

dem die Autorin Forschungsergebnisse<br />

und östliche Spiritualität verquickt. Eine<br />

solche Synthese strebte Irenäus Eibl-<br />

Eibesfeldt nicht an, als er «Im Reich der<br />

tausend Atolle» (1964) schrieb. Doch<br />

auch in der nüchternen Sicht dieses<br />

österreichischen Verhaltensforschers<br />

wird die beglückende Erfahrung spürbar,<br />

welche die leuchtende, farbenprächtige<br />

Welt der Riffe und Lagunen allen<br />

bietet, die den Blick durch eine Tauchermaske<br />

unter die Wasseroberfläche richten.<br />

Wir wollen aber nicht kritteln:<br />

«Riff» ist ein lehrreiches und immer<br />

wieder überraschendes Vademecum für<br />

das Tauchen in den Tropen – oder ein<br />

vertröstender und bewusstseinserweiternder<br />

Ersatz dafür. ●

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