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Marcel Proust Hommage von Andreas Isenschmid |Sigmund Freud ...

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BiLd archiv<br />

Religion UrsAltermatt schreibt über die langwierigeAnpassung des Katholizismus in der Schweiz<br />

Wieeinereligiöse Minderheit<br />

sich erfolgreichintegrierte<br />

UrsAltermatt:Konfession, Nation und<br />

Rom. Metamorphosen im<br />

schweizerischen und europäischen<br />

Katholizismus des 19. und 20.Jahrhunderts.<br />

Huber,Frauenfeld 2009.<br />

442 Seiten, Fr.58.–.<br />

Von Klara Obermüller<br />

Die Zeit ist noch gar nicht allzu fern, da<br />

galten Katholiken in der Schweiz als<br />

unzuverlässige Patrioten. Sie bildeten<br />

Sondergesellschaften, sahen sich dem<br />

Verdacht der «doppelten Loyalität» ausgesetzt<br />

und taten sich schwer sowohl<br />

mit den Errungenschaften der Moderne<br />

wie auch mit den Gepflogenheiten der<br />

Demokratie. Mehr als 100 Jahre, <strong>von</strong><br />

1848 bis weit über den Zweiten Weltkrieg<br />

hinaus, sollte der Integrationsprozess<br />

des politischen Katholizismus in<br />

Feminisierung der Arbeitswelt Stolz auf ihren Beruf<br />

201 Mal hatder Fotograf Josef Riegger abgedrückt.<br />

201 Mal steht da eine Frau, vordem gleichen, etwas<br />

irritierenden Hintergrund, in gleicher Pose und dennoch<br />

eigenständig, individuell ausgestattetmit den<br />

selbstgewählten Insignien ihres Berufes. Die Frauen<br />

blicken ernstindie Kamera, lächeln oder lachen, sind<br />

selbstsicher,keck, verschmitzt, frech und manchmal<br />

auch ein wenig verlegen. Aber immer unübersehbar<br />

stolz auf ihren Beruf,ihreTätigkeit, ihr Wissen und<br />

Können. Vonder Archäologin über die Berufsfeuerwehrfrau<br />

(Bild links), die Lokführerin, die Neurochirurgin<br />

(rechts)bis zurZimmerin sind unzählige<br />

Berufsgattungen vertreten. Ja, wir Frauen in der<br />

Schweiz haben es weit gebracht, könnteman meinen.<br />

Wirsind jetzt –fast–überall dabei. Die kurzen Zwischentexte<br />

oder Zwischentöne der Politologin Regula<br />

den schweizerischen Bundesstaat dauern.<br />

Zu einem endgültigen Abschluss<br />

gelangte er im Grunde erst im Jahr 1973,<br />

als mit dem Jesuiten- und dem Klosterartikel<br />

auch noch die letzte Ausnahmeregelung<br />

aus der Bundesverfassung<br />

gestrichen wurde.<br />

Stationen zum Bundesstaat<br />

In Zeiten, da wieder einmal heftig über<br />

die Stellung religiöser Minderheiten in<br />

unserem Land gestritten wird, kann es<br />

ausgesprochen nützlich sein, sich dieser<br />

langwierigen Anpassungsgeschichte<br />

des schweizerischen Katholizismus<br />

und seiner europäischen Parallelen zu<br />

erinnern.<br />

20 Jahre nach seinem Werk über<br />

«Katholizismus und Moderne» legt der<br />

Freiburger Historiker Urs Altermatt ein<br />

weiteres Mal Grundlagen zu solcher<br />

Rückbesinnung vor. In seinem umfang-<br />

Staempfli, gewohnt provokativ und ungeschminkt,<br />

holen einen dann wieder auf den Boden der Realität,<br />

wenn sie laut in Erinnerung ruft, dass bei der Feminisierung<br />

eines Berufes sofort Ansehen und Lohn sinken.<br />

Dass Frauenforschung systematisch nicht zitiert<br />

wird. Dass die Welt voller Gynäkologenist,aber kaum<br />

Urologinnen praktizieren. Dass noch immer Männer<br />

Frauen kaufen dürfen. Dass noch immer erschreckend<br />

wenigeProfessorinnen lehren und die Chefredaktorengrosser<br />

Politmedien stets Männer sind. Warum<br />

aber für die Realisierung dieser tollen Idee nicht eine<br />

Fotografin zumZug gekommen ist, das wissen die<br />

Göttinnen. GenevièveLüscher<br />

Josef Riegger (Fotos), Regula Staempfli(Text):<br />

Frauen ohne Maske. Stämpfli, Bern 2009.<br />

201 Fotografien, 304 Seiten, Fr.49.–.<br />

reichen neuen Buch mit dem auf den<br />

ersten Blick etwas irritierenden Titel<br />

«Konfession, Nation und Rom» zeichnet<br />

er die Stationen nach, die aus den einstigen<br />

Verlierern des Sonderbundskrieges<br />

vollwertige Bürger des schweizerischen<br />

Bundesstaates gemacht haben. Der politisch-kulturelle<br />

Assimilationsprozess an<br />

die national-liberal und protestantisch<br />

geprägte Leitkultur des Landes ist dabei<br />

ebenso ein Thema wie der innerkirchliche<br />

Wandel, der diese Anpassung und<br />

die damit verbundene Emanzipation<br />

erst möglich gemacht hat. Dass sich im<br />

Zuge dieser Entwicklung allerdings auch<br />

das vormals blühende katholische Milieu<br />

mit all seinen Vereinen, Verbänden,<br />

Institutionen und eigenen Presseerzeugnissen<br />

auflöste, ist gewissermassen der<br />

Preis, den der Schweizer Katholizismus<br />

für die erfolgreiche Integration zu<br />

bezahlen hatte.<br />

Urs Altermatt selbst gehört einer<br />

Generation an, die diese Veränderungen<br />

selbst noch hautnah miterlebt hat. Als<br />

Katholik ist er in die Geschichte unmittelbar<br />

involviert und kann vielfach auch<br />

aus der eigenen Erfahrung schöpfen.<br />

Diese persönliche Note tut seiner über<br />

weite Strecken arg trockenen und langatmigen<br />

Wissenschaftsprosa ausgesprochen<br />

gut, und man hätte sich im Interesse<br />

der Lesbarkeit des Textes auch für<br />

interessierte Laien gewünscht, dass die<br />

historischen Kapitel etwas weniger ausführlich<br />

ausgefallen und die Bezüge zur<br />

Gegenwart dafür noch etwas deutlicher<br />

herausgearbeitet worden wären.<br />

Europäisches Fallbeispiel<br />

Der Einwand gilt nicht für den höchst<br />

aufschlussreichen und äusserst konzisen<br />

Schluss-Essay mit dem programmatischen<br />

Titel «Vom Konfessionalismus<br />

zur universalen Religion». In dieser religionssoziologischen<br />

Studie macht Altermatt<br />

einmal mehr deutlich, dass er die<br />

wechselvolle Geschichte des Schweizer<br />

Katholizismus keineswegs isoliert betrachtet,<br />

sondern sie als ein europäisches<br />

Fallbeispiel verstanden wissen<br />

will, an dem sich die parallel verlaufenden<br />

Erosionsprozesse sowohl der Nationen<br />

wie auch der Grosskirchen aufzeigen<br />

lassen. Interessant ist dabei zu<br />

sehen, wie die Bestrebungen des Zweiten<br />

Vatikanums und die sozialen Aufbruchbewegungen<br />

der sogenannten<br />

«langen sechziger Jahre» in die gleiche<br />

Richtung zielten und so ein Klima entstehen<br />

liessen, in dem der Dialog an die<br />

Stelle der einstmals identitätsstiftenden<br />

Abschottung treten konnte.<br />

Ohne explizit darauf zu verweisen,<br />

liefert Altermatts differenzierte Studie<br />

damit Hinweise, die inskünftig auch für<br />

die Integrationsbemühungen anderer<br />

religiöser Minderheiten <strong>von</strong> Bedeutung<br />

sein könnten. ●<br />

31. Januar 2010 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 23

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