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Marcel Proust Hommage von Andreas Isenschmid |Sigmund Freud ...

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Belletristik<br />

Autobiografischer Roman Sheilah Graham stammteaus ärmlichen Verhältnissen und machtein<br />

den USAals Klatschkolumnistin Karriere<br />

Ausder Gosse nach Hollywood<br />

Sheilah Graham, Gerold Frank: Die<br />

furchtlosen Memoiren der Sheilah<br />

Graham. Ausdem Englischen <strong>von</strong>Hans<br />

Hennecke. Eichborn, Frankfurt a. M.<br />

2010.380 Seiten, Fr.52.–.<br />

Von Sacha Verna<br />

«Sollte man sich überhaupt an mich<br />

erinnern, dann wegen Scott Fitzgerald»,<br />

hat Sheilah Graham einmal über sich<br />

gesagt. Damit hatte die Frau zum Teil<br />

recht. Aber nur zum Teil. Denn an<br />

Sheilah Graham, geboren 1904 im englischen<br />

Leeds, gestorben 1988 in Palm<br />

Beach, Florida, erinnerte sich zumindest<br />

der Nachrufschreiber der «New York<br />

Times» auch wegen ihrer 35 Jahre langen<br />

Karriere als Hollywoods berühmteste<br />

Klatschkolumnistin. Die Information<br />

über Grahams Liebesaffäre mit<br />

dem Schriftsteller F. Scott Fitzgerald lieferte<br />

der Autor zwar bereits im zweiten<br />

Absatz seines Artikels nach. Doch hatte<br />

für die Verbreitung dieser Tatsache<br />

Sheilah Graham schon selber gesorgt.<br />

«Beloved Infidel» hiess ihr autobiografischer<br />

Roman im Original, der nun<br />

unter dem Titel «Die furchtlosen<br />

Memoiren der Sheilah Graham» auf<br />

Deutsch erschienen ist. Er wurde 1958<br />

zu einem Bestseller und sogar verfilmt,<br />

mit keinen Geringeren als Gregory Peck<br />

und Deborah Kerr in den Hauptrollen.<br />

Zudem verfasste Sheilah Graham später<br />

drei weitere Bücher über ihre Beziehung<br />

mit jenem Mann, der 1940 einige Tage<br />

vor Weihnachten in ihrem Wohnzimmer<br />

an einem Herzinfarkt starb.<br />

Kindheit in Londoner Slums<br />

Sheilah Graham und F. Scott Fitzgerald<br />

begegneten sich erstmals 1937 an einer<br />

Verlobungsfeier in Hollywood. Es war<br />

Sheilah Grahams Verlobungsfeier. Sie<br />

wollte demnächst nach England zurückkehren<br />

und einen Adligen ehelichen.<br />

Daraus wurde nichts – und stattdessen<br />

aus Graham und Fitzgerald ein Paar, was<br />

sie bis zu Fitzgeralds Tod auch blieben.<br />

Von dieser Zeit handelt die zweite Hälfte<br />

dieses Buches. In der ersten Hälfte<br />

schildert die Autorin das, was dem vorausgegangen<br />

war: nämlich die Erfindung<br />

der Sheilah Graham.<br />

«Mein wirklicher Name ist Lily Sheil,<br />

ein Name, der mich bis zum heutigen<br />

Tag in einem Ausmass entsetzt, das ich<br />

nicht zu erklären vermag.» Mit diesem<br />

Paukenschlag eröffnet Sheilah Graham<br />

ihre «furchtlosen Memoiren». Im Folgenden<br />

erklärt sie sehr wohl, weshalb<br />

ihr beim Klang ihres Taufnamens noch<br />

immer «der kalte Schweiss» ausbricht:<br />

Er steht für ihre Kindheit in den Slums<br />

<strong>von</strong> London, für Jahre im Waisenhaus,<br />

für Jobs als Hausangestellte, Zahnbürstenverkäuferin<br />

und Revuetänzerin, für<br />

eine Ehe mit einem viel älteren Mann.<br />

Lily Sheil hat sich im klassischen Sinn<br />

6 ❘ NZZ am Sonntag ❘ 31. Januar 2010<br />

«Beloved Infidel»:<br />

Sheila Grahams<br />

Autobiografie wurde<br />

1959 verfilmt mit<br />

Deborah Kerr und<br />

Gregory Peck in den<br />

Hauptrollen.<br />

aus der Gosse hochgearbeitet, wobei<br />

diese Arbeit vor allem im geschickten<br />

Einsatz ihrer Schönheit und ihrer Intelligenz<br />

bestand.<br />

Als sie 1933 mit hundert Dollar und<br />

einem Rückfahrbillett in der Tasche,<br />

<strong>von</strong> dem sie keinen Gebrauch zu machen<br />

gedachte, in Amerika ankam, war die<br />

Verwandlung der Lily Sheil in Sheilah<br />

Graham schon so weit fortgeschritten,<br />

dass sie dem Leiter des bedeutendsten<br />

Pressesyndikats des Landes mehrere<br />

eigene Artikel vorlegen konnte und<br />

prompt eine Stelle bei einer New Yorker<br />

Zeitung ergatterte. Drei Jahre später war<br />

sie in Hollywood, und 1964 wurden ihre<br />

Bissigkeiten über die Stars und Sternchen<br />

der Traumfabrik in 178 Zeitungen<br />

gedruckt. Sie hatte eine eigene Radiound<br />

eine Fernsehshow.<br />

Prekäre Idylle<br />

Und F. Scott Fitzgerald? Die dreieinhalb<br />

Jahre, die sie mit ihm verbrachte, waren<br />

geprägt <strong>von</strong> Fitzgeralds Kampf gegen<br />

den Alkohol, <strong>von</strong> seinen Selbstzweifeln<br />

und Geldsorgen. Aber auch, so Sheilah<br />

Graham, <strong>von</strong> echter Leidenschaft. Sie<br />

zeichnet das Bild einer prekären Idylle:<br />

Fitzgerald entwirft für Sheilah Graham<br />

einen Lehrplan, damit sie die Bildung<br />

nachholen kann, nach der sie sich so<br />

lange vergeblich gesehnt, deren Mangel<br />

sie so verzweifelt zu verbergen versucht<br />

hat. Gemeinsam studieren sie die Evangelien<br />

und Darwin, Cervantes und Joyce.<br />

Sie verbringen Monate fernab des gesellschaftlichen<br />

Rummels in Häusern, die<br />

Sheilah Graham für sie findet. Sie nehmen<br />

grössten Anteil an der Arbeit des<br />

jeweils anderen. Von der Ehefrau Zelda<br />

Fitzgerald, die in einer Irrenanstalt, und<br />

der Tochter Scottie, die in einem Internat<br />

untergebracht ist, weiss Sheilah Graham<br />

<strong>von</strong> Anfang an. Fitzgerald wiederum<br />

kennt die wahre Geschichte der<br />

Sheilah Graham.<br />

Die wahre Geschichte? Die kennt am<br />

Schluss natürlich niemand ausser Sheilah<br />

Graham. Und diese verhehlt nicht,<br />

dass sie dem Leser in ihren «Memoiren»<br />

nicht die Wahrheit präsentiert, sondern<br />

die fiktive Aufbereitung sorgfältig ausgewählter<br />

Fakten. Dass der Autorin bei<br />

der Niederschrift Gerold Frank zur<br />

Hand gegangen ist, <strong>von</strong> dem unter anderem<br />

Biografien <strong>von</strong> Zsa Zsa Gabor und<br />

Judy Garland stammen, trägt zur Glaubwürdigkeit<br />

dieses Werks nicht unbedingt<br />

bei. Doch ist Glaubwürdigkeit in<br />

diesem Fall auch nicht das Ziel.<br />

Dies ist der Roman eines Lebensabschnitts,<br />

oder besser: disparater Lebensabschnitte,<br />

routiniert und unterhaltsam<br />

dargestellt. Man sollte ihn geniessen<br />

wie einen guten Hollywood-Film: als<br />

zweidimensionale und eben deshalb<br />

vergnügliche Version einer vermutlich<br />

viel zu komplizierten, weil mehrdimensionalen<br />

Vorlage. Und über Hollywood<br />

wusste Sheilah Graham nun wirklich<br />

Bescheid. ●<br />

interFOtO

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