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Marcel Proust Hommage von Andreas Isenschmid |Sigmund Freud ...

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Sachbuch<br />

Erwerbslosigkeit Je mehr Langzeitarbeitslose,destomehr Fantasie braucht die Gesellschaftzur<br />

Lösung der sozialen Frage. Die Stiftung für Arbeit in St.Gallen zeigt, wie es funktionieren kann<br />

Arbeiten istmehr<br />

alsblosse Beschäftigung<br />

Lynn Blattmann, Daniela Merz:<br />

Sozialfirmen. Plädoyerfür eine<br />

unternehmerische Arbeitsintegration.<br />

Rüffer&Rub,Zürich 2010.176 S., Fr.38.–.<br />

Von Charlotte Jacquemart<br />

Wäre das Buch «Sozialfirmen» lediglich<br />

eine weitere theoretische Abhandlung:<br />

Wir würden es an dieser Stelle<br />

kaum besprechen. Doch es ist glücklicherweise<br />

weit mehr als graue Theorie.<br />

Es ist eine präzise Handlungsanleitung<br />

für alle, die versuchen, Langzeitarbeitslose<br />

in eine Art «zweiten» Arbeitsmarkt<br />

zu integrieren. Zudem beruht<br />

die verständlich geschriebene Anleitung<br />

nicht auf betriebswirtschaftlicher<br />

Theorie aus dem Elfenbeinturm der<br />

Wissenschaft, sondern auf praktischen<br />

Erfahrungen der «Stiftung für Arbeit»<br />

in St.Gallen, die seit 2002 das Konzept<br />

mit viel Erfolg umsetzt. Die Geschäftsführerin<br />

Daniela Merz – Schwiegertochter<br />

<strong>von</strong> Bundesrat Merz – hat das<br />

Buch zusammen mit ihrer Stellvertreterin<br />

Lynn Blattmann denn auch gleich<br />

selbst geschrieben.<br />

Niemand zweifelt daran, dass auch in<br />

der Schweiz neue Modelle zum Umgang<br />

mit der Sockelarbeitslosigkeit nötig<br />

sind. Denn diese steigt auch hierzulande<br />

an. Zwischen drei und vier Prozent der<br />

im Erwerbsalter stehenden Personen<br />

18 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 31. Januar 2010<br />

Karin hOFer<br />

sind ausgesteuert; 233484 Personen<br />

lebten 2007 <strong>von</strong> der Sozialhilfe. Zählt<br />

man die Bezüger <strong>von</strong> Invalidenrenten<br />

und Arbeitslosenentschädigungen dazu,<br />

wird deutlich, dass um die zehn Prozent<br />

der Bevölkerung im erwerbsfähigen<br />

Alter dauerhaft vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen<br />

sind. Weil sich selbst reiche<br />

Staaten wie die Schweiz steigende<br />

Sozialkosten kaum mehr leisten können,<br />

dürfte die Idee <strong>von</strong> marktwirtschaftlich<br />

geführten Sozialfirmen in Zukunft an<br />

Bedeutung gewinnen. Heute schon gibt<br />

die Schweiz über 3,2 Mrd. Franken für<br />

Sozialhilfe aus. Nur wenn die Betroffenen<br />

mit eigener Arbeit ein anständiges<br />

Daniela Merz, Chefin<br />

der Stiftung für Arbeit<br />

in St. Gallen.<br />

Einkommen erzielen, können diese Kosten<br />

gesenkt werden.<br />

Das Sozialunternehmen tritt an die<br />

heute nur ungenügend funktionierende<br />

Schnittstelle zwischen Staat und Privaten:<br />

Indem man Menschen, die heute<br />

vom «ersten» Arbeitsmarkt ausgeschlossen<br />

sind, eine sinnvolle und<br />

bezahlte Tätigkeit im «zweiten» Arbeitsmarkt<br />

anbietet, gelingt es nicht nur, den<br />

Betroffenen wieder einen Lebensinhalt<br />

zu geben, sondern man verbessert<br />

zusätzlich die Gesamtleistung einer<br />

Gesellschaft. Ziel ist, dass möglichst<br />

viele, die sich erfolgreich in eine Sozialfirma<br />

integrieren können, den Sprung<br />

zurück in den normalen Arbeitsmarkt<br />

finden. Das Beispiel St.Gallen zeigt, dass<br />

es möglich ist, Firmen zu finden, die<br />

Aufträge an Sozialfirmen vergeben. Und<br />

zwar nachhaltig: Waren beim Start im<br />

Jahr 2002 weit unter 100 Mitarbeiter mit<br />

dabei, sind es heute über 700 in St. Gallen,<br />

Arbon, Zürich und Winterthur.<br />

Vor allem im Bereich der industriellen<br />

oder industrienahen Arbeiten orten<br />

die Autorinnen ein grosses Potenzial für<br />

Aufträge an Sozialfirmen. Doch auch für<br />

Sozialfirmen gilt: Niemand vergibt<br />

Arbeitsaufträge aus sozialen Gründen –<br />

Qualität und Leistung der Arbeit müssen<br />

stimmen. Gerade darauf dürfte der<br />

Erfolg des St. Galler Modells beruhen.<br />

Bleibt zu hoffen, dass das Beispiel weiter<br />

Schule macht. ●<br />

Schweiz Nunbefasst sich auch der Wissenschaftsbetriebmit 1968 –eine Nachzügler-Publikation<br />

Das«bewegte» Jahrzehntinder Analyse<br />

Janick Marina Schaufelbuehl (Hrsg.):<br />

1968–1978. Ein bewegtes Jahrzehnt in<br />

der Schweiz. UnterMitarbeit <strong>von</strong>Nuno<br />

Pereiraund Renate Schär.<br />

Chronos, Zürich 2009. 333 Seiten, Fr.48.–.<br />

Von Urs Rauber<br />

Ein halbes Dutzend Bücher sind vor<br />

knapp zwei Jahren zum 40. Jahrestag <strong>von</strong><br />

1968 in der Schweiz erschienen, vornehmlich<br />

aus der Feder <strong>von</strong> Altachtundsechzigern.<br />

Inzwischen ist das<br />

Geschichtskapitel definitiv zum Forschungsgebiet<br />

der Wissenschaft geworden.<br />

Ein vom Nationalfonds unterstützter<br />

neuer Sammelband vereinigt 19<br />

Beiträge, die vor allem auf Lizentiatsarbeiten<br />

und Dissertationen der letzten<br />

Jahre fussen. Ging es den schreibenden<br />

Veteranen noch darum, sich die Deutungshoheit<br />

über ihre Geschichte nicht<br />

entreissen zu lassen, gehen jüngere Historiker<br />

nun unbefangener ans Werk.<br />

Eingeleitet wird der Reader zum<br />

«bewegten Jahrzehnt» durch einen Aufsatz<br />

der Berner Geschichtsordinaria<br />

Brigitte Studer und der Lausanner Historikerin<br />

Janick Marina Schaufelbuehl.<br />

Ihre Behauptung, in der Schweiz seien<br />

«die biografischen und subjektiven Ebenen»<br />

der 68er Bewegung noch «kaum<br />

erschlossen», überzeugt indes nicht.<br />

Verwiesen sei etwa auf die Biografiensammlung<br />

<strong>von</strong> Heinz Nigg «Wir sind<br />

wenige, aber wir sind alle» (Limmat,<br />

Zürich 2008) und andere Publikationen.<br />

Den Abschluss des Bandes bildet ein<br />

länglicher Syntheseversuch des Wirtschafts-<br />

und Sozialhistorikers Jean<br />

Batou, der an der Uni Lausanne Oral-<br />

History-Seminare zum Thema durchgeführt<br />

hat.<br />

Die übrigen, kürzeren Beiträge kreisen<br />

um vier Themenkomplexe: den globalen<br />

Kontext der schweizerischen 68er<br />

Bewegung, die Dritte-Welt-Solidarität<br />

(«Tiermondismus»), die Geschlechterbeziehungen<br />

sowie Äusserungen der<br />

Alternativkultur. Darin finden sich etliche<br />

kritische Töne – zum Revolutionsromantizismus<br />

etwa oder zur Fehleinschätzung<br />

der Befreiungsbewegungen<br />

durch die 68er Aktivisten.<br />

Leider steht jeder Aufsatz für sich, so<br />

dass kein Buch aus einem Guss entstanden<br />

ist. Zu bedauern ist ferner, dass<br />

mehrere Beiträge im Jargon universitärer<br />

Seminararbeiten geschrieben sind<br />

und kaum zu neuen Erkenntnissen vorstossen.<br />

Wenig zu befriedigen vermag<br />

auch das Konzept der Zweisprachigkeit:<br />

Während die Kapiteleinleitungen in<br />

Deutsch und Französisch publiziert<br />

werden, vermisst man die Übersetzung<br />

oder zumindest eine Zusammenfassung<br />

in der jeweils anderen Sprache beim<br />

Einleitungs- und Schlussbeitrag. Da<br />

auch eine zentrale Bibliografie, ein Sachund<br />

Personenregister sowie Angaben zu<br />

den weitgehend unbekannten Autorinnen<br />

und Autoren fehlen, drängt sich die<br />

Bewertung auf: trotz einzelnen Pluspunkten<br />

eher misslungen. ●

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