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Matthias Bauer: Liebe Deinen Replikanten wie Dich selbst

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als eine Pathosformel, die das Gefühl der transzendenten Obdachlosigkeit<br />

in einen religiösen Kontext versetzt.<br />

Wieder ganz anders verfährt Steven Soderbergh 30 Jahre später. Er präsentiert<br />

den Zuschauern zwei Schlussvarianten, von denen die eine offensichtlich<br />

eher dem Blade Runner-Szenario als dem Roman SOLARIS verpflichtet<br />

ist. Zu Beginn der Handlung, bevor ihn der Auftrag ereilt, ins All<br />

zu fliegen, schneidet sich Kris Kelvin, gespielt von George Clooney, in einen<br />

Finger, der heftig zu bluten beginnt. Die Szene <strong>wie</strong>derholt sich <strong>wie</strong> in<br />

einer Zeitschleife gegen Ende des Films, als der Zuschauer meint, Kelvin<br />

sei zur Erde zurückgekehrt. Diesmal jedoch schließt sich die Wunde von<br />

<strong>selbst</strong> in wenigen Sekunden, <strong>wie</strong> es zuvor an Bord der Raumstation bei<br />

Rheya zu sehen war, <strong>wie</strong> Harey in dieser Romanverfilmung heißt. Für den<br />

aufmerksamen Zuschauer ist dies ein untrügliches Anzeichen dafür, dass<br />

Kelvin nur als ‚Gast‘ in der menschlichen Zivilisation existiert. Und in der<br />

Tat liefert der Film sofort im Anschluss an die erwähnte Szene eine Sequenz,<br />

in der man sieht, <strong>wie</strong> Chris an Bord der Raumstation geblieben und<br />

dort offenbar gestorben ist.<br />

Die Kamera hingegen sucht noch einmal den ‚Gast‘ auf der Erde auf. In<br />

dieser Gestalt nämlich gelingt es Chris erneut und diesmal, <strong>wie</strong> man annehmen<br />

darf, für immer – also über den Tod hinaus – sich mit Rheya zu<br />

vereinen. 42 Der Tod, so hatten es sich die beiden einst, Thomas Dylan zitierend,<br />

versprochen, soll keine Macht über sie haben. Die Frage, die der<br />

Film bewusst offen lässt, und die sich jeder Zuschauer <strong>selbst</strong> beantworten<br />

muss, lautet natürlich: Wer träumt dieses happy end eigentlich, wer ist<br />

das Subjekt dieser <strong>Liebe</strong>sutopie? Soderberghs neue, von James Cameron,<br />

Rae Sanchini und Jon Landau produzierte Romanverfilmung kann somit<br />

einerseits als konsequente Variation des Themas angesehen werden, das<br />

Lem in seinem Roman zur Sprache bringt. Andererseits dürfte das verräterische<br />

Indiz, das den auf die Erde zurückgekehrten Kelvin als ‚Gast‘ entlarvt,<br />

ein Echo auf die Blade Runner-Dramaturgie zu sein, derzufolge Deckard<br />

<strong>selbst</strong> als Replikant erscheint. Auch in dieser Hinsicht ist es die Variation<br />

des Themas, auf die es ankommt.<br />

42 Voraussetzung dafür ist, dass Soderbergh die im Roman vorgegebene Konstitutionsregel der Gäste mißachtet,<br />

die ihre Erscheinung an die Einflusssphäre des Solaris-Ozeans bindet. Jenseits dieser Sphäre können sie nicht<br />

existieren.<br />

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