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Matthias Bauer: Liebe Deinen Replikanten wie Dich selbst

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Das wird noch deutlicher, wenn man The Blade Runner auf die Tradition<br />

der Darstellung künstlicher Menschen im Film und in der Literatur bezieht.<br />

Nicht nur in Fritz Langs Metropolis (1927), auch in den unzähligen Versio-<br />

nen des Frankenstein-Mythos, aber auch in dem zu Unrecht häufig igno-<br />

rierten Roman DIE EVA DER ZUKUNFT (1886) von Jean-Marie Villiers de l’Isle<br />

Adam wird die Andreide entweder, <strong>wie</strong> bei Mary Shelley, gar nicht erst<br />

zum Leben erweckt oder so bald als möglich vernichtet, weil der prome-<br />

thische Mann in ihr nur eine gefährliche Infragestellung seiner schöpferischen<br />

Potenz und Autonomie sehen kann. Echte Gefühle zu haben, wird<br />

der künstlichen Frau ebenso verwehrt <strong>wie</strong> das Anrecht darauf, als Mensch<br />

behandelt zu werden. In James Whales The Bride of Frankenstein (1935)<br />

etwa kann das arme Geschöpf im Gegensatz zum männlichen Monster,<br />

das über einen vergleichsweise elaborierten Code verfügt, lediglich spitze,<br />

grelle Schreckensschreie ausstoßen, bevor es, kaum das es existiert, auch<br />

schon <strong>wie</strong>der annihiliert wird.<br />

*<br />

Gerade im Vergleich mit den Geschichten von künstlichen Menschen, die<br />

im Kino vor The Blade Runner erzählt worden sind, aber auch im Vergleich<br />

mit der Romanvorlage, zeigt sich somit, dass Ridley Scott über die Variation<br />

des Themas hinaus zu einer innovativen Sicht der Dinge gelangt ist.<br />

Hervorzuheben ist dabei zum einen, dass er zum ersten Mal in der Literatur-<br />

und Filmgeschichte weibliche künstliche Menschen präsentiert, die<br />

überleben und deren Kampf um Anerkennung nicht diskreditiert wird. Zum<br />

anderen scheint der eigentliche Clou von Scotts Romanverfilmung gerade<br />

darin zu bestehen, dass ein Replikant, der sich <strong>wie</strong> Roy Batty, Rachael Rosen<br />

oder Rick Deckard verhält, ziemlich genau dem Bild entspricht, das<br />

Albert Camus vom „Mensch in der Revolte“ gezeichnet hat:<br />

„Was ist der Mensch in der Revolte? Ein Mensch, der nein sagt. [...] Er<br />

schritt unter der Peitsche des Herrn. Nun bietet er ihm die Stirn“, 15 heißt<br />

es bei Camus. Zwei wichtige Bemerkungen ergänzen dieses Bild vom Menschen<br />

in der Revolte. Erstens verweist Camus auf die deontische bzw. ethische<br />

Dimension der Revolte: „Scheinbar negativ, da sie nichts erschafft,<br />

15 Albert Camus: Der Mensch in der Revolte. Essays. Reinbek bei Hamburg 1988 [Französische Erstausgabe<br />

1951], S. 14. Wenn Roy Batty im Film seinem ‚Vater‘, dem Roboterhersteller Tyrell, die Stirn bietet und verlangt,<br />

die Termination seiner Existenz aufzuheben, und diesem dann, nachdem er sich von der technischen Unmöglichkeit<br />

überzeugen musste, dass dieser Wunsch erfüllt werden könnte, die Augen eindrückt, reagiert er<br />

ähnlich <strong>wie</strong> Frankensteins Monster, nachdem ihm sein Schöpfer das Recht auf ein Mit-Geschöpf verwehrt hat.<br />

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