Matthias Bauer: Liebe Deinen Replikanten wie Dich selbst
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de Runner (1982, Director’s Cut 1991). Dort folgt Rachael Rosen, ein<br />
Replikant, Rick Deckard, dem Rachael soeben das Leben gerettet hat, in<br />
die Wohnung. Sie will nicht nur wissen, ob er sie trotzdem verfolgen und<br />
auftragsgemäß auslöschen wird. Sie möchte auch erfahren, ob er <strong>selbst</strong><br />
sich schon einmal dem Test unterzogen hat, der echte Menschen von ihren<br />
maschinellen Imitationen (<strong>Replikanten</strong>) unterscheidet. Deckard bleibt<br />
ihr die Antwort schuldig. Erschöpft liegt er auf einem Sofa, während sich<br />
Rachael an ein Klavier setzt und eine Melodie anstimmt, die ihr spontan in<br />
den Sinn zu kommen scheint. Anschließend löst sie ihr streng frisiertes<br />
Haar, so dass es ihr in fülligen Locken auf die Schulten fällt. Deckard, der<br />
sich inzwischen zu ihr gesetzt hat, beugt sich zu Rachael herüber und<br />
küsst sie auf die Wange. Als Rachael daraufhin, kopfscheu geworden, Deckards<br />
Wohnung zu verlassen sucht, versperrt er ihr den Ausgang, stößt<br />
sie zurück und nötigt ihr einen Kuss ab. Er verlangt, dass sie nach ihm<br />
verlangt und die Zärtlichkeiten erwidert. Zögernd, ja erschrocken, dann<br />
aber doch hingerissen und stürmisch wirft sich Rachael Rick an den Hals.<br />
Bedenkt man, dass die von Sean Young gespielte Frau im Rahmen der filmischen<br />
Fiktion ein Replikant, ein weiblich gestylter Roboter ist, werden<br />
die Zuschauer in dieser Szene Zeugen einer Menschwerdung durch den<br />
Akt der <strong>Liebe</strong>, wobei das Überwältigtwerden durch die stürmischen Gefühle,<br />
die Rachael und Rick für einander empfinden, voraussetzt, dass sie sich<br />
<strong>selbst</strong> als empfindsame Subjekte verstehen und fühlen. Eben deswegen<br />
können wir ihnen als Zuschauer weder unsere Sympathie noch unsere<br />
Fürsorge verweigern. Wir nehmen Anteil an ihrem Schicksal, sind also<br />
vom melodramatischen Gang der Handlung in einer zutiefst emotionalen<br />
Weise betroffen.<br />
Das aber ist vor allem ein Effekt der Art und Weise, in der Ridley Scott in<br />
Rachaels Fall die Verwandlung, die Menschwerdung der Maschine inszeniert<br />
hat: „Von Einstellung zu Einstellung“, so hat es Thomas Koebner<br />
formuliert, „verschwindet der puppen- und maskenhafte glatte Schimmer<br />
ihres unbewegten Gesichts und weicht einem natürlich wirkenden Teint.“ 8<br />
Dem komplexen Zusammenwirken von Mienenspiel und Beleuchtung,<br />
Farbdramaturgie und Gesichtsausdruck, Frisurenwechsel und Makeup<br />
können die Zuschauer entnehmen, <strong>wie</strong> Sehnsucht und Angst, Selbstbewusstsein<br />
und Unsicherheit, Verlangen und Fluchtimpulse entstehen. Ra-<br />
8 Thomas Koebner: Wovon träumen die Geschöpfe des Prometheus. Künstliche Menschen im Film. In: Derselbe:<br />
Halbnah. Schriften zum Film. Zweite Folge. St. Augustin 1999, S. 58-74; Zitat S. 70.<br />
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