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Matthias Bauer: Liebe Deinen Replikanten wie Dich selbst

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thische Freude für das Glück einer anderen Lebensform oder Trauer bei<br />

deren Unglück zu empfinden, die Verkörperung des Mörders.“ 11<br />

Zunächst scheint die Sache also eindeutig klar und Deckard in seiner Rolle<br />

als eiskalter Roboter-Terminator moralisch absolut gerechtfertigt zu sein.<br />

Verunsichert in seiner Selbstgerechtigkeit wird Deckard unter anderem im<br />

Gespräch mit Luba Luft, die er verdächtigt, ein Android zu sein. Als sie<br />

sein Misstrauen mit dem Angebot zur Mitarbeit zu zerstreuen sucht –<br />

„Würde ich Ihnen meine Hilfe anbieten, wenn ich <strong>selbst</strong> ein Androide wäre?“<br />

– kontert Deckard: „Einem Androiden ist es gleichgültig, was mit einem<br />

anderen Androiden geschieht.“ Woraufhin Luba Luft sofort bemerkt:<br />

„Dann müssen Sie ein Androide sein.“ Dass diese Bemerkung Deckard<br />

„<strong>wie</strong> ein Faustschlag“ trifft, 12 hebt seine Verunsicherung und die der Leser<br />

keineswegs auf. Im Gegenteil. Die entscheidende Frage, die der Roman<br />

fortan ventiliert, die Frage nämlich, ob womöglich auch Androiden eine<br />

Seele haben, droht mit Deckards Selbstgewissheit auch die anthropologische<br />

Differenz von Mensch und Maschine aufzuheben. Einerseits gilt:<br />

Wenn die <strong>Replikanten</strong> Empfindungen hegen, muss man auch Mitleid mit<br />

ihnen haben und sie <strong>wie</strong> Menschen behandeln. In diesem Fall verbietet es<br />

sich, sie erbarmungslos abzuschlachten. Andererseits gilt dann aber auch:<br />

Dass ich <strong>selbst</strong> Gefühle habe, bedeutet keineswegs, dass ich kein Roboter<br />

oder Automat bin. Dieses Dilemma wird in der für Deckard schicksalhaften<br />

Begegnung mit Rachael Rosen verschärft. Im Roman liest sich diese Szene<br />

– anders als im Film – so:<br />

„Wie mag es wohl sein, einen Androiden zu küssen? fragte er sich. Er<br />

beugte sich ein wenig vor und küßte ihre trockenen Lippen. Es folgte keine<br />

Reaktion. Rachael blieb gleichgültig, als berühre sie ein Kuß gar nicht. Anders<br />

bei ihm. Doch vielleicht war das bloß Wunschdenken.“ 13<br />

In Dicks Version nimmt das Dilemma der Un-Unterscheidbarkeit also folgende<br />

Form an: Entweder empfinden Maschinen im Unterschied zu Menschen<br />

keine echten Gefühle oder aber das, was Menschen für echte Gefühle<br />

halten, sind lediglich Simulationen, <strong>wie</strong> sie auch jede entsprechend<br />

programmierte Maschine erzeugen kann. Wenn also in der <strong>Liebe</strong> der eine<br />

Mensch für den anderen zur Projektionsfläche wird und das erotische<br />

11 Dick, S. 41.<br />

12 Vgl. Dick, S. 116.<br />

13 Dick, S. 208. Im Film erscheint Rachael von Deckards Zärtlichkeiten zunächst überfordert zu sein und zeigt<br />

daher eine Fluchtreaktion. Sie ist dort also keineswegs gleichgültig.<br />

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